Mord in Dietikon ZH Frauenhaus-Chefin wirft Polizei Versagen vor

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29.8.2019

In Dietikon ZH wurde am Montagnachmittag eine Frau ermordet.
In Dietikon ZH wurde am Montagnachmittag eine Frau ermordet.
Keystone/Archiv

Wenige Tage, nachdem ein 37-Jähriger seine Ehefrau in Dietikon ZH ermordete, erhebt die Chefin von Frauenhaus Schweiz schwere Vorwürfe gegen die zuständigen Behörden.

Dreimal rückte die Zürcher Kantonspolizei am Sonntag aus, weil ein polizeibekannter 37-Jähriger in Dietikon vor der Wohnung seiner getrennten Frau und der gemeinsamen Kinder herumlungerte. Beim vierten Einsatz, am Montagnachmittag, fanden die Beamten schliesslich die Leiche der 34-Jährigen.

Es sei der Gewaltschutzgruppe leider nicht gelungen, diesen tragischen Ausgang zu verhindern, resümierte Kapo-Sprecher Werner Schaub. Doch hätte die Polizei mehr tun können, um die vierfache Mutter zu schützen? Susan A. Peter zufolge wahrscheinlich schon.

Alarmierende Vorgeschichte

«Die Polizei versagt zu oft in solchen Situationen. Opfer werden in der Schweiz im Stich gelassen», empört sich die Präsidentin der Dachorganisation der Schweizer Frauenhäuser in «Blick». Vor allem bei der Vorgeschichte des aktuellen Falls.

Im Februar 2018 war der Täter wegen häuslicher Gewalt verhaftet und mit einem Kontakt- und Rayonverbot belegt worden. Weil er dagegen verstiess, wurde im November 2018 der Gewaltschutz hinzugezogen. Im Frühjahr wurde ein erneutes erneut ein Kontakt- und Rayonverbot ausgesprochen, das im Juli schliesslich auslief. Einen Monat später erstach er seine Frau. «Es ist alarmierend, dass der Mann vor der Tat auffällig wurde und die Polizei mehrmals eingreifen musste», meint Susan A. Peter.

Opfer werden oft nicht ernst genommen

Häusliche Gewalt kommt öfter vor, als man annimmt.
Häusliche Gewalt kommt öfter vor, als man annimmt.
Keystone/Symbolbild

Dass sich Opfer häuslicher Gewalt von Beamten nicht genug geschützt fühlen, ihnen manchmal sogar eine Mitschuld an ihrer Situation unterstellt wird, sei keine Seltenhei, zitiert der Blick weitert: «Es gibt viele Frauen in den Frauenhäusern, die sich von den Behörden nicht ernst genommen fühlen», weiss die Frauenhaus-Chefin. «Da fallen dann Sprüche wie: ‹Jetzt müssen wir ja schon wieder kommen. Beim nächsten Mal sind Sie aber getrennt›».

Ähnlich unpassend findet Peter die Kommunikation der Behörden im aktuellen Fall: In ihrer Medienmitteilung weisst die Kantonspolizei darauf hin, dass das Opfer «zweimal eine Einladung zum Gespräch mit den Fachleuten» ablehnte. «Damit wird der Frau eine Mitschuld an ihrem Tod gegeben. Vielmehr sollte sich die Polizei fragen, ob sie mit der nötigen Konsequenz gehandelt hat und versuchte, die Frau zu schützen.»

Kein Einzelfall

Fälle wie der der ermordeten 34-Jährigen kommen hierzulande häufiger vor, als man denkt: Einer aktuellen Statistik zufolge gab es in der Schweiz 2017 0,4 Frauenmorde pro 100'000 Frauen – mehr als in anderen europäischen Ländern wie Griechenland (0,13), Spanien (0,27), Italien (0,31) oder Grossbritannien (0,35). «Häusliche Gewalt tötet mehr Frauen als Tabak, Alkohol und der Strassenverkehr», sagte Lorella Bertani, eine Anwältin, die sich auf die Hilfe für Opfer häuslicher Gewalt spezialisiert hat, in «Le Matin Dimanche».

Um Frauen besser vor Gewalt schützen zu können, seien mehr Schulungen für Polizisten notwendig, eine grössere Sensibilisierung und vor allem mehr Aufklärung. Doch auch die Politik sieht die Frauenhaus-Chefin in der Pflicht: «Bisher wurde zum Beispiel verpennt, genügend Plätze in Frauenhäusern zur Verfügung zu stellen. Es fehlt an der Finanzierung. Manche Kantone haben sogar überhaupt keine Frauenhäuser. Das muss sich ändern».

Bilder aus der Schweiz

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