"In jener Zeit, in den Jahren der Diktatur, sind wir Abend für Abend emigriert, indem wir lasen", schreibt György Konrad in seinen Roman-Memoiren. Heute feiert der ungarische Schriftsteller den 85. Geburtstag.
Konrad überlebte als Kind den Holocaust, dem fast alle Juden aus seinem Geburtsort Berettyoujfalu in Ostungarn zum Opfer fielen.
Bis zu seinem 56. Lebensjahr lebte er unter dem kommunistischen Regime. Er zählte zu dessen prominentesten Dissidenten. "Die Macht hat mich von Anfang an abgestossen", sagte er im Januar im Interview der Wochenzeitung "Heti Vilaggazdasag" (Weltwirtschaftswoche).
Das Romandebüt "Der Besucher" veröffentlichte Konrad 1969. Der schonungslose Blick auf die offiziell verleugneten Zonen des Elends im Realsozialismus brachte ihn zunehmend in Opposition zum Regime.
Die - zusammen mit Ivan Szelenyi - verfasste systemkritische soziologische Analyse "Die Intelligenz auf dem Weg zur Klassenmacht" konnte nur im Untergrund erscheinen. Konrad handelte sich damit in Ungarn ein weitgehendes Veröffentlichungs- und Reiseverbot ein, konnte aber mit der Zeit im Westen publizieren.
Konrads Romane und essayhafte Erzählungen - später folgten unter anderem "Geisterfest" (1986), "Melinda und Dragoman" (1991), "Glück" (2003), "Sonnenfinsternis auf dem Berg" (2005), "Das Buch Kalligaro" (2007) und "Gästebuch - Nachsinnen über die Freiheit" (2016) - sind grosse Erinnerungsliteratur. Mit spielerischer Leichtigkeit schafft sich der Autor seine eigenen erzählerischen Gesetze, fügt Porträts, Anekdoten und Abhandlungen in den Erzählfluss ein.
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