Banken-Beben Sind Boni noch angebracht, Frau Weibel?

Von Monique Misteli

31.3.2023

Für die Expertin sind Boni-Zahlungen nicht sachdienlich. Sie fordert deren Regulierung.
Für die Expertin sind Boni-Zahlungen nicht sachdienlich. Sie fordert deren Regulierung.
Bild: Keystone

Das CS-Debakel hat eine neue Diskussion um Boni-Zahlungen entfacht. Organisationsforscherin Antoinette Weibel erklärt in einem kurzen Interview, warum dieses Anreizsystem ausgedient hat. 

Von Monique Misteli

31.3.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Fürstliche Boni-Zahlungen von Schweizer Banken an ihre Mitarbeitenden prägt zurzeit die politische Debatte – muss das Anreizsystem reguliert werden?
  • Ökonomin und Organisationsforscherin Antoinette Weibel (Universität St. Gallen) spricht sich im Interview klar für deren Regulierung, wenn nicht sogar gänzliche Abschaffung aus.
  • «Das Bonus-System ist nicht sachdienlich», sagt Weibel im Interview mit blue News.

Spätestens seit der Bankenkrise 2008 diskutiert das Schweizer Volk und die Politik heiss über sie – die Boni-Zahlungen von Schweizer Banken an ihre Mitarbeitenden.

Nun geben besonders die fürstlichen Bonuszahlungen der Credit Suisse trotz Milliardenverlusten zu reden. So sehr, dass der Bundesrat angekündigte Bonuszahlungen bis auf Weiteres sistiert hat und die Bank für ihre anstehende Generalversammlung am kommenden Dienstag das Traktandum eines Sonderbonus gestrichen hat. Aktionär*innen hätten über einen Zuschlag für die Geschäftsleitung in der Höhe von 70 Millionen Franken abstimmen sollen.

Das Bonus-System wird auch deshalb kritisiert, weil sie riskante Geschäftstätigkeiten etwa im Investmentbanking fördern. Nach dem CS-Debakel stellt sich einmal mehr die Frage, ob diese Form der Vergütung in der Banken-Branche noch sinnvoll ist. Die Frage ist bei der neuen XXL-UBS besonders drängend, weil diese eine Staatsgarantie in der Höhe von 9 Milliarden Franken im Zusammenhang mit der Übernahme der CS geniesst.

blue News hat bei Antoinette Weibel, Ökonomin und Organisationsforscherin an der Universität St. Gallen, nachgefragt, ob Boni in diesen Zeiten noch angebracht sind.

Zur Person
Universität St. Gallen

Prof. Dr. Antoinette Weibel (4. Juli 1969 in Luzern) ist eine Schweizer Vertrauens- und Organisationsforscherin sowie Professorin für Personalmanagement an der Universität St. Gallen. Die habilitierte Ökonomin forscht zu Vertrauensmanagement in Unternehmen, Corporate Trust, Stakeholdervertrauen und vertrauensbasierter Führung. Weitere Schwerpunkte ihrer Forschung sind unter anderem Motivationsmanagement und der Einfluss von Institutionen auf die Motivation der Mitarbeiter sowie deren Wohlbefinden am Arbeitsplatz.

blue News: Banken argumentieren, dass es die Boni brauche, um die Topmanager «bei Stange» zu halten. Was sagen Sie dazu?

Antoinette Weibel: «Schauen Sie, vor 1990 haben Banken noch gar keine Boni ausbezahlt, sondern den Lohn im Rahmen eines Salärsystems bestimmt. Mit dem Import des Investmentbankings von den USA in die Schweiz ist auch das Bonus-System übernommen worden. Ausserdem war zu dieser Zeit die Theorie weit verbreitet, dass Leute, die nicht der Besitzer einer Firma sind, mittels Bonuszahlung dazu motiviert werden, so zu arbeiten, als ob ihnen die Firma gehören würde. Kurz: ohne Bonus keine Leistung.»

Was ist das Problem der Bonus-Zahlungen?

«Das Bonus-System ist eigentlich nur für Akkordarbeit sinnvoll. Das heisst, die Arbeitsleistung muss klar messbar, die Verantwortlichkeit klar zuteilbar sein und es dürfen keine negativen Folgewirkungen entstehen. Das Video von Charlie Chaplins «Factory Work» zeigt gut, was Akkordarbeit ist. In einer Wissensgesellschaft sind diese Voraussetzungen in vielen Branchen natürlich nicht mehr gegeben.

Und was ist das Problem für Banken bei diesem System?

Das Bonus-System ist in der Banken-Branche nicht sachdienlich. Das will heissen, dass in einer Bank die Arbeit nicht klar messbar, die Verantwortung nicht klar geregelt ist. Und es besteht das Risiko von negativen Auswirkungen, etwa in Form von späteren Rechtsfällen. Im Fall der CS, aber auch schon bei anderen Banken, dürfte dies dazu geführt haben, dass Bonus-Berechtigte Risiken zu wenig ernst genommen haben. Sie sind wohl davon ausgegangen, das werde schon gut gehen und sie haben nicht darüber nachgedacht, dass das eigene Handeln für die ganze Bank oder eben für die ganze Schweiz zum Problem werden könnte. Boni sind ein gefährliches Mittel für Anreize, wenn man es nicht im Griff hat.

Ist das Bonus-System nach den jüngsten Ereignissen noch zeitgemäss?

Das wird sich zeigen, aber die Frage: Braucht es die Boni überhaupt? ist mehr als legitim. Warum nicht die Boni abschaffen und dafür ein höheres Grundsalär auszahlen?

Boni abzuschaffen, dürfte bei der liberalen Schweizer Politik einen schweren Stand haben. Was halten Sie von der sogenannten Clawback-Klausel – also bereits bezahlte Boni zurückzahlen zu müssen bei allfälligen negativen Geschäftsentwicklungen?  

Warum etwas kompliziert machen, wenn es auch einfach geht? Die Erfahrung zeigt, dass solche Vorschläge in der Praxis schwer umzusetzen sind.

Wie kann die Schweiz die Boni in den Griff kriegen?

Ganz ehrlich, ich würde die Boni regulieren. Zumindest für die Banken, die vom Staat eine Garantie haben sowie die systemrelevanten. Wenn am Ende die Schweizer Bevölkerung geradestehen muss, dann ist doch die Legitimation gegeben. Liberale Wirtschaft hin oder her.

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