Mit Silberjodid in den Wolken Die Bâloise will mit Silberjodid den Hagel bekämpfen

uri

13.8.2018

Aufräumarbeiten in Zürich nach einem schweren Gewitter und Hagelsturm. (Archiv)
Aufräumarbeiten in Zürich nach einem schweren Gewitter und Hagelsturm. (Archiv)
Keystone

Mit einem Spezialflugzeug will die Versicherungsgruppe Bâloise künftig Unwetterschäden reduzieren: In einem Pilotprojekt steigt erstmals in der Schweiz ein sogenannter Hagelflieger in Gewitterwolken auf, um diese mit dem eigentlich umweltschädigendem Silberjodid zu «impfen».

Hagel gilt als eine der zehn biblischen Plagen. Und das nicht von ungefähr. In der Schweiz handelt es sich für Versicherer immerhin um die zweitteuerste Naturgefahr nach Hochwasser. 2017 verzeichnete allein die Zurich-Versicherung wegen Hagelschäden an Fahrzeugen eine Schadensumme von 32 Millionen Franken. 

Die Bâloise untersucht deshalb nun in einem Pilotprojekt, ob man Hagelschäden schon im Vorfeld verringern kann. Ein Spezialflugzeug, das auf dem Flugplatz Birrfeld im Kanton Aargau stationiert ist, soll möglichen Gewitterstürmen in der gesamten Deutschschweiz zuvorkommen und eine Silberjodid-Acetonlösung in die Wolken einbringen, bevor der Himmel seine Schleusen öffnet.

Die Idee hinter der Methode, die bereits in den 1940er Jahren entwickelt wurde, ist eigentlich recht simpel. Bei einer sogenannten «Impfung» mittels Wetterraketen oder Hagelfliegern werden mit Silberjodid-Feinstaub vermehrt Kristallisationskeime in die Gewitterwolken eingebracht. Laut der Theorie können die Wolken so einerseits gezielt zum Abregnen gebracht werden und andererseits entstehen dafür mehr aber auch kleinere Hagelkörner, die beim Aufschlag auf die Erde weniger Schäden anrichten.

Kein eindeutiger Nachweis für Wirksamkeit

Mathias Zingg, «Leiter Schaden» der Bâloise, zeigt sich optimistisch, dass die Hagelschäden mit diesem Verfahren beträchtlich reduziert werden können. «Es gibt Studien, die belegen, dass man mit dieser Intervention, durch den Hagelflieger, das Hagelaufkommen bis zu 50 Prozent reduzieren kann», sagte er dem SRF.

Die Bâloise kostet der Hagelflieger rund 200'000 Franken, während sie für Hagelschäden einen zweistelligen Millionenbetrag auszahlen muss, wie SRF berichtet. Allerdings sind sich Experten nach wie vor uneinig über die Wirksamkeit der Hagelflieger.

Meteorologen geben zu bedenken, dass Gewitterwolken höchst unterschiedlich und komplex sind. Eine Überprüfung der Wirksamkeit der Methode sei deshalb schwer möglich. Auch sei eine Gewitterfront aus der es hagelt meist doch so gross, dass man sich nur schwer vorstellen könne, dass ein Kleinflugzeug mit seinen zierlichen 20-Liter-Silberjodid-Tanks hier viel ausrichten könne.

Drei Jahre will die Bâloise testen, ob der Hagelflieger effektiv Schäden verhindern kann. Bei Erfolg kann sich die Versicherung vorstellen, ihn auch in der Romandie einzusetzen.

In Deutschland sind Hagelflieger teils schon seit 30 Jahren im Einsatz. Derzeit versuchen sie in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz das Wetter zu beeinflussen. Doch bis jetzt ist der wissenschaftliche Nachweis noch nicht erbracht, ob das auch wirklich funktioniert.

Silberjodid ist umweltschädigend

Auch bestehen unterschiedliche Einschätzungen zur Schädlichkeit des eingesetzten Silberjodids, einem wasserunlöslichen Salz, das aus einer Verbindung von Silber und Jod hervorgeht. Der Feuerwehkommandeur im schwäbischen Metzingen warnte 2014 im Schwäbischen Tagblatt etwa, die Chemikalie sei 1000 Mal schädlicher als Öl. Prof. Klaus Dieter Beheng vom Karlsruher Institut für Meteorologie und Klimaforschung bestätigte der Zeitung zwar, dass das Silberjodid giftig sei, meinte jedoch, dass der Stoff «durch die enormen Wassermengen» stark verdünnt würden. US-amerikanische Studien hätten ergeben, dass die Werte «unter der Nachweisgrenze» liegen würden und im Trinkwasser nicht nachzuweisen seien. Das Impfen der Wolken sei deshalb als ungefährlich einzuschätzen.

Diese Einschätzung teilt man auch in China, wo man dreistellige Millionenbeträge investiert, um das Wetter zur korrigieren - nicht zuletzt vor vor den Olympischen Spielen 2008 in Peking.

Allerdings hat man hier mit der Technik nicht nur gute Erfahrungen gemacht. Wie die «China Daily» im Jahr 2009 berichtete, sorgten angeblich 100 mit Silberjodid gefüllte Raketen in jenem Jahr dafür, dass Peking plötzlich ein Verkehrschaos zu bewältigen hatte. Ursprünglich hätten die Beamten vom staatliche Amt für Wetterbeeinflussung lediglich Niederschläge auslösen wollen, um gegen eine Dürre vorzugehen. Weil sie jedoch eine heranziehende Kaltfront unterschätzt hatten, seien in Folge der Wetterbeeinflussung rund 16 Millionen Tonnen Schnee auf die chinesische Hauptstadt niedergegangen.

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