Stromfresser Auch Elon Musk bemerkt das Klimaproblem von Bitcoin

Von Christoph Dernbach, dpa

13.5.2021 - 13:32

Elon Musk, Konzernchef des US-Elektroautoherstellers Tesla. Ob er über die Klimabilanz der Kryptowährung Bitcoin nachdenkt?
Elon Musk, Konzernchef des US-Elektroautoherstellers Tesla. Ob er über die Klimabilanz der Kryptowährung Bitcoin nachdenkt?
Susan Walsh/AP/dpa (Archivbild)

Dass die Kryptowährung Bitcoin ein unersättlicher Stromfresser ist, hätte der Chef des US-Elektroautobauers eigentlich schon früher wissen können. Seit März konnte man Teslas auch mit Bitcoins bezahlen – doch damit ist es nun vorbei. Musk stört sich an der Energiebilanz.

Von Christoph Dernbach, dpa

Elon Musk schockt mit seiner Kehrtwende beim Bitcoin die Kryptowelt. Völlig überraschend kündigte der Tesla-Chef an, wegen Umweltbedenken künftig keine Bitcoins mehr als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Zuvor hatte die Kryptowährung eine Kursrallye erlebt und war auf fast 64'000 Dollar gestiegen – massgeblich angetrieben von Grossanleger Musk. Am Donnerstagvormittag lag der Bitcoin-Kurs nur noch bei rund 50'000 Dollar, 22 Prozent unter dem Allzeithoch von Mitte April.

Riesige Mengen Strom

Die Kapriole von Musk macht nun auch vielen Investoren klar, dass das Bitcoin-System nicht mit den strengen Umweltzielen vereinbar ist, die sich Tesla selbst auferlegt hat. «Unsere Mission ist es, den Übergang der Welt zu nachhaltiger Energie zu beschleunigen», lautet das offizielle Firmen-Credo. Das dezentrale Bitcoin-Netzwerk verbraucht aber riesige Mengen an Strom. Und der stammt zu einem bedeutsamen Teil nicht aus nachhaltigen Quellen.

Das hat nun auch Musk erkannt: «Wir sind besorgt über die schnell zunehmende Nutzung fossiler Brennstoffe für das Schürfen von Bitcoin – und die damit verbundenen Transaktionen», schrieb Musk auf Twitter. Insbesondere der Einsatz von «Kohle, die die schlimmsten Emissionen aller Brennstoffe hat», mache ihm Sorgen.

Wie hoch der Strombedarf des Bitcoins insgesamt ausfällt, kann man nirgendwo exakt ablesen. Die Plattform Digiconomist des niederländischen Ökonomen Alex de Vries schätzt, dass jährlich knapp 100 Terawattstunden dafür anfallen. Forscher am Center for Alternative Finance der Universität Cambridge kommen auf einen noch etwas höheren Wert: Sie haben einen Jahresverbrauch von rund 141 Terawattstunden pro Jahr errechnet. So viel Energie verbrauchen auch ungefähr die Niederlande, ein Land mit 17 Millionen Einwohnern.

Der hohe Energieverbrauch kann auch auf die konkrete Verwendung des Bitcoins heruntergebrochen werden: Die Cambridge-Forscher haben ausgerechnet, dass jede Transaktion einen Fussabdruck von 428 Kilogramm des Klimagases CO₂ hinterlässt. Das entspricht knapp einer Million Buchungen beim Kreditkartenanbieter Visa oder dem Konsum von rund 71'000 Stunden YouTube-Videos.



Der Energiebedarf ist auf die Vorgaben des Erfinders des Bitcoins zurückzuführen, der nur unter dem Pseudonym «Satoshi Nakomoto» bekannt ist. Er musste einen Weg finden, um Doppelausgaben des Digitalgeldes zu verhindern. Beim Papiergeld besteht das Problem nicht, weil jeder Geldschein aus dem Portemonnaie verschwindet, sobald er ausgegeben wurde. Aber bei digitalem Geld könnte jemand die Datei kopieren und den virtuellen Geldschein immer wieder ausgeben.

Als Lösung hat Satoshi für die Kontrolle der Bitcoin-Verwendung und das Schürfen neuer Bitcoins ein Verfahren festgelegt, das auf der Lösung von mathematischen Problemen durch die «Miner» (Bergleute) beruht. Damit wird in dem Netzwerk auch sichergestellt, dass Transaktionen nicht rückgängig gemacht werden können. Man bräuchte mehr als die Hälfte der gesamten Rechenleistung im Bitcoin-Netzwerk, um es zu manipulieren und etwa einen Bitcoin doppelt auszugeben.

Nur der Erste kommt zum Zug

Die Betreiber der Rechner im Netzwerk werden für ihre Arbeit belohnt. Allerdings kommt immer nur derjenige zum Zug, der das Ergebnis zuerst liefert. Alle anderen «Miner» gehen leer aus. Dieses ineffiziente «Proof of Work»-Verfahren ist der eigentliche Grund für den hohen Energie-Konsum. Kleinere Kryptowährungen wie Peercoin, Blackcoin und Nxt verwenden ein anderes Verfahren («Proof of Stake»), bei denen die Rechenleistung der «Miner» keine Rolle spielt. Hier werden die Arbeitsaufgaben zur Blockbildung wie bei einer Lotterie vergeben. Dabei werden diejenigen Pools bevorzugt, die bereits über viele virtuelle Münzen verfügen.

Weil der Besitz von Hochleistungsrechnern bei diesem neuen Verfahren nicht mehr entscheidend ist, lehnen die meisten «Miner» in der Bitcoin-Community einen Umstieg auf das umweltfreundlichere Konsensverfahren ab. Schliesslich haben sie grosse Summen in ihre Technik investiert und wollen diese nicht wertlos machen.

Experten wie der niederländische Ökonom de Vries sehen vor diesem Hintergrund keine Perspektive, dass der Bitcoin irgendwann weniger Energie verschlingen wird – ganz im Gegenteil. Der steigende Kurs animiere immer mehr kommerzielle Bitcoin-Schürfer, ins Geschäft einzusteigen – auch mit älteren Rechenzentren, deren Betrieb sich bei einem niedrigeren Kurs nicht mehr gelohnt hat.



Auch klassische Anlageformen belasten die Umwelt

Der Wirtschaftswissenschaftler Philipp Sandner sieht hier allerdings keinen grossen Unterschied zu klassischen Anlageformen wie Gold und Silber. Da werde auch die Umwelt belastet. Und wenn der Goldkurs steige, lohne es sich auch, noch mehr Diesel, Strom und Chemikalien einzusetzen, um aus bislang unrentablen Minen Gold zu schürfen, sagt der Professor an der Frankfurt School of Finance & Management.

Für Sandner ist nicht die Summe der Energie entscheidend, sondern die Energiequelle. «Das Bitcoin-Netzwerk wird schon heute zu 60 bis 65 Prozent – je nach Schätzung – mit grüner Energie betrieben.» So seien bei der Bitcoin-Erzeugung neben China und Ländern wie Tadschikistan auch Regionen wie Nord-Norwegen sowie Schweden, Finnland und Island hoch im Kurs. Forscher in Cambridge haben allerdings nur einen Anteil von rund 40 Prozent erneuerbarer Energie im Bitcoin-Netzwerk ausgerechnet und verweisen auf problematische Umstände in Ländern wie dem Iran.

Diese Probleme halten aber Bitcoin-Fans nicht davon ab, weiterhin auf die Kryptowährung zu setzen. Und selbst für Tesla hat sich das Bitcoin-Engagement bislang mehr als gelohnt. Musk hatte Anfang Februar in seinem Unternehmen durchgesetzt, dass 1,5 Milliarden Dollar des Barvermögens von Tesla in die Digitalwährung investiert werden. Tesla konnte im Februar bei einem Kurs von schätzungsweise 39'000 Dollar einsteigen. Selbst nach dem Absturz am Gründonnerstag liegt der Kurs bei 50'000 Dollar mit 28 Prozent im Plus. Und einen Teil der Gewinne hat Musk auch schon mitgenommen. Im jüngsten Geschäftsquartal hatte das Unternehmen Bitcoins im Wert von fast 300 Millionen Dollar wieder verkauft und daran nach eigenen Angaben rund 100 Millionen verdient.