Deutschlands grösstes Autobahn-Desaster Riesenloch in Autobahn zieht Selfie-Touristen an

Martina Rathke, dpa

13.2.2018

Seit Monaten versinkt ein Teil der A 20 in Mecklenburg-Vorpommern Stück um Stück im Moor. Jetzt ist auch die Gegenfahrbahn eingestürzt. Das Reisenloch zieht immer mehr Selfie-Touristen an.

Tief abgesackte Fahrbahnen, verbogene Leitplanken, die im Untergrund versinken: Die Autobahn 20 bei Tribsees in Mecklenburg-Vorpommern sieht aus, als habe ein wütender Riese kräftig zugetreten. Eine der wichtigsten Verkehrsadern des Tourismuslandes ist seit September Spielball der Natur: Erst langsam, Stück um Stück, versank die Fahrbahn Richtung Rostock auf knapp 100 Meter Länge im moorigen Untergrund, bevor jetzt am Wochenende auf gleicher Höhe die Gegenfahrbahn nach Stettin in sich zusammenbrach.

In den vergangenen Wochen hatte sich auch unter dort ein Hohlraum gebildet. «Es war nur eine Frage der Zeit, dass auch die Gegenfahrbahn absackt», sagt Ronald Normann vom Landesamt für Strassenbau und Verkehr.

Gefährliche Selfie-Jagd

Sensationstouristen, die hierher pilgern, Selfies schiessen und in sozialen Netzwerken posten, machen den Strassenbaubehörden zunehmend zu schaffen. «Wir hatten bislang dank rechtzeitiger Sperrung der Autobahn Glück, dass niemand verletzt wurde», sagt Normann am Montag. Die Behörde überlege nun, Anzeige gegen Gaffer zu erstatten.

Die Rechtslage sei eindeutig. Die Abbruchstelle sei gesperrt, das Betreten verboten. Das Laufen auf diesem Stück Autobahn sei grob fahrlässig und äusserst gefährlich. Bereits am Wochenende waren Bilder von der abgebrochenen Gegenfahrbahn auf Facebook gepostet worden.  

Seit Oktober ist die A 20 an der Grenze zwischen Mecklenburg und Vorpommern komplett gesperrt. Eine provisorische Umleitung über Landstrassen stellt die umliegenden Ortschaften auf eine harte Belastungsprobe. «Bei uns liegen die Nerven blank», sagt die Inhaberin der Langsdorfer Gaststätte «Zur Kastanie», Erika Baumgart. «Es ist eine Katastrophe.» Statt der erhofften Umsatzsteigerung sei das Gegenteil eingetreten. Stammgäste blieben aus.

Frustrierte Autofahrer stoppten, um schnell die Toilette zu nutzen, ohne Geld zu zahlen. An den Sommer – sagt Baumgart – wolle sie gar nicht denken. In der Tourismussaison fuhren bislang rund 25'000 Fahrzeuge pro Tag über das inzwischen gesperrte Stück Autobahn, im Winter rund 15'000 bis 18'000.

Reparaturen könnten Jahre dauern

Der Grund für das Desaster ist ersten Untersuchungen zufolge ein grosses geschlossenes Torfvorkommen unter der Autobahn, eine sogenannte Torflinse. Was genau im Boden geschah, ist unklar. Spekuliert wird über die Verwendung zu schwacher Stützen, nicht überprüfter Techniken oder schlicht Fehlkalkulationen.

Die Vermutung von Anwohnern, dass die Anhebung des Wasserstandes am Fluss Trebel vor rund 20 Jahren Schuld am Einsturz sein könnte, wies jüngst das Umweltministerium zurück. Der jetzige Wasserstand sei fast identisch mit dem Wasserstand, der den A20-Planungen zugrunde gelegen habe.

Ein Lichtblick: Der Einsturz der Gegenfahrbahn am Wochenende hat laut den Experten des Verkehrsministeriums keine weiteren Auswirkungen auf die Planungen zur Reparatur der Strasse. Bis die A 20 an dieser Stelle wieder befahrbar sein wird, werden allerdings Jahre vergehen.

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