Schengen-Ausschluss bei Frontex-NeinSP-Ständerat Jositsch unterstellt Bundesrätin Keller-Sutter leere Drohungen
SDA/uri
4.5.2022 - 10:15
SP-Ständerat Daniel Jositsch. (Archiv)
Bild: Keystone
Im Falle eines Neins des Stimmvolks beim Frontex-Referendum rechnet SP-Ständerat Daniel Jositsch mit keinem Ausschluss aus dem Schengen-Raum. Bundesrätin Keller-Sutter argumentiere «brandgefährlich».
Keystone-SDA, SDA/uri
04.05.2022, 10:15
04.05.2022, 10:59
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SP-Ständerat Daniel Jositsch macht FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter im Abstimmungskampf um die Frontex-Vorlage, über die am 15. Mai abgestimmt wird, Vorwürfe. Die Bundesrätin stelle die Realität bewusst falsch dar. Einen Rauswurf aus dem Schengen-System hält er für ausgeschlossen.
Es gebe keinen Automatismus, auch wenn Keller-Sutter das behaupte. Sonst wäre die Schweiz schon lange aus dem Schengen-System ausgeschlossen worden, erklärte Jositsch in einem Interview mit der «Neuen Zürcher Zeitung». Nach dem Buchstaben des Abkommens habe die Schweiz nämlich in einem solchen Fall nur zwei Jahre Zeit, neue Entscheide zu übernehmen. Diese Frist sei bereits im Dezember 2021 abgelaufen und die EU habe die Schweiz nicht rausgeworfen.
«Niemand hat ein Interesse daran, dass wir aus Schengen ausgeschlossen werden – weder in Bern noch in Brüssel oder in irgendeinem EU-Land», so Jositsch. Die EU werde die Schweiz auch nicht ausschliessen, wenn sie bei der Frontex-Vorlage einen zweiten Anlauf brauche. Es habe schon Fälle gegeben, in denen die Schweiz über drei Jahre für die Rechtsübernahme benötigt habe, ohne dass dies Folgen gehabt hätte.
«Europapolitisch gefährliche Rhetorik»
Bundesrätin Keller-Sutter wiederhole die leere Drohung, dass die Schweiz bei einem Nein sofort bei Schengen hinausfliege. Diese Rhetorik sei aber europapolitisch verheerend. «Die Bundesrätin zementiert das Bild, dass wir am Gängelband der EU seien, dass wir bestraft würden, wenn wir nicht kuschten. Das halte ich für brandgefährlich», sagte Jositsch.
Der SP-Ständerat verwies auf ein Dilemma: Einerseits müsse sich die Schweiz am Frontex-Ausbau beteiligen, sonst werde sie aus dem Schengen-Abkommen ausgeschlossen. Andererseits könne nicht hingenommen werden, dass sich die Schweiz ohne flankierende humanitäre Massnahmen am Ausbau dieses Systems beteilige.
Die SP sei nicht grundsätzlich gegen Frontex, verlange aber im Gegenzug zusätzliche legale Möglichkeiten zur Flucht in die Schweiz, so Jositsch. Die heutige Asylpolitik in Europa führe zu katastrophalen humanitären Situationen.
Bei einem Volks-Nein wird laut Jositsch die Vorlage direkt wieder ins Parlament kommen. Der SP-Politiker verwies auf einen entsprechenden Vorstoss, den er in der letzten Session eingereicht hat. Das Parlament könnte seiner Meinung nach bereits im Juni darüber entscheiden.
Bundesrat warnt vor Folgen eines Neins
Bundesräte warnten im Abstimmungskampf wiederholt davor, die Vorlage zu unterschätzen. «Es ist zwingend, die weiteren Schengen-Regeln zu übernehmen, sonst riskieren wir einen Ausschluss», sagte etwa Justizministerin Karin Keller-Sutter. Die Schweiz stünde dann mitten in Europa ziemlich alleine da und müsste eine neue Lösung finden.
Auch Bundesrat Ueli Maurer hatte vor knapp einem Monat an der Delegiertenversammlung der SVP erklärt, dass ein Nein zur Frontex-Vorlage einen Ausschluss aus Schengen/Dublin bedeute. Das würde mit sich bringen, dass die Schweiz auch aus dem Sicherheitsverbund SIS ausgeschlossen würde. SIS sei heute das wichtigste Fahndungssystem, um Kriminelle aufzuspüren. Die Schweizer Behörden würden täglich 300'000 Abfragen darin tätigen, sagte der Finanzminister.
Die europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache Frontex wurde 2004 gegründet. Die Schweiz arbeitet seit 2011 mit ihr zusammen. Im Schnitt leisten Mitarbeitende des Bundes jährlich rund 1400 Einsatztage für Frontex – etwa in Griechenland, Italien, Bulgarien, Spanien oder Kroatien.
Die EU rüstet Frontex seit 2016 mit mehr Personal und technischer Ausrüstung auf, damit die Agentur ihre Aufgaben im Grenz- und Rückkehrbereich besser wahrnehmen kann. An diesem Ausbau muss sich auch die Schweiz beteiligen, weil es sich um eine Schengen-Weiterentwicklung handelt.
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