Swissgrid-Chef kontert Albert Rösti Ein Stromabkommen mit der EU ist «zwingend nötig»

SDA/dor

22.9.2023 - 04:42

«Sparen, sparen, sparen»: Mit Kontingenten und Verboten gegen Strommangel

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Der Bundesrat will bei einer Strommangellage notfalls mit Verboten, Kontingenten und Notabschaltungen reagieren. Ziel ist es, die Netzstabilität und damit die Stromversorgung zu gewährleisten. Die Massnahmen sollen kaskadenartig erfolgen.

23.11.2022

Ein Stromabkommen mit der EU ist laut Swissgrid-Chef Yves Zumwald zwingend nötig. Er widerspricht damit Energieminister Albert Rösti (SVP). Eine Schweiz mit autarker Stromversorgung ist laut Zumwald eine Illusion.

22.9.2023 - 04:42

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Seit dem Jahr 2007 verhandelt die Schweiz mit der EU über ein Stromabkommen.
  • Energieminister Albert Rösti (SVP) sagte vor ein paar Tagen in einem Interview, die Schweiz brauche kein Stromabkommen «um jeden Preis».
  • Swissgrid-Chef Yves Zumwald widerspricht Rösti: Ein Stromabkommen mit der EU sei zwingend nötig.
  • Die Schweiz entkoppelt sich laut Zumwald vom europäischen Strommarkt – und das gefährde nicht nur die Netzstabilität, sondern mache auch eine Integration der Schweizer Kraftwerke in Europa schwierig.
  • Die Schweiz ist laut Zumwald physisch über 41 Grenzleitungen mit Europa verbunden – und betreibe gemeinsam mit den europäischen Partnern das Netz. Da sei es eine «sehr schlechte Idee, Swissgrid von Plattformen und Gremien auszuschliessen, die helfen, das Stromnetz stabil zu halten».

Energieminister Albert Rösti (SVP) hatte in einem am Samstag in der «Neuen Zürcher Zeitung» (NZZ) veröffentlichten Interview gesagt, die Schweiz brauche kein Stromabkommen «um jeden Preis». «Das ist eine politische Aussage», sagte Yves Zumwald nun in einem Interview mit der NZZ (Freitagausgabe). Derzeit finde ein politisches Powerplay zwischen Bern und Brüssel statt.

«An unserer Überzeugung, dass sich die Beziehung im Strombereich zwischen der Schweiz und der EU normalisieren muss, ändert sich dadurch nichts», so der Chef des nationalen Netzbetreibers. «Wir stellen heute eine Entkoppelung der Schweiz vom europäischen Strommarkt fest – und das gefährdet nicht nur die Netzstabilität, sondern macht auch eine Integration der Schweizer Kraftwerke in Europa schwierig.» Ohne Teilnahme am europäischen Stromnetz steige der Stress im heimischen Übertragungsnetz und mache einen sicheren Netzbetrieb schwieriger.

Zumwald: Importfähigkeit der Schweiz erodiert

Die Nachbarländer der Schweiz heben laut Zumwald die Kapazitätszuteilung jedes Jahr um zehn Prozent an. Das führt zu einer Zunahme des Handels innerhalb der EU – physikalisch fliesst dabei auch ein Teil des Stroms über die Schweiz. «Wegen dieser ungeplanten Flüsse stehen der Schweiz damit nach 2025 sogar weniger als 30 Prozent der Übertragungskapazität zur Verfügung», so Zumwald. Dann tritt in der EU die 70-Prozent-Regel in Kraft. «Wir erwarten eine massive Zunahme der ungeplanten Stromflüsse durch die Schweiz. Zugleich erodiert unsere Importfähigkeit.»

 Yves Zumwald, Chef des nationalen Netzbetreibers Swissgrid.
 Yves Zumwald, Chef des nationalen Netzbetreibers Swissgrid.
Bild: Keystone/Walter Bieri

Nach Ansicht der europäischen Netzbetreiber sässen alle im gleichen Boot, sagte Zumwald. «Unter den Netzbetreibern in Europa steht ausser Zweifel, dass wir mit Europa auf technischer Ebene zusammenarbeiten müssen. Wir sind physisch über 41 Grenzleitungen mit Europa verbunden – und wir betreiben gemeinsam mit unseren europäischen Partnern das Netz. Da ist es eine sehr schlechte Idee, Swissgrid von Plattformen und Gremien auszuschliessen, die helfen, das Stromnetz stabil zu halten.»

Zumwald: Energieautarke Schweiz ist Illusion

Zwar bestehe die Möglichkeit, mit ausländischen Netzbetreibern Verträge abzuschliessen. Das sei etwa mit Italien gelungen. «Aber im Norden mit Frankreich, Deutschland und anderen EU-Staaten verhandeln wir seit drei Jahren, ohne dass eine Lösung in Sicht wäre», sagte Zumwald. «Hinzu kommt: Solche technischen Verträge stellen bloss sicher, dass wir mit den Netzbetreibern dieser Länder zusammenarbeiten können. Das ist aber eine absolute Minimallösung. Deswegen sind wir noch lange nicht im europäischen Markt integriert.»

Eine Schweiz mit autarker Stromversorgung sei zudem eine Illusion, sagte Zumwald. «Je höher die angestrebte Unabhängigkeit von Europa, desto teurer wird es.»

SDA/dor