Zwei Minuten Ewigkeit Zwei Minuten Ewigkeit: Surfer reitet 1,5 Kilometer auf einer Monsterwelle

tsch

27.7.2018

Natürlich kann man sagen, dass Koa Smith zur richtigen Zeit am richtigen Ort war. Zu behaupten aber, dass der 23-jährige Hawaiianer einfach nur Glück hatte, trifft die Sache nicht ganz. Auch wenn der Surfer etwas schaffte, was niemandem zuvor gelungen war

Vor der Küste von Namibia ritt Smith 120 Sekunden lang eine einzige Welle. Smith blieb fast 1,5 Kilometer aufrecht auf seinem Board und surfte dabei durch acht «Barrels», wie man die Tunnel nennt, die sich bei grossen Wellen manchmal bilden.

Fast genauso erstaunlich wie die sportliche Leistung: Smith und Videofilmer Chris Rogers filmten die komplette Fahrt mit einer Drohne und einer GoPro-Kamera, die Smith trug. «Ich glaube, dass alles, was ich mein ganzes Leben lang gemacht habe, zu diesem Moment geführt hat», sagte der völlig euphorische Smith nach seinem Exploit auf und in einer einzigartigen Welle, die nie zuvor dokumentiert wurde.

Bereit, alles stehen und liegen zu lassen

Und damit sind wir schon wieder beim Glück, das Smith zwar hatte, aber das allein nicht ausreicht. Der Surfer verdankt seinen Erfolg der Tatsache, dass er ein ebenso akribischer Wissenschaftler ist, wie ein risikofreudiger Extremsportler. So wie ein Meteorologe Stürme mehrere Tage verfolgt, beherrschen Smith und viele weitere Weltklasse-Surfer die Kunst, Wetterkarten zu lesen, um vorherzusagen, wann und wo die grössten Ozeanwellen auf Land treffen.

Freilich ist es ist eine Sache zu wissen, wo es die besten Wellen gibt. Die andere ist: Man muss auch dorthin gelangen, wo die Action ist. Smith ist bereit, alles stehen und liegen zu lassen, um in die perfekten Welle einzusteigen.

Der Schauplatz seines grössten Triumphes ist Skeleton Bay - ein mystischer Strandabschnitt am Südatlantik an der Westküste Afrikas. Um von Hawaii aus dorthin zu gelangen, ist man zwei Tage mit dem Flugzeug unterwegs. Dann folgt eine lange Autofahrt durch die Wüste, auf sandigen, nicht gekennzeichneten Strassen. Den Strandabschnitt schliesslich teilen sich ein paar wenige, aber glückliche Surfer mit Hunderten von aggressiven Robbenkolonien, tausenden von Schakalen und, wenn sie einmal im Wasser sind, dem gelegentlichen Weissen Hai.

Ein Kind des Strandes

«Wenn du da draussen bist, bist du ganz allein», sagt Smith. «Aber wenn du da draussen bist, denkst du nicht darüber nach. Du weisst, dass du dafür dein Leben opfern könntest.» Smith wuchs auf Kauai auf, einer der acht Hauptinseln Hawaiis. «Dort gibt es nicht viel zu tun», sagt Koa Smith, der einen vier Jahre älteren Bruder hat. «Unsere Eltern haben uns einfach immer am Strand abgesetzt.»

Sie fingen an, im Sand zu spielen, im Meer zu spielen, dann kam Body-Surfen, Boogie-Boarding: «Es entwickelt sich immer weiter. Ich fing an zu surfen, als ich drei war.» Dabei habe er immer seinen Bruder beobachtet: «Was erkonnte, musste ich auch können.» Mit sechs Jahren qualifizierte sich Smith für die nationalen Nachwuchsmeisterschaften der Zehnjährigen. Mit zwölf hatte er seinen ersten Sponsorenvertrag mit Nike in der Tasche.

Nach der Welle von Skeleton Bay, nach den erhabenen zwei Minuten grösster Freiheit, muss sich Smith wieder mit anderen Dingen beschäftigen. Wie ihre Actionsport-Cousins vom Snowboarden vor 20 Jahren, stehen nun die Wellenreiter vor Glaubensfragen.

Glaubensfrage Olympia

Wellenreiten feiert 2020 in Tokio sein Olympia-Debüt. Es gibt eine Kluft zwischen denen, die das Surfing als «Way of life» erhalten wollen und denen, die einen lukrativeren Weg einschlagen wollen - mit mehr Wettbewerben und besserer Vermarktung. Wobei Surf-Competitions keine neue Erfindung sind.

Auch Smith nimmt an vielen Wettbewerben teil, wenngleich die Olympischen Spiele nicht sein unmittelbares Ziel sind. «Wenn du da antrittst, musst du wirklich gut darin sein, schlechte Wellen zu reiten», sagt er. Ganz ausschliessen will er eine Teilnahme bei Olympia nicht.

Seine persönliche Goldmedaille aber hat Smith schon in Namibia gewonnen. Dieser Tag an der Skeleton Bay wird für immer in ihm weiterleben. «Es gab einen Punkt, an dem ich schon durch vier Barrels durch war und dachte: 'Wie geil'», sagte er. «Dann sah es aus, als wäre die Welle vorbei. Aber sie bildete sich einfach immer wieder neu und ich machte einfach weiter, immer weiter bis aus einer guten Welle eine Welle wurde, die mein Leben verändert hat.»

Surfen in der Schweiz: Wo und wie? Ein Überblick gibt es unter folgendem Link.

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