Für den Ernstfall So schult Pu der Bär Kinder in Texas für Amokläufe

dpa/twei

29.5.2023 - 23:15

Cindy Campos liest ihrem Sohn das Buch «Stay Safe» vor
Cindy Campos liest ihrem Sohn das Buch «Stay Safe» vor
Bild: Uncredited/Cindy Campos/AP

Ein Schulbezirk in Texas hat mit dem Verteilen eines Buches über Pu den Bären an Kinder Wirbel bei Eltern ausgelöst. Denn es enthält nicht die typische Gute-Nacht-Geschichte, die sie gern ihren Sprösslingen vorlesen.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Winnie the Pooh sorgt derzeit für Aufregung in einem texanischen Schulbezirk – in Form des Buches «Stay safe».
  • Darin wird der bekannte Kinderbuchheld zum Helfer gegen potenzielle Amokläufen an Schulen verwandelt.
  • Eltern wie Politiker übten harte Kritik an der Aktion, die ohne Vorwarnung initiiert wurde.

Als der fünfjährige Sohn der Texanerin Cindy Campos in der Schule ein «Winnie the Pooh»-Buch erhielt, war er vor Freude aus dem Häuschen. Sobald der Junge aus seiner Vorschulklasse nach Hause kam, bat er seine Mutter, ihm daraus vorzulesen.

Aber ihr Herz wurde schwer, wie sie schildert, als sie erkannte, dass «Pu der Bär», wie die zentrale Figur der Kinderbuchserie in der deutschen Übersetzung heisst, darin Anleitungen darüber gibt, was Kinder in ihrer Schule tun sollten, «wenn Gefahr im Verzug ist» – sprich, wenn jemand mit einer Schusswaffe Amok läuft.

Die Schule hatte die Kinder mit dem «Stay Safe»-Buch («Bleibe Sicher») nach Hause geschickt, ohne die Eltern vorzuwarnen, ihnen zu sagen, worum es darin geht. Campos war überrascht, schockiert, war dieses Buch doch alles andere als eine typische Gute-Nacht-Geschichte zum Wohlfühlen, wenn auch mit dem niedlichen Teddybären und dessen Freunden als Stars.

Demokrat moniert fehlende «vernünftige Waffengesetze»

Campos zufolge erhielt auch ihr etwas älterer Sohn, ein Erstklässler in derselben Grundschule wie der Fünfjährige, kürzlich ein solches Exemplar. Als sie das Thema in einer Online-Nachbarschaftsgruppe ansprach, entdeckte sie, dass andere Eltern, deren Kinder das Buch auch nach Hause gebracht hatten, ebenfalls über das Vorgehen der Schule verärgert waren. Und es schlug Wellen über den US-Staat Texas hinaus.

So twitterte Kaliforniens demokratischer Gouverneur Gavin Newsom, dass Winnie the Pooh praktisch als Lehrer in Sachen Schutz vor Schulschützen in die Bresche springen müsse, «weil gewählte Funktionäre nicht den Mut haben, unsere Kinder zu schützen und vernünftige Waffengesetze zu verabschieden».

Auf dem Bucheinband heisst es übersetzt: «Wenn Gefahr besteht, lass Winnie The Pooh und dessen Leute dir zeigen, was zu tun ist.» Im Innern enthält es Passagen in gereimter Gedichtform, die besagen: «Wenn sich Gefahr nähert, fürchte dich nicht. Verstecke dich wie Pooh es tut, bis die Polizei eintrifft. Türen sollten verschlossen sein...Macht die Lichter aus, um nicht gesehen zu werden.»

Fragwürdiger Zeitpunkt der Buchaktion

Die Leitung des unabhängigen Schulbezirkes Dallas, in dem die Bücher ausgegeben worden waren, betonte in einer Erklärung, dass man jeden Tag hart daran arbeite, Schüsse in Schulen zu verhindern, etwa durch verbesserte Sicherheitsmassnahmen. In den Schulen des Bezirkes üben Kinder beispielsweise im Rahmen ihres Unterrichts, wie sie sich im Fall eines Amoklaufes verhalten sollten. Das Buch habe dem Ziel gedient, dass Eltern mit ihren Kindern ebenfalls Gespräche darüber führten, wie sie sich in solchen Fällen schützen könnten.

«Leider haben wir Eltern keinerlei Anleitung und Kontext geliefert. Wir entschuldigen uns für die Verwirrung und sind Eltern dankbar, die uns angesprochen haben, um uns zu helfen, bessere Partner zu werden», hiess es weiter.

An wie vielen Schulen die Bücher verteilt wurden und an welche Altersgruppen, wurde nicht bekannt. Campos sagt, es habe besonders unsensibel gewirkt, dass die Bücher ungefähr zum selben Zeitpunkt verteilt worden seien, als Texas den ersten Jahrestag des Blutbades an der Grundschule im texanischen Uvalde begangen habe. Damals hatte ein Schütze 21 Menschen getötet, 19 von ihnen waren Kinder.

«Pu der Bär» ist nicht mehr urheberrechtlich geschützt

Der republikanisch dominierte Kongress in Texas hat in seiner derzeitigen, kurz vor dem Abschluss stehenden Sitzungsperiode praktisch alle Vorschläge für striktere Waffenkontrollgesetze abgeschmettert. Zugleich wurden Gesetze verabschiedet, die Bücher mit Beschreibungen oder Abbildungen zum Thema Sexualverhalten, die nicht relevant für den vorgeschriebenen Lehrplan seien, aus Schulbüchereien verbannen.

Campos betont, dass sie keine Einwände gegen die Absicht des Buches habe, sie hätte sich nur eine Vorwarnung für die Eltern gewünscht, um selbst besser vorbereitet zu sein und einen geeigneten Zeitpunkt wählen zu können, die Kinder mit dem Inhalt vertraut zu machen. Sie habe mit ihren Sprösslingen über Schussattacken in Schulen gesprochen, so Campos, und vielleicht lieber mit dem Vorlesen des Buches bis zu einem etwaigen neuen Vorfall gewartet.

Herausgeber des Buches ist Praetorian Consulting, ein auf Sicherheits- und Krisenmanagement-Training spezialisiertes Unternehmen. Die Figuren aus der «Pu der Bär»-Serie sind in den USA nicht mehr urheberrechtlich geschützt und sogar in einem jüngsten Horrorfilm aufgetaucht.