Hoher Benzinpreis ist Autofahrern egal«Wegen steigender Mieten zieht auch niemand ins Zelt»
Von Andreas Fischer
14.10.2022
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Von Andreas Fischer
14.10.2022, 13:02
14.10.2022, 14:40
Von Andreas Fischer
Ganz leicht waren die Preise zuletzt wieder gesunken, aber im Schnitt kostet der Liter Benzin in der Schweiz immer noch zwei Franken. Kraftstoff ist und bleibt in diesem Jahr teuer und wird demnächst wohl kaum billiger. Das Kartell OPEC+ hat vor Kurzem beschlossen, die Erdölproduktion deutlich zu senken und ab November zwei Millionen Barrel weniger pro Tag zu fördern.
Die Autolenkerinnen und -lenker in der Schweiz scheint das wenig zu stören. Sie fahren und fahren und fahren. Der Preis an der Zapfsäule scheint ihnen egal zu sein: «Der Benzinpreis wird offenbar in Kauf genommen», schätzt auch Thomas Rohrbach vom Bundesamt für Strassen (Astra) gegenüber SRF ein.
Auch an den Tankstellen sei nicht zu spüren, dass die Leute weniger Benzin kaufen würden, sagt Ramon Werner, Geschäftsführer eines Unternehmens, das mehr als 700 Tankstellen in der Schweiz betreibt.
Die Schweiz liebt dicke Autos
Sind die Benzinpreise den Leuten also egal? Zu diesem Schluss könnt man kommen, wenn man sich ein paar Statistiken ansieht. Zum einen werden in der Schweiz grössere Spritfresser verkauft als in den Nachbarländern. So liegt der durchschnittliche CO2-Ausstoss von Autos in der Schweiz mit 124 Gramm/Kilometer höher als im EU-Durchschnitt (108 g/km).
Zum anderen lässt die Verwendung der Kraftfahrzeuge aufhorchen: Ein Viertel der Fahrten dient laut Bundesamt für Statistik dem Arbeitsweg, aber 44 Prozent der Fahrten sind mit Freizeitaktivitäten verbunden. «Die Leute sind unterwegs, sie machen Ferien, sie fahren mit dem Auto», kommentiert Astra-Mediensprecher Rohrbach.
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Es ist nicht alles rational
Warum verzichtet die Mehrheit nicht aufs Auto? Und gibt es eine Schmerzgrenze beim Spritpreis, bei der die Autos dann doch in der Garage bleiben?
Wenn es tatsächlich so wäre, dass Menschen «Kosten und Nutzen in ihren Entscheidungen rational abwägen, würde man in der Tat davon ausgehen, dass eine signifikante Erhöhung des Spritpreises dazu führt, dass die Menschen das Auto weniger benutzen», erklärt Wirtschaftspsychologe Jörg Gross von der Uni Zürich blue News.
Dies gelte insbesondere dann, «wenn es sich um Aktivitäten handelt, auf die man leichter verzichten kann (wie Freizeitaktivitäten) oder die man durch andere Fortbewegungsmittel leicht substituieren kann». Allerdings «geht es bei der Verhaltenswahl nicht nur um ein einzelnes Verhalten, sondern darum, wie verschiedene Verhaltensalternativen relativ zueinander stehen» führt Sozialpsychologe Robert Tobias, ebenfalls von der Universität Zürich, aus.
Den Menschen geht es nicht ums Geld
Aus sozialpsychologischer Sicht würden eben nicht nur die Kosten eine Rolle spielen, sondern auch andere Aspekte wie Zeitaufwand, Umweltimpact und «wie viel Spass oder Mühsal ein Verhalten bedeutet». Wenn das Verhalten im Vergleich zu möglichen Alternativen immer noch das beste sei, werde es beibehalten, weiss Robert Tobias. «Es ist ja auch nicht so, dass Personen wegen steigender Mieten nun in Zelte ziehen.»
Um ein ökonomisches Kalkül gehe es den Menschen oft gar nicht. «Wer Auto fährt, um der Welt zu zeigen, dass er oder sie sich das leisten kann, wird durch höhere Preise eher noch zu diesem Verhalten angespornt», erläutert der Psychologe. Aber natürlich könnten die Kosten irgendwann auch so hoch sein, dass es sich niemand mehr leisten könne, Auto zu fahren: «Da hört dann aber auch die Psychologie auf», so Robert Tobias. «Wenn ein Verhalten nicht möglich ist, hört es auf, eine wählbare Verhaltensoption zu sein.»
Gewohnheiten ändern sich nicht von heute auf morgen
Solange man aber selbst Entscheidungen treffen kann, lassen sich «eingeübte Gewohnheiten oft nicht so leicht und schnell anpassen», wie Jörg Gross erklärt. Sie können zu einer gewissen Immunität führen, in konkreten Fall also zu einer «Unempfindlichkeit gegenüber Preisveränderungen, zumindest auf kurze Sicht».
Das müsse, so Gross, nicht heissen, dass Menschen überhaupt nicht auf Preisveränderungen reagieren. Eine Anpassung des Verhaltens könne mit einiger Verzögerung eintreten: Um Gewohnheiten zu verändern und durch andere Verhaltensweisen zu ersetzen, brauche es Zeit und Aufwand.
«Es ist daher schwer zu sagen, ob die Preiserhöhungen nicht hoch genug sind, um eine wirkliche Verhaltensänderung herbeizuführen, oder ob Verhaltensveränderung einfach noch nicht festgestellt werden können», so Gross abschliessend. Irgendwann aber könnten die hohen Benzinpreise durchaus dazu führen, dass die Menschen weniger Auto fahren.