Bundesratskandidat Gerhard Andrey Was der Grüne vorhat, ist seit 1848 erst viermal gelungen

SDA, red.

11.12.2023

Der Grünen-Bundesratskandidat Gerhard Andrey will einen Sitz der FDP erobern.
Der Grünen-Bundesratskandidat Gerhard Andrey will einen Sitz der FDP erobern.
Bild: Keystone

Die Grünen versuchen am Mittwoch, mit Gerhard Andrey einen Bundesratssitz der FDP zu erobern. In der Schweizer Politik kommt das einer Mission Impossible gleich, wie die Geschichte zeigt.

SDA, red.

11.12.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Die Grünen schicken einen eigenen Kandidaten in die Bundesratswahlen vom 13. Dezember: den Freiburger Nationalrat Gerhard Andrey.
  • Andrey soll einen der beiden FDP-Sitze in der Landesregierung erobern. 
  • Sollte er Erfolg haben, wäre es eine Sensation: In der Geschichte der Schweiz blieben Kampfkandidaturen fast immer erfolglos.
  • Erst viermal wurde ein amtierendes Mitglied des Bundesrats überhaupt gestürzt.

Der Angriff der Grünen auf einen FDP-Sitz im Bundesrat ähnelt den Sprengkandidaturen der SVP in den 2010er-Jahren. Genau wie die Volkspartei damals sagen die Grünen, sie seien gemäss ihrem Wähleranteil in der Regierung untervertreten.

Eine Kampfkandidatur ist für die Grünen kein Neuland: Bereits 2019 griff Regula Rytz den FDP-Bundesrat Ignazio Cassis an, unterlag aber. Nun schickt die Partei den Freiburger Nationalrat Gerhard Andrey auf fast die gleiche Mission: Er soll einen der zwei FDP-Sitze erobern, weil die Freisinnigen nach Meinung der Grünen im Bundesrat übervertreten sind.

Einen amtierenden Bundesrat zu stürzen, ist äusserst selten. Seit 1848 ist dies nur vier Mal vorgekommen. Zwei Fälle gehen sogar auf das 19. Jahrhundert zurück: 1854 wurde der Berner Ulrich Ochsenbein nicht wiedergewählt. 1872 traf es den Genfer Jean-Jacques Challet-Venel.

Wahl und Abwahl Blochers

Weniger lange her ist der Fall von CVP-Bundesrätin Ruth Metzler, die 2003 von SVP-Übervater Christoph Blocher aus ihrem Amt gedrängt wurde. Damals deuteten die Wahlerfolge der SVP darauf hin, dass eines der beiden CVP-Regierungsmitglieder bei der Wiederwahl scheitern würde.

Die CVP war gerade unter 15 Prozent Wähleranteil gefallen, während die SVP 2003 zum ersten Mal stärkste Partei unter der Bundeshauskuppel wurde. Im Namen der Konkordanz beanspruchte sie einen zweiten Sitz.

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Blocher wiederum wurde vier Jahre später nicht mehr wiedergewählt. Der Plan wurde vom rot-grünen Lager mit Unterstützung der CVP ausgeheckt. Der Zürcher war wegen seiner mangelnden Kollegialität in der Regierung umstritten und verlor mit 115 zu 125 Stimmen gegen die Bündner Nationalrätin Eveline Widmer-Schlumpf. Das Ereignis führte zu einem politischen Erdbeben in Bern und einer Krise innerhalb der SVP.

Die SVP und ihre beiden gewählten Bundesratsmitglieder trennten sich daraufhin. Widmer-Schlumpf und der Berner Samuel Schmid wechselten unter das Banner der BDP. Von Juni bis Dezember 2008, als Schmid zurücktrat, war die SVP, die fast 29 Prozent der Wählerschaft im Parlament vertrat, damit gar nicht im Bundesrat vertreten.

SVP-Sprengkandidaturen nach 2008

Die Wahl von Ueli Maurer in den Bundesrat reichte nicht aus, um diese Wunden zu heilen. Die SVP forderte immer wieder die nicht mehr eingehaltene Zauberformel ein. Im September 2010 griff die Partei mit dem ehemaligen Nationalrat Jean-François Rime (FR) die beiden freigewordenen Sitze von Moritz Leuenberger (SP) und Hans-Rudolf Merz (FDP) an. Es klappte nicht.

Im Dezember 2011 versuchte es die SVP erneut mit demselben Kandidaten, nachdem es ihr nicht gelungen war, Eveline Widmer-Schlumpf aus dem Amt zu drängen. Rime kämpfte um mehrere Sitze von amtierenden Bundesräten. Aber jedes Mal ohne Erfolg. Nach dem Rücktritt von Widmer-Schlumpf kehrte das Parlament 2015 schliesslich zu einer getreueren Darstellung der Wählerstärke der Parteien zurück.

SP-Frauen unter Beschsus

Weitere Angriffe von Parteien gegen offizielle Kandidierende gab es in der jüngeren Geschichte bei Frauen-Kandidaturen. Vor allem die Rechte zögerte nicht, gegen Politikerinnen der SP vorzugehen.

Im Jahr 1993 wurde die Genfer Gewerkschafterin Christiane Brunner, die offizielle Kandidatin der SP, von ihrem Parteikollegen Francis Matthey aus Neuenburg überholt. Letzterer verzichtete schliesslich eine Woche später auf seine Wahl – auch dies eine Seltenheit in der Geschichte des Landes.

Zehn Jahre zuvor war es die Zürcher SP-Politikerin Lilian Uchtenhagen, die als erste Frau für den Bundesrat kandidierte und dabei den Kürzeren zog. Sie war bei der Rechten unbeliebt und wurde zugunsten des konsensorientierteren Solothurners Otto Stich verdrängt. In diesem Zusammenhang wurde übrigens die «Nacht der langen Messer» zum ersten Mal in der Schweiz erwähnt.

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