Katastrophe von Überlingen «Da war klar, dass niemand überlebt haben kann»

20 Jahre nach der Überlinger Flugzeugkollision

Das zerstörte Leitwerk einer abgestürzten Tupolew liegt bei Überlingen am Bodensee auf einem Feld. 

Bild: Stefan Puchner/dpa

Bei der Flugzeugkollision über dem Bodensee am 4.Juli 2002 kamen über 70 Menschen ums Leben. 

Bild: Felix Kästle/dpa

Eine Tupolew Tu-154 der Bashkirian Airlines war mit einer Frachtmaschine vom Typ Boeing 757 des Paketdienstes DHL zusammengestossen. 

Bild: Felix Kästle/dpa

Polizisten suchen am 4. Juli 2022 in einem Feld nach Opfern.

Bild: Keystone

Wrackteile werden am 5. Juli 2022 zur weiteren Untersuchung abtransportiert. 

Bild: Keystone

Ein Spezialist untersucht Überbleibsel des Unglücks am 8. Juli 2022 in einer Halle des Flughafens Friedrichshafen.

Bild: Keystone

Mehrere Stahlkugeln liegen bei Brachenreuthe oberhalb von Überlingen am Waldrand. Die zerrissene Perlenkette, wie das Kunstwerk der Gedenkstätte heisst, erinnert an den Flugzeugabsturz am 1. Juli 2002 bei Überlingen. 

Bild: Felix Kästle/dpa

Hans-Peter Walser, der ehemalige Leiter der Polizeidirektion Friedrichshafen, steht an der Gedenkstätte «Die zerrissene Perlenkette».

Bild: Felix Kästle/dpa

20 Jahre nach der Überlinger Flugzeugkollision

Das zerstörte Leitwerk einer abgestürzten Tupolew liegt bei Überlingen am Bodensee auf einem Feld. 

Bild: Stefan Puchner/dpa

Bei der Flugzeugkollision über dem Bodensee am 4.Juli 2002 kamen über 70 Menschen ums Leben. 

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Eine Tupolew Tu-154 der Bashkirian Airlines war mit einer Frachtmaschine vom Typ Boeing 757 des Paketdienstes DHL zusammengestossen. 

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Polizisten suchen am 4. Juli 2022 in einem Feld nach Opfern.

Bild: Keystone

Wrackteile werden am 5. Juli 2022 zur weiteren Untersuchung abtransportiert. 

Bild: Keystone

Ein Spezialist untersucht Überbleibsel des Unglücks am 8. Juli 2022 in einer Halle des Flughafens Friedrichshafen.

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Mehrere Stahlkugeln liegen bei Brachenreuthe oberhalb von Überlingen am Waldrand. Die zerrissene Perlenkette, wie das Kunstwerk der Gedenkstätte heisst, erinnert an den Flugzeugabsturz am 1. Juli 2002 bei Überlingen. 

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Hans-Peter Walser, der ehemalige Leiter der Polizeidirektion Friedrichshafen, steht an der Gedenkstätte «Die zerrissene Perlenkette».

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71 Menschen starben beim Zusammenstoss zweier Flugzeuge bei Überlingen vor 20 Jahren. Technische Mängel und menschliches Versagen der Schweizer Flugsicherung waren die Ursache.

Keystone-SDA, fn

01.07.2022, 00:00

Brennende Wrackteile fallen am späten Abend des 1. Juli 2002 auf Überlingen herab. Zwei Flugzeuge sind zusammengestossen, 71 Menschen gestorben. Zur Gedenkveranstaltung werden rund 40 Hinterbliebene aus Russland anreisen.

Es war ein lauer Sommerabend am Bodensee, der sich Hans-Peter Walser ins Gedächtnis gebrannt hat. «Ich sass mit meiner Frau und einem befreundeten Paar auf dem Balkon – und dann kam gegen kurz nach halb zwölf nur die Info Flugzeugabsturz, mehr nicht», sagt der damalige Polizeidirektor in Friedrichshafen.

«Abstürze von Kleinflugzeugen hatten wir in der Region ja bedauerlicherweise immer wieder gehabt.» Das Ausmass des Unglücks in Überlingen am 1. Juli 2002 kann Walser später im Polizeifahrzeug auf dem Weg zum Einsatzort erahnen. «Da habe ich über Funk gehört, wie einer gesagt hat: ‹Es regnet Leichen vom Himmel.›»

Passagierflugzeug kollidiert mit Frachtmaschine

Erst im Laufe der Nacht wird die Dimension der Tragödie deutlich. In mehr als elf Kilometern Höhe ist über dem Bodensee ein Passagierflugzeug mit einer Frachtmaschine zusammengestossen.

Alle 71 Insassen sterben, Wrackteile und Leichen fallen in der Region Überlingen auf einer Fläche von mehreren Quadratkilometern vom Himmel. «Als wir die Information zur Kollision definitiv von der Schweizer Flugsicherung Skyguide hatten, war klar, dass das nach menschlichem Ermessen niemand überlebt haben kann», sagt Walser.

Das beinahe Unglaubliche: Die Stadt Überlingen, ihre Ortsteile und der Bodensee als wichtige Trinkwasserquelle bleiben verschont, am Boden gibt es keine Verletzten. Viele Anwohner helfen stattdessen den Helfern der Suchaktion, versorgen sie mit Essen und Trinken.

Skyguide-Fluglotse wird erstochen

Später stellt sich heraus, dass technische Mängel und menschliche Fehler bei Skyguide das Unglück verursacht haben. Im Zürcher Kontrollzentrum sitzt in diesem Moment ein Fluglotse, der allein für den Luftraum über Süddeutschland zuständig ist und dessen Radar und Telefon wegen Wartungsarbeiten nur eingeschränkt funktionieren.

Dass ein Unglück droht, bemerkt der Mann zu spät. Der Lotse, dem der Fehler unterlief, wird 2004 von einem Hinterbliebenen erstochen. Der Russe hatte bei dem Absturz Frau und Kinder verloren.

In den Tagen nach der Kollision suchen mehr als 1'000 Einsatzkräfte nach den Todesopfern. Unter den Verstorbenen sind mehrere Dutzend Schulkinder. Sie stammten aus der russischen Teilrepublik Baschkortostan und wollten zwei Wochen Ferien in Spanien machen.

Noch bevor alle Toten gefunden und identifiziert sind, reist eine russische Delegation an den Bodensee – auch um an einem der grössten Wrackteile zu trauern. Zur Betreuung der Hinterbliebenen melden sich zahlreiche Menschen aus Überlingen und Umgebung freiwillig.

Die Begegnung mit den Angehörigen prägt einige von ihnen so sehr, dass sie später den Verein «Brücke nach Ufa» gründen, um den Austausch in die Hauptstadt der Teilrepublik Baschkortostan aufrechtzuerhalten.

Russische Staatsvertreter nicht eingeladen

Kurz vor dem 20. Jahrestag des Unglücks sind die Kontakte nach Russland schwierig zu halten. Wegen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine entwickelt sich zudem um die Gedenkveranstaltung zur Flugzeugkollision eine politische Diskussion.

Das Gedenken sei «unter anderen Gesichtspunkten zu beurteilen», sagt ein Sprecher des baden-württembergischen Staatsministeriums. Die Hinterbliebenen seien zwar willkommen, «allerdings organisieren und bezahlen wir nicht die Anreisen, wie auch bei vergangenen Gedenkveranstaltungen».

Russische Staatsvertreter seien zum Gedenken mit Schweigeminute und Kranzniederlegung nicht eingeladen, teilt die Stadt Überlingen mit. Die Hinterbliebenen heisse man aber willkommen. Der Wunsch nach einem Gedenken sei «angesichts der dramatischen Ereignisse damals wichtig und nachvollziehbar».

Visa werden erteilt

Die Vorsitzende des Vereins «Brücke nach Ufa», Nadja Wintermeyer, geht davon aus, dass etwa 40 Angehörige teilnehmen werden. Dem Verein liege eine Zusage des deutschen Konsulats in Jekaterinburg vor, das die nötigen Visa erteilt würden.

Auch Polizeidirektor Walser, seit Ende 2003 im Ruhestand, haben die Begegnungen mit den Hinterbliebenen geprägt. «Von denen kann man lernen, was Dankbarkeit heisst und wie man sie zeigt», sagt der heute 78-Jährige. Bei der Beschreibung eines Treffens mit Elternvertretern kämpft er mit den Tränen – selbst 20 Jahre später.

Das Gedenken am 20. Jahrestag wolle er nutzen, um zu einigen Hinterbliebenen wieder Kontakt aufzunehmen, sagt Walser. «Dieses verständnisvolle Miteinander darf nicht in die Brüche gehen.»

SDA/uri