MilliardenkostenSo subventioniert der Bund umweltschädlichen Fleischkonsum
tsha
15.9.2020
Die Produktion von Fleischprodukten verursacht Kosten, die zu einem grossen Teil nicht der Käufer trägt – sondern Bund und Allgemeinheit. Das hat eine neue Studie ergeben.
Trutenbrust – jetzt dauerhaft günstiger, zwei Franken statt bislang 2,20 Franken: Mit Angeboten wie diesem wirbt derzeit der Detailhändler Migros. Zwei Franken für 100 Gramm Fleisch – ein Schnäppchen, oder ein Preis, bei dem am Ende jemand draufzahlt, weil tierische Produkte in Wirklichkeit viel teurer sind, als auf dem Preiszettel steht?
In Berlin macht es der Discounter Penny derzeit in einem wohl einmaligen Pilotprojekt vor: In einer Filiale in der deutschen Hauptstadt weist der Detailhändler den «wahren» Preis einiger angebotener Lebensmittel aus. Dann kostet ein halbes Pfund Biohackfleisch plötzlich nicht mehr 2,25 Euro, sondern mit 5,09 Euro mehr als das Doppelte. Bezahlen muss der Verbraucher zwar auch weiterhin nur den günstigen Preis, die Idee hinter dem Projekt aber ist klar: Wer weiss, mit welchen zusätzlichen Kosten ein Produkt tatsächlich zu Buche schlägt, überdenkt vielleicht sein Konsumverhalten.
Es sind vor allem die Umweltschäden, die bislang nicht in die Kalkulation des Preises von Fleisch, Wurst, Milchprodukten und vielen anderen Lebensmitteln eingerechnet werden. Bei der Produktion entstehen Kosten für Energie, aber auch die Überdüngung der Böden müsste eigentlich einkalkuliert werden sowie der Ausstoss von Treibhausgasen, der bei der Lebensmittelproduktion entsteht.
Das kostet uns die Landwirtschaft wirklich
Anders als beim Verkehr, wo der Bund seit Jahren die versteckten Kosten – also etwa für Luftverschmutzung, Umweltschäden und Luftverschmutzung – ausweist, gibt es eine derartige Kennzeichnung im Lebensmittelbereich noch nicht. Diese Aufgabe hat nun die Denkfabrik Vision Landwirtschaft übernommen. Was kostet uns die Landwirtschaft wirklich, und wer trägt diese Kosten?
Die Ergebnisse, über die die NZZ berichtet, sind ernüchternd. Nur gut die Hälfte der Kosten, die in der Landwirtschaft entstehen, übernimmt der Verbraucher. Den Rest zahlen der Staat durch Subventionen sowie die Allgemeinheit, indem sie für entstandene Umweltbelastungen aufkommen muss. Macht jährlich: rund 16 Milliarden Franken an versteckten Zusatzkosten, die im Supermarkt nicht auf dem Preisschild ausgewiesen sind.
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Lebensmitteln sind dabei immens. Obst und Gemüse verursachen nur geringe versteckte Kosten. Beim Rindfleisch hingegen tragen Staat und Allgemeinheit hingegen knapp zwei Drittel der Kosten, bei Schweinefleisch rund ein Drittel und bei Geflügel und Eiern noch etwa ein Viertel.
Die Allgemeinheit, so Vision Landwirtschaft, müsse vor allem bei der Produktion von tierischen Lebensmitteln für die Schäden aufkommen, die durch Pestizide sowie Ammoniak- und Treibhausgasemissionen entstehen. Der Bund hingegen finanziert die billigen Lebensmittel durch Subventionen mit. Etwa, indem er Zuckerrüben und verkäste Milch finanziell unterstützt, aber auch Werbung für Fleisch, die Entsorgung von Schlachtabfällen und Geräte, um Pestizide zu verteilen.
Umweltschäden kosten jährlich 3,6 Milliarden
Allein die Umweltschäden, die durch die Landwirtschaft entstehen, würden mit jährlich 3,6 Milliarden Franken zu Buche schlagen, so die Studie. Andere Untersuchungen, so die NZZ, kämen gar auf doppelt so hohe Beträge.
Insgesamt, so die Studie, würden jene Lebensmittel am stärksten durch Bundesgelder subventioniert, die am umweltschädlichsten sind. So würden tierische Nahrungsmittel drei Viertel der Umweltbelastung verursachen, aber nur für die Hälfte aller konsumierten Kalorien sorgen. Und das, obwohl gerade Lebensmittel wie Fleisch hierzulande viel häufiger verzehrt würden, als gesund ist.
Kritik an der Studie von Vision Landwirtschaft kommt vom Bauernverband. Andere Untersuchungen hätten ganz andere Zahlen ergeben, heisst es in einer Stellungnahme, aus der die NZZ zitiert. «Das zeigt, dass bei vielen untersuchten Punkten die Datengrundlage in der nötigen wissenschaftlichen Seriosität fehlt», so eine Sprecherin.
Vision Landwirtschaft fordert unterdessen den Bund auf, sich für eine nachhaltigere Landwirtschaft einzusetzen. Die Schweizer Agrarpolitik muss in Einklang gebracht werden mit Zielsetzungen aus den Bereichen Klimaschutz, Umwelt, Gesundheit und Ernährung.