Internet-Bewegung Krieg gegen die Frauen – den «Incels» bleibt nur Hass

tafi

1.3.2019

Aus Gewaltfantasien der «Incels» im Internet wurde im April 2018 in Toronto blutige Wirklichkeit. Ein 25-Jähriger steuerte seinen Lieferwagen auf einen Gehweg und tötete zehn Menschen, vornehmlich Frauen.
Aus Gewaltfantasien der «Incels» im Internet wurde im April 2018 in Toronto blutige Wirklichkeit. Ein 25-Jähriger steuerte seinen Lieferwagen auf einen Gehweg und tötete zehn Menschen, vornehmlich Frauen.
Archivbild/Mark Blinch/The Canadian Press/AP

Rachegelüste und Gewaltfantasien: In Internetforen verschwören sich sexuell frustrierte Männer gegen Frauen. «Incels» geben Frauen die Schuld an ihrer Verzweiflung und radikalisieren sich – bis hin zu Amokläufen.

«Incel» ist die Abkürzung für «involuntary celibate», deutsch: «unfreiwillig Enthaltsame». Seit etwa zehn Jahren gibt es diese Bewegung, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Die Männer lassen in Internetforen ihren sexuellen Frust aus und hängen extrem frauenfeindlichen Verschwörungstheorien nach. Die Radikalsierung hat in der realen Welt bereits Todesofper gefordert: Die Täter von Amokläufen in Sanat Barbara, Kalifornien (2014) und im kanadischen Toronto (2017) waren in «Incel»-Foren aktiv – und wurden dort für ihre Taten gefeiert.

Besonders der Elliot Rodger, der in Santa Barbara sechs Menschen getötet und 13 verletzte, gilt als Held. Der damals 22-Jährige hatte ein 141 Seiten starkes Pamphlet hinterlassen, in dem er die Morde rechtfertigte. «Die Männer verdienen es, weil sie mir die Frauen weggenommen haben. Die Frauen verdienen es, weil sie diese Männer mir vorgezogen haben», zitiert der «Tages-Anzeiger» daraus.

Alek Minassian, der Attentäter von Toronto, wiederum berief sich drei Jahre später auf den «obersten Gentleman» Rodger und postete kurz vor der Tat bei Facebook: «Die Incel-Rebellion hat bereits begonnen. Wir werden alle Chads und Stacys stürzen.»

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«Chads» und «Stacys» sind Codeworte, mit denen «Incels» sexuell aktive Menschen bezeichnen. Diesen Männern und Frauen geben «Incels» die Schuld an ihrer erzwungenen Enthaltsamkeit. Wobei die Frauen die Hauptschuld tragen: Sie würden ihren Körper als Machtinstrument ausspielen und ihnen Sex vorenthalten. In Internetforen mit bis zu 50'000 Usern schwelgen die Verschmähten in Gewalt- und Vergewaltigungsfantasien oder überlegen, wie man «Chads» kastrieren kann.

Der «Incel»-Glaube macht als Teil eines neurechten Konservatismus die moderne Gesellschaft dafür verantwortlich, dass seine Anhänger keine Frauen abbekommen. Als Grundübel gelten die Selbstbestimmung der Frauen und die allgemeiene Liberalisierung. Untermauert werden die Verschwörungstheorien von seltsamen Thesen und Statistiken. Frauen würden nur auf grosse Männer mit breitem Unterkiefer stehen, führt der «Tages-Anzeiger» eine davon an. «Wer klein gewachsen oder schmal sei, lichtes Haar, schlechte Haut oder psychische Probleme habe, brauche sich keine Hoffnung zu machen.»



Am liebsten würden «Incels» das Rad der Geschichte zurückdrehen, in eine Zeit, in der es noch keine Dating-Apps gab, keine ausufernden College-Partys, keine sexuelle Selbstbestimmung der Frau. Damals, als jedem Mann eine Ehefrau zustand, die sich seinem Willen fügte. So sagt etwa der kanadische Psychologieprofessor Jordan Peterson: «Die Lösung (...) ist sozial erzwungene Monogamie.»

Peterson gilt laut «Tages-Anzeiger» als Vordenker der «Incels» und fand in einem Interview mit der «New York Times» sogar Verständnis für den Attentäter von Toronto: «Er war wütend auf Gott, weil Frauen ihn abwiesen. Die Lösung dafür ist sozial erzwungene Monogamie.»

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