Nach Andermatt-Unglück Gefahr durch Gleitschneelawinen lässt sich nicht bannen

gbi

27.12.2019

Alle Opfer sind ausser Gefahr, doch auch am Tag nach dem Lawinenabgang im Skigebiet von Andermatt bleiben Fragen. Das grösste Fragezeichen stellen die Gleitschneelawinen dar – weil sie so unberechenbar sind.

Es ist eine Horrorvorstellung für alle Wintersportler: Im Skigebiet von Andermatt-Sedrun ging am Donnerstagmorgen eine Lawine nieder und erfasst sechs Personen auf einer markierten Piste. Zwei der Opfer wurden leicht verletzt, konnten das Spital mittlerweile aber wieder verlassen. Die anderen blieben unversehrt.

Die Vermisstensuche konnte am Abend abgeschlossen werden, wie die Urner Kantonspolizei mitteilte. Die Ermittlungen zur Frage, wer oder was die Lawine ausgelöst hatte, dauern an. 

Die Piste war zum ersten Mal in dieser Saison geöffnet worden. Vielleicht zu früh? Das könne man so nicht beurteilen, sagt Bruno Jelk, langjähriger Bergrettungschef in Zermatt, im Interview mit SRF. «Der Pistenchef beurteilt die Lage vor Ort. Er hat vermutlich entschieden, dass keine Gefahr herrscht und die Piste aufgemacht.» Ein «zu früh» gebe es nicht. Trotzdem geht die Urner Polizei auch dieser Frage nach. 



Das Problematische sei, dass es sich um eine Gleitschneelawine gehandelt habe. Man könne nicht zuverlässig voraussagen, wann genau sich eine solche löse. «Das kann heute, morgen, in einer Stunde sein», sagt Jelk. Auch kontrollierte Sprengungen seien bei dieser Art von Lawinen nur in 30 Prozent der Fälle erfolgreich.

Erinnerungen an Unfall in Crans-Montana

Der Fall in Andermatt weckt Erinnerungen an den 19. Februar dieses Jahres, als eine Lawine im Skigebiet Crans-Montana im Wallis auf eine Piste herunterdonnerte und vier Personen erfasste. Ein Patrouilleur kam dabei ums Leben.

Immerhin: Das Risiko, auf einer markierten Piste von einer Lawine überrascht zu werden, ist in der Schweiz sehr gering. Das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos zählte 30 Todesopfer in den fünf Jahrzehnten von der Wintersaison 1968/69 bis 2017/18. Sprich: weniger als ein Todesopfer pro Jahr.

Gefährlicher wird es abseits der Piste: Allein im Winter 2018/19 starben gemäss Statistik des SLF insgesamt 21 Personen in 18 Lawinenunfällen. Neben dem bereits erwähnten Patrouilleur kam ein Fussgänger auf einer gesperrten Strasse im Turtmanntal im Wallis ums Leben, die anderen Opfer waren allesamt im freien Gelände unterwegs – auf Ski- oder Bergtouren respektive auf Variantenabfahrten.

Weiterhin erhebliche Lawinengefahr

Für Andermatt galt am Donnerstag Lawinengefahrenstufe 3. Das heisst: erhebliche Gefahr. Und diese Gefahrenstufe gilt auch weiterhin für weite Teile der Schweiz, wie die Gefahrenkarte des Bundes zeigt:

Die Lawinengefahrenkarte des Bundes vom Freitag, 27. Dezember. 
Die Lawinengefahrenkarte des Bundes vom Freitag, 27. Dezember. 
Grafik: Naturgefahren.ch

«Jedes Skigebiet muss selber entscheiden, was zu tun ist, wenn sie Risse in den Schneedecken oberhalb von Pisten feststellen», sagt Jelk zu SRF. «Es liegt in der Hand der Verantwortlichen, die Pisten zu öffnen oder eben nicht.»

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