Glosse Über die Macht der Vorbilder

Andreas Fischer

23.10.2018

Donald Trump ist nicht nur Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch moralische Instanz und grosses Grapscher-Vorbild.
Donald Trump ist nicht nur Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch moralische Instanz und grosses Grapscher-Vorbild.
Keystone/Archiv

Ein Amerikaner begrapscht im Flugzeug die Brüste seiner Sitznachbarin – und beruft sich auf seinen Präsidenten. Donald Trump hätte es erlaubt. Eine Glosse über die Macht der Vorbilder.

Man kann Bruce Michael Alexander nun wirklich keinen Vorwurf machen. Schliesslich hat der 49-jährige Mann nur das gemacht, was ihm sein Vorbild empfahl. Weil sein Vorbild der mächtigste Mann der Welt ist, wird alles schon seine Richtigkeit haben.

Doch der Reihe nach: Mr. Alexander fliegt also Houston, Texas, nach Albuquerque, New Mexico, und im Sitz neben ihm schläft eine Frau. Vielleicht will er nur prüfen, ob sie noch atmet. Vielleicht ist die Nachbarin auch gar keine Frau.

Was sich der Mann dachte, oder ob er überhaupt dachte – niemand weiss es. Er fasst der Dame trotzdem an die Brust. Nach dem ersten Mal kann man noch an ein Versehen denken. Beim zweiten Mal kann sich die sichtlich angefasste Frau denken, dass der Fingerzeig des Nachbarn kein Ausrutscher gewesen sein kann.

Brüste – na die kann Mann doch mal anfassen. Ist doch nix dabei und von oberster Stelle sanktioniert. Der Fummler wird trotzdem festgenommen. Völlig unverständlich. Auch für Mr. Alexander. Ein Unrecht ist, was da geschieht, versucht er den Beamten beizubringen.

Vielleicht wissen die es ja noch nicht? «Der Präsident der Vereinigten Staaten hat doch selbst gesagt, es ist okay, Frauen an ihren Geschlechtsteilen anzufassen», erklärte er den Polizisten. Dass da noch niemand vor ihm drauf gekommen ist …

Wann ist ein Mann ein Mann? Fragt man Donald Trump: Wenn er einer Frau in den Schritt greift. Ist doch klar. Und erlaubt sowieso. Es gibt genug Weicheier in der Welt. Höchste Zeit, dass sich echte Kerle wieder nehmen, was ihnen zusteht.

«Grab ‘em by the pussy» – der damalige Geschäftsmann Trump hat schon 2005 in einem (heimlich aufgezeichneten) Gespräch klargemacht, wie er sich seine ideale Welt vorstellt. Im Wahlkampf hat ihm das nicht geschadet. Im Gegenteil, die echten US-Kerle haben ihn ins Weisse Haus gewählt und ihn qua Amt zur moralischen Instanz erklärt.

Als solche hat er sich natürlich bei Brett Kavanaugh entschuldigt für «den furchtbaren Schmerz und das Leid», dass er erfahren musste. Meine Güte, was hat der frisch gekürte Richter am Surpreme Court aber auch alles einstecken müssen!

Drei Frauen haben ihm unabhängig voneinander sexuelle Belästigung vorgeworfen. Da bleibt einem als Donald Trump ja gar nichts anderes übrig, als sich über die Frauen lustig zu machen. Yeah, Brett Kavanaugh, got em'. Got 'em by the pussy! 

Kann den Macht Sünde sein? Wohl nicht! An so einem Mann kann man sich nur aufrichten. Nicht nur Männer folgen dem Republikaner blind, wenn sie sehenden Auge ins Klo greifen, auch Frauen sehen keinen Grund, ihn zu hinterfragen: «Ich liebe alles, was aus seinem Mund kommt», sagen die «Trumpets» über ihren Leitwolf. Von so viel Vertrauen können andere Politiker nur träumen. Aber die haben eben auch nicht ein solch starken moralischen Kompass, wie der amtierende US-Präsident.

Der Mensch braucht Führer, die ihm das Denken abnehmen. Das macht das Leben bequemer, und man kann seine Hände so schön in Unschuld waschen. Ausserdem haben Führer immer recht. IMMER.

Deshalb ist es nicht nur folgerichtig, sondern moralisch richtig, dass Bruce Michael Alexander im Flugzeug den Dingen auf den Grund gegangen ist. Diesem Mann jetzt sexuelle Belästigung vorzuwerfen, nur weil er eine Frau begrapscht hat, ist strenggenommen eine Beleidigung des mächtigsten Machos der Welt. Und das hat eine moralische Instanz nun wirklich nicht verdient.

Aber wahrscheinlich ist das nur der Anfang, armes Amerika. Wie wusste doch schon Goethe? «Die ich rief, die Geister werd ich nun nicht los.»

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