FöderalismusWird Arbeitslosen während Corona willkürlich Geld verweigert?
twei
31.8.2020
Viele Arbeitssuchende sind in der Coronakrise verzweifelt. Nicht nur, weil in vielen Branchen die Jobs fehlen, sondern auch, weil ihnen eine Kürzung des Arbeitslosengeldes droht. Zusätzlich verwirrend: Jeder Kanton hat seine eigene Regelung.
Egal ob im Coiffeurshandwerk, in der Gastronomie oder im Kulturbetrieb – aufgrund der Coronakrise mussten in vielen Branchen Arbeitsplätze abgebaut werden. Wieder einen neuen Job zu finden, erweist sich für viele Arbeitslose aber als schwierig. Zusätzlich zu den Sorgen um eine Perspektive drohen vielen Erwerbslosen nun auch noch Probleme mit der Arbeitslosenversicherung, wie der «Tages-Anzeiger» berichtet.
Viele Arbeitssuchende bangen demnach aktuell um Kürzungen ihres Arbeitslosengeldes. Die staatliche Unterstützung fliesst nämlich nur an diejenigen, die ihre Bemühungen um einen neuen Arbeitsplatz nachweisen können. Allerdings gibt es weder ein Gesetz noch eine Verordnung des Bundes, die eine Mindestanzahl an Bewerbungen vorschreibt. Stattdessen entscheidet im Einzelfall der Berater oder die Beraterin im Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV).
Dabei hatte es im Anschluss an die Aufhebung des Lockdowns vom Bundesrat noch geheissen, ein Nachweis über Bewerbungen sei vorerst nicht nötig. Weil klare Vorgaben des Staatssekretariats für Wirtschaft an die Kantone jedoch ausblieben, wird nun von Kanton zu Kanton anders entschieden – ein föderalistischer Flickenteppich.
Massive Kürzung des Arbeitslosengeldes droht
«Die Verwirrung unter den Stellenlosen ist gross», bestätigte Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Zudem wies er darauf hin, selbst Arbeitswilligen seien aufgrund des brachliegenden Arbeitsmarktes die Hände gebunden gewesen. Viele Unternehmen hätten aufgrund der unsicheren Lage schlichtweg keine Stellen ausgeschrieben. Noch immer sei «nicht 100-prozentig klar, ob man sich hätte bewerben müssen», kritisierte Lampart.
Auch mit einer Nachjustierung gelang es dem Staatssekretariat nicht, Licht ins Dunkel zu bringen. Zwar liess die Behörde verlauten, an einem Nachweis von Bewerbungen über die letzten sechs Monate kämen Erwerbssuchende nicht vorbei, wie genau dieser Nachweis auszusehen hat, bleibt aber weiter unklar. Somit droht Arbeitslosen eine Kürzung des Arbeitslosengeldes an bis zu 19 Einstelltagen.
Vage Vorgaben für Arbeitssuchende
Eine Anfrage des «Tages-Anzeigers» bei Bund resultierte derweil in einer kryptischen Antwort, die den wenigsten Arbeitslosen weiterhelfen dürfte. Nadine Mathys vom Staatssekretariat für Wirtschaft erläuterte: «In Anbetracht der ausserordentlichen Lage ist die Suche nach einer zumutbaren Arbeitsstelle abhängig von der betroffenen Branche äusserst erschwert, weshalb diesem Umstand bei der Überprüfung ein hoher Stellenwert beizumessen ist und folglich die Wiedereingliederungs-, Bewerbungs- und Vermittlungsstrategie in quantitativer und qualitativer Hinsicht darauf ausgerichtet werden muss.»
Auch vonseiten der zuständigen Behörden in den Kantonen blieben die Angaben vage. Vom Arbeitsamt Bern hiess es: «Die Vereinbarung über die Anzahl der Arbeitsbemühungen erfolgt je Kundin und Kunde individuell gemeinsam mit der Personalberaterin beziehungsweise dem Personalberater.»
Hubert Helbling, Leiter des Amtes für Arbeit des Kantons Schwyz, versicherte zwar, es werde «Rücksicht genommen, wenn jemand in einer Branche mit besonders grossen Problemen war». Bei den Details des Prozederes liege die Entscheidungsgewalt jedoch beim Personalberater.
Zugeständnisse in Zürich und Basel-Stadt
Auch das Zürcher Amt für Wirtschaft und Arbeit liess sich auf keine konkreten Zahlen festnageln. Dennoch räumte die Sprecherin Lucie Hribal ein, die erwartete Zahl an Bewerbungen sei aufgrund der Krise in einzelnen Branchen «stark reduziert». Im Gastgewerbe oder in der Eventbranche habe man sogar «vorübergehend gar keine» Bemühungen nach einem neuen Arbeitsplatz verlangt.
In Basel-Stadt wurde Arbeitssuchenden eine Nachfrist gewährt – wegen der «verwirrenden Umstände», wie es hiess. Nach Meinung des Gewerkschaftsbund-Chefökonoms Lampart gehen solche Zugeständnisse aber nicht weit genug. Er befand stattdessen: «Es wird Druck ausgeübt.» Die Beschlussfindung sei willkürlich, legte er nach. Laut Lampart sei es in Krisenzeiten «sonnenklar», dass Regelungen geschaffen werden, die im Zweifel für Arbeitslose ausgelegt werden.