Jus-Exkurs Müsste Käuferin Bild zahlen, wenn Banksy in der Schweiz geschreddert hätte?

tsch

13.10.2018

Das Videostandbild, das auf dem Instagram-Account von Banksy veröffentlicht wurde, zeigt die Schredder-Aktion.
Das Videostandbild, das auf dem Instagram-Account von Banksy veröffentlicht wurde, zeigt die Schredder-Aktion.
Banksy/Press Association Images

Die «Zerstörung» war ihr egal: Die Käuferin des Banksy-Kunstwerkes, das sich nach einer Versteigerung selbst shredderte, bezahlt den vollen Kaufpreis. Aber hätte sie es auch müssen? Ein Zürcher Anwalt hat sich seine rechtlichen Gedanken aus Schweizer Sicht gemacht.

Der Fall im Londoner Auktionshaus Sotheby's ist spektakulär und sorgt über die Grenzen der Kunstwelt hinaus für Aufsehen: Ein Bild zerstört sich unmittelbar nach seiner Versteigerung selbst. Im Rahmen war ein Shredder eingebaut.

Eine anonyme Käuferin hat zuvor 1,36 Millionen Franken für «Girl with a Balloon» bezahlt, doch sie tritt nicht vom Kauf zurück. Nachdem der allgemeine erste Schock verdaut ist, entrichtet sie den vollen Kaufpreis.

Das Bild hat durch den Medienhype jetzt schon an Wert gewonnen, aber was wäre, wenn das hier passiert wäre und eine fiktove Käuferin das anders sieht? Solche Gedanken macht sich Florian Schmidt-Gabain von der Zürcher Kanzlei Nobel & Hug in einem ausführlichen Beitrag.  

Mangelhaft?

Der Experte für Kunstrecht beschäftigt sich dabei im Kern mit der Frage, ob das Bild durch die Aktion eine mangelhafte Sache geworden ist. «Kommt es zu einer mangelhaften Lieferung, kann der Ersteigerer vom Kaufvertrag zurücktreten oder eine Minderung des Kaufpreises verlangen», erklärt Schmidt-Gabain.



Ein Mangel liege vor, «wenn die Sache in einem schlechteren Zustand ist, als man nach Treu und Glauben erwarten durfte, und durch diesen schlechteren Zustand der finanzielle Wert der Sache erheblich gemindert wird oder die Gebrauchsfähigkeit der Sache erheblich eingeschränkt ist (allgemeinen Mängelhaftung).» 

Weiter sei wichtig in dem Zusammenhang, «dass der Mangel im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits im Kern angelegt gewesen sein muss.» Dass der Mangel im Kern bereits angelegt war, steht ausser Zweifel. Banksy selbst hatte den Shredder im Rahmen versteckt eingebaut.

Kunstgeschichte = Wertsteigerung

Ob es aber eine «ausdrückliche Zusicherung, dass das bemalte Blatt Papier ganz und nicht in Schnipsel geschnitten ist» gegeben habe, könnte vor Gericht angezweifelt werden. Und ob durch das teilweise - bis zur Hälfte - verschnittene Kunstwerk ein objektiver Mangel vorliegt, liesse sich auch nicht ohne Weiteres beantworten, argumentiert Schmidt-Gabain.

Hier wird dank Banksy gerade Kunstgeschichte geschrieben.
Hier wird dank Banksy gerade Kunstgeschichte geschrieben.
Keystone

Die wichtigste Frage: Ist das Bild in seiner derzeitigen Beschaffenheit als Kunstwerk noch gebrauchsfähig? Geht man davon aus, dass die Gebrauchsfähigkeit eines Kunstwerkes in seiner Wahrnehmbarkeit liegt, dann kann diese Frage durchaus mit «Ja» beantwortet werden. Mehr Aufmerksamkeit kann ein Bild kaum bekommen.

Banksy verrät, wie er seinen Shredder-Coup plante und umsetzte

Dennoch glaubt Schmidt-Gabain nach einer Analyse der Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts in Kunstangelegenheiten der letzten Jahre, dass die Käuferin in der Schweiz nicht hätte verpflichtet werden können, «den Kaufpreis (ganz) zu zahlen».

Der Sammlerin sind solche juristischen Überlegungen aber ohnehin ziemlich egal. «Als das Werk geschreddert wurde, war ich zunächst geschockt, doch allmählich fing ich an zu realisieren, dass ich an mein eigenes Stück Kunstgeschichte gelangt war» wird sie zitiert.

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