WWF-Skandal Gute Taten, schmutzige Hände?

dpa/tali

13.3.2019

Touristen lieben Safaris in Afrikas Nationalparks. Doch was wie ein Wildtier-Paradies wirkt, ist nur ein Teil der Wahrheit. Warum sich abseits der Jeep-Routen fast ein Guerilla-Krieg abspielt – auch jenseits der Vorwürfe gegen den WWF.

Es geht um Misshandlung, Folter, Mord. Schwere Vorwürfe gegen den WWF erschüttern Tierschützer, Politik und Spender weltweit. Auch die Umweltstiftung selbst zeigt sich schockiert von den Verbrechen, die dem Online-Magazin «Buzzfeed» zufolge Wildhüter in mehreren Ländern begangen haben sollen – Wildhüter, die der WWF unterstützt haben soll. Die Organisation,  die auch von 270'000 Schweizer Spenderinnen und Spendern unterstützt wird, hat Aufklärung versprochen.

Unabhängig vom Ergebnis der Untersuchung lenken die von «Buzzfeed» beschriebenen Grausamkeiten den Blick auf ein Problem, das Tier- und Naturfreunden weltweit oft nicht bewusst ist: Was Touristen von den traumhaft schönen Nationalparks und Wildreservaten in Südafrika, Nepal oder Kenia mitbekommen, ist meist nur ein kleiner Teil der Realität. Denn entfernt von den Safari-Lodges, den Aussichtsplattformen und den von Jeeps befahrenen Strassen herrscht Wildnis. Und für Wildhüter und Wilderer spielt sich hier oftmals fast ein Guerilla-Krieg ab.

Der Panda hat ein Imageproblem.
Der Panda hat ein Imageproblem.
Jens Kalaene/ZB/dpa

Gebiete ohne Gesetz

Einige der Parks und Wildreservate Afrikas sind riesig. Im Selous-Wildreservat in Tansania etwa hätte die Schweiz Platz. Das macht es schier unmöglich, die Grenzen der Parks abzusichern. Sie erstrecken sich über unterschiedlichstes Terrain, Seen und Flüsse, Vulkane und Wüsten – viele Teile sind nur schwer zugänglich. Oft liegen sie in Gebieten, in denen staatliche Organe wenig Einfluss haben. Und viele der Parks befinden sich inmitten instabiler politischer Lagen oder Konflikte, etwa im Ost-Kongo.

«Lange hatten unsere Ranger Waffen nur, um sich vor den wilden Tieren zu schützen», sagt Ike Phaahla, der Sprecher der südafrikanischen Nationalparkverwaltung. «Jetzt haben sie Waffen, um sich vor Menschen zu schützen, vor den Wilderern.» Im berühmten Krüger-Nationalpark im Nordosten Südafrikas etwa ist vor allem die Wilderei von Nashörnern ein grosses Problem. Der Park habe eine rund 350 Kilometer lange Grenze mit Mosambik, von wo die meisten Wilderer kämen, so Phaahla.

Wilderer mit Militär-Hintergrund

Da die Wilderer bewaffnet sind, müssen sich auch die Wildhüter bewaffnen.
Da die Wilderer bewaffnet sind, müssen sich auch die Wildhüter bewaffnen.
Shiraaz Mohamed/EPA/dpa

Die Wilderer kennen das Terrain bestens und sind oftmals durch den 16 Jahre langen Bürgerkrieg in Mosambik top militärisch ausgebildet und ausgerüstet, wie Phaahla erklärt. Dazu gehörten inzwischen oft Sturmgewehre, «um auf Wildhüter zu schiessen», sagt er. Daher müssen sich die Ranger verteidigen können. Wenn sie auf Wilderer stossen, können sie demnach auch Helikopter und Hunde zur Unterstützung rufen. Werden Wilderer tatsächlich geschnappt, werden sie festgehalten, bis die Polizei kommt, wie Phaahla erklärt.

Dass die Wilderei kaum aufzuhalten ist, liegt am Geld: Auf dem Schwarzmarkt zahlen Kunden Berichten zufolge bis zu 30'000 Euro pro Kilogramm Nashorn-Horn. Die Käufer kommen vor allem aus China und Vietnam und schreiben den Hörnern aphrodisierende und heilende Kräfte zu. Von dem Profit landet aber nur sehr wenig bei den Wilderern: Sie kommen meist aus den Gemeinden nahe der Parks und leben in Armut; die Wilderei ist oft die einzige Einkommensquelle. Der illegale Handel ist in den Händen internationaler krimineller Netzwerke.

Die Hörner von Nashörnern sind ein gefragtes Gut.
Die Hörner von Nashörnern sind ein gefragtes Gut.
Salym Fayad/EPA/dpa

Menschenrechte müssen immer respektiert werden

Trotz aller Schwierigkeiten: Eine Rechtfertigung für Hilfsorganisationen, Recht zu brechen oder Rechtsbrecher zu unterstützen, sei das nicht, findet etwa Burkhard Wilke, wissenschaftlicher Leiter beim Deutschen Zentralinstitut für Soziale Fragen (DZI). Das DZI schaut gemeinnützigen Organisationen auf die Finger und vergibt nach gründlicher Prüfung ein Spendensiegel, um Vertrauen zu schaffen. «Natürlich ist gerade für eine weltweit operierende Organisation eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Gesetzeslagen in den jeweiligen Ländern relevant», sagt er. Die grundlegenden Menschenrechte müssten immer respektiert werden.

Und wenn es doch mal Situationen gibt, die nicht klar zu beurteilen sind? Dann ist Offenheit aus Wilkes Sicht oberstes Gebot. «Je komplexer und schwieriger die Arbeit ist, umso wichtiger ist, dass die Schwierigkeiten, die Hemmnisse transparent dargestellt werden», erklärt er. «Damit Menschen, die eine solche Organisation unterstützen, wissen, worauf sie sich einlassen.»

Das sagt WWF Schweiz

Thomas Vellacott ist der Geschäftsführer von WWF Schweiz und von den Vorwürfen erschüttert.
Thomas Vellacott ist der Geschäftsführer von WWF Schweiz und von den Vorwürfen erschüttert.
Keystone

Der Geschäftsführer von WWF Schweiz, Thomas Vellacott, sieht das genauso: «Wenn Menschen uns unterstützen, vertrauen sie uns, dass wir etwas Gutes für die Natur erreichen – und zwar für und nicht gegen die Menschen vor Ort arbeiten», erklärte er im Interview mit SRF.

Sollten die Vorwürfe, die ihn auch «persönlich erschüttern, «zutreffen, wären das sehr krasse Missachtungen unserer eigenen Regelungen». Denn bei der Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort habe die Organisation Standards, die es auch in Ländern einzuhalten gelte, in denen die Lage schwierig ist. Derartige Kontrollverluste könne WWF «unter keinen Umständen dulden».

Vor allem hat der WWF-Skandal gezeigt: Trotz aller guter Absichten der Organisationen, vor Ort kann dennoch vieles schief gehen. Die Lage in vielen Ländern ist oftmals komplex. Viele Probleme sind unvorhersehbar. Die Zentralen der NGOs (Nichtregierungsorganisationen) liegen oft weit entfernt, wirkliche Aufsicht der Projekte ist teuer und schwierig. Auch bei kleineren Projekten können Dinge schief gehen: Vor kurzem starben in Kenia zum Beispiel acht vom Aussterben bedrohte Nashörner ganz plötzlich, nachdem sie von der kenianischen Wildtierbehörde (KWS) mit Unterstützung des WWFs umgesiedelt worden waren.

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