Moderna In der Schweiz millionenfach verimpft, in Deutschland verpönt

Von Sven Hauberg

22.11.2021

Viele Menschen in Deutschland ziehen den Impfstoff von Biontech/Pfizer dem Moderna-Vakzin vor.
Viele Menschen in Deutschland ziehen den Impfstoff von Biontech/Pfizer dem Moderna-Vakzin vor.
Bild: dpa

In der Schweiz kam vor allem das Vakzin von Moderna zum Einsatz, in Deutschland hingegen will den Impfstoff kaum jemand. Zu Recht?

Von Sven Hauberg

Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn brachte es am Montag mit einem etwas seltsamen Vergleich auf den Punkt. «Biontech ist der Mercedes, Moderna der Rolls-Royce unter den Impfstoffen», sagte der CDU-Politiker auf einer Pressekonferenz. Will heissen: Beide Impfstoffe sind gut, und sie sind sicher. Viele Deutsche allerdings betrachten das Moderna-Vakzin nicht als Luxuskarosse, sondern vielmehr als billigen Importwagen.

Rund 90 Prozent der Impfstoffe, die derzeit von deutschen Ärzten bestellt werden, stammen von Biontech/Pfizer, das Vakzin von Moderna hingegen hat sich zum Ladenhüter entwickelt. Die Folge: Die Biontech-Lager laufen «gerade leer», so Spahn; viele Millionen eingelagerte Moderna-Vakzine hingegen nähern sich unaufhaltsam ihrem Verfallsdatum.



Um dem entgegenzusteuern, wollte Spahn eine Bestellobergrenze für Biontech einführen – ein Vorstoss, der zu einem Aufschrei führte. Schliesslich steckt Deutschland derzeit mitten in der vierten Corona-Welle, und eine Impfung beziehungsweise ein Booster gilt als bester Weg aus der Krise. Impfstoff gebe es genug, so Spahn. Bis Jahresende würden rund 24 Millionen Dosen von Biontech zur Verfügung stehen – und 26 Millionen Dosen von Moderna.

«Ein guter, sicherer und sehr wirksamer Impfstoff»

«Moderna ist ein guter, sicherer und sehr wirksamer Impfstoff», sagte der geschäftsführende Gesundheitsminister am Montag. Ein Blick in die Schweiz scheint ihn zu bestätigen. Hier wird vor allem das mRNA-Vakzin von Moderna verimpft, was ein Grund dafür sein könnte, dass Impfdurchbrüche und Hospitalisierungen seltener sind als in Deutschland.

Empfohlen sind in Deutschland grundsätzlich beide Impfstoffe gleichermassen. Nur für Männer unter 30 und für Schwangere hat die zuständige Ständige Impfkommission eine Empfehlung lediglich für Biontech ausgesprochen. Für beide Gruppen, so die Impfkommission, sei die Gefahr von sehr seltenen Nebenwirkungen beim Moderna-Impfstoff etwas höher.



Ansonsten aber deuten Studien, etwa aus Israel und den USA, darauf hin, dass das Moderna-Vakzin vielleicht sogar besser gegen Corona schützt als das Konkurrenzprodukt von Biontech. Vor allem bei der mittlerweile dominierenden Delta-Variante des Virus seien Impfdurchbrüche bei Menschen, die mit Moderna geimpft wurden, seltener als bei Menschen, die das Vakzin von Biontech erhalten haben, stellte unlängst eine US-Studie fest. 

Beide Impfstoffe basieren auf derselben Technologie und arbeiten mit mRNA. Doch möglicherweise macht die Dosis den Unterschied: Das Moderna-Vakzin enthält 100 Mikrogramm mRNA, wenn es für die Grundimmunisierung gespritzt wird. Bei Auffrischimpfungen empfiehlt der Hersteller die halbe Dosis. Das Biontech-Vakzin hingegen, das sowohl für Erst-, Zweit- und Drittimpfung in der vollen Dosis verimpft wird, enthält 30 Mikrogramm mRNA. Ob das allerdings wirklich einen Unterschied macht, ist nicht klar.

«Was wirkt am besten? Wechseln wirkt am besten!»

Eine andere US-Studie belegte kürzlich, dass die Wirksamkeit des Biontech-Impfstoffs rund vier Monate nach der Zweitimpfung deutlich abnimmt. Eine Auffrischung bringe das Schutzlevel gegen schwere Krankheitsverläufe allerdings wieder zurück auf 95 Prozent. Eine ähnliche Studie zu Moderna steht zwar noch aus, Experten erwarten allerdings ähnliche Ergebnisse.

Daten gibt es seit einiger Zeit zu sogenannten Kreuzimpfungen. «Was wirkt am besten? Wechseln wirkt am besten!», schrieb dazu der deutsche Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach.

Demnach sollten sich Menschen, die zwei Dosen des Biontech-Vakzins erhalten haben, am besten mit Moderna auffrischen lassen. Notwendig sei so ein Wechsel allerdings nicht, so die Ständige Impfkommission. Zumal es sinnvoll sei, auch für die Auffrischung einen Impfstoff zu verwenden, den man bereits bei den ersten beiden Spritzen gut vertragen habe. Das gilt auch für das in Deutschland so ungeliebte Vakzin von Moderna – den «Rolls-Royce unter den Impfstoffen».

Woher stammen also die Vorbehalte gegen ein Vakzin, das in der Schweiz häufiger als alle anderen Corona-Impfstoffe eingesetzt wird? Möglicherweise ist die Erklärung ja ganz einfach: Comirnaty, so der Handelsname des Biontech-Vakzins, ist «made in Germany». Und das ist für viele Deutsche offenbar noch immer das entscheidende Kriterium – allen wissenschaftlichen Studien zum Trotz.