Kinderkrankheit Gefährlicher als gedacht: Wie Masern das Immunsystem zerstören

tmxh / SDA / AFP

1.11.2019

Ein Kind leidet am Ausbruch der Masern. (Archiv)
Ein Kind leidet am Ausbruch der Masern. (Archiv)
Bild: Keystone

Masern stellen eine noch grössere Gefahr dar als bislang angenommen. Wie Forscher nun herausfanden, zerstört die Krankheit das menschliche Immungedächtnis. Die körpereigene Abwehr wird auf Dauer geschwächt. 

Dass Masern lebensgefährlich sein können, ist lange bekannt. Wie sehr sie dem Menschen wirklich schaden, konnten Forscher nun herausfinden. Einer Studie zufolge stellt die Krankheit eine noch grössere Gefahr dar, als bisher angenommen. Erstmals konnten Immunologen nachweisen, wie sehr das menschliche Immunsystem dabei beschädigt wird.

Wie Forscher in der Zeitschrift «Science und Science Immunology» nachweisen konnten, zerstört das Masernvirus nicht nur schützende Biomoleküle, sondern auch die körpereigenen Immunzellen. Dadurch wird die Krankheitsabwehr des Körpers gewissermassen ihres Gedächtnisses beraubt – die sogenannte und oft beobachtete «Immunamnesie» tritt auf. In der Folge dieser teilweisen Löschung des Immungedächtnisses sind die Patienten für Infektionen überaus anfällig. Die Sterblichkeit steigt.

Immungedächtnis ausgelöscht

Die Wissenschaftler zeigten auf Basis zweier Studien mit nicht geimpften Kindern in einer orthodoxen protestantischen Gemeinde in den Niederlanden, dass Masern die Erinnerung des Immunsystems an frühere Krankheiten teilweise auslöschen. Das Immunsystem werde damit wieder in den Zustand zurückversetzt, den es bei Babys besitzt. Diese Zerstörung kann jahrelang anhalten, wie die Forscher schreiben.

Dadurch werden Betroffene auch über die Maserinfektion hinaus empfänglicher für Infektionen mit anderen Erregern. So kommt es bei einer Maserninfektion häufiger zu weiteren Infektionen wie beispielsweise bakteriell bedingten Lungen- oder Mittelohrentzündungen.

Forscher aus den USA, Grossbritannien, Deutschland und den Niederlanden untersuchten, welche Mechanismen zu dieser Immunsuppression führen. Hierzu analysierten sie unter anderem die Entwicklung einer wichtigen Gruppe von Immunzellen für das Immungedächtnis, der sogenannten B-Gedächtniszellen.

Während die genetische Zusammensetzung und Vielfalt dieser B-Gedächtniszellen bei Menschen ohne Maserninfektion und bei Geimpften stabil war, war bei Menschen nach Maserninfektionen die Vielfalt der Immunzellen zum Teil sehr stark beeinträchtigt. Zudem fanden die Forscher Hinweise auf eine Beeinträchtigung der B-Zellreifung.

Auch in der Schweiz noch Todesfälle

Masern sollten längst ausgerottet sein – stattdessen nehmen sie wieder zu. Auch in der Schweiz sind die Masern keineswegs harmlos. So haben die Masern dieses Jahr zu zwei Todesfällen geführt. Beim ersten Fall handelt es sich um einen 30-jährigen zuvor ungeimpften Mann, der von Angehörigen mit Masern angesteckt wurde.

Er wurde 67 Stunden nach Exposition nachgeimpft. Diese Impfung kam jedoch zu spät, und er erkrankte trotzdem an Masern. Er verstarb innert kürzester Zeit nach Auftreten der ersten Symptome zu Hause.

Beim zweiten Fall handelt es sich um einen 70-jährigen Mann, der wegen Krebs immunsupprimiert war. Er verstarb wenige Tage nach Beginn einer masernbedingten Lungenentzündung trotz Intensivpflege im Spital. Im Weiteren mussten in der Schweiz seit Anfang Jahr 45 Masern-Erkrankte hospitalisiert werden.

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