Hoffnung für Patienten Forscher entdecken Pflanzengift als Antibiotika-Ersatz

tgab

5.2.2023

Wissenschaftlern ist ein Durchbruch auf dem Weg der Antibiotika-Entwicklung gelungen. (Symbolbild)
Wissenschaftlern ist ein Durchbruch auf dem Weg der Antibiotika-Entwicklung gelungen. (Symbolbild)
IMAGO/Sylvio Dittrich

Mehr und mehr Bakterien sind resistent gegen Antibiotika. Forscher machen nun Hoffnung, dass das natürliche Pflanzengift Albicidin eine Alternative zu den Medikamenten auf Pilzbasis sein könnte.

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Antibiotikaresistenz sei zu einer der grössten Bedrohungen für die globale Gesundheit und Ernährungssicherheit geworden, warnt die Weltgesundheitsorganisation WHO. Der willkürliche übermässige Einsatz von Antibiotika führe zu resistenten Bakterien und letztlich zu höheren medizinischen Kosten, längeren Spitalaufenthalten und einer erhöhten Sterblichkeit.

Ein Problem, das täglich etwa 3500 Menschen das Leben koste, ergab laut «Guardian» eine kürzlich durchgeführte Studie. 1,2 Millionen Personen starben demnach im Jahr 2019 weltweit an den direkten Folgen von Antibiotika-Resistenzen.

Wissenschaftler haben nun ein natürliches Pflanzengift entdeckt, das zur effektiven medizinischen Bekämpfung von Bakterien verwendet werden könnte. Sie stellen die Entwicklung einer leistungsstarken neuen Reihe von Antibiotika in Aussicht.

Krankheitserreger als Heilmittel

Das neue Antibiotikum auf der Basis des Pflanzengifts Albicidin greife Bakterien auf völlig andere Weise an als herkömmliche Medikamente, schreibt die Gruppe britischer, deutscher und polnischer Wissenschaftler in einem kürzlich in der Zeitschrift «Nature Catalysis» veröffentlichten Paper.

«Wir konnten im Labor keine Resistenz gegen Albicidin hervorrufen», sagt Dmitry Ghilarov dem Guardian, dessen Forschungsgruppe am John Innes Center in Norwich angesiedelt ist. «Deshalb glauben wir, dass es für Bakterien sehr schwierig sein wird, Resistenzen gegen von Albicidin abgeleitete Antibiotika zu entwickeln.»

Albicidin wird von einem bakteriellen Krankheitserreger namens Xanthomonas albilineans produziert, der in Pflanzen vorkommt. Das Pathogen löst in Zuckerrohr eine verheerende Krankheit aus, die als Blattbrand bekannt ist. Schon vor mehreren Jahrzehnten wurde festgestellt, dass das Pflanzengift Bakterien sehr effektiv abtötet. Es blockiert ein Enzym, das auch in Bakterien vorkommt.

Wissenschaftlern gelingt der Durchbruch

«Das Problem war, dass wir damals nicht genau wussten, wie Albicidin Bakterien angreift, und wir es daher nicht als Grundlage für neue Antibiotika verwenden konnten», erklärt Ghilarov. «Seine Verwendung hätte alle möglichen Komplikationen im menschlichen Körper auslösen können.»

In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Technischen Universität Berlin in Deutschland und der Jagiellonen-Universität in Krakau sei es nun gelungen, die Vorgehensweise des natürlichen Pflanzengifts zu entschlüsseln.

«Jetzt können wir Modifikationen von Albicidin schaffen, um seine Wirksamkeit und pharmakologischen Eigenschaften zu verbessern», sagt Ghilarov dem «Guardian». «Wir glauben, dass dies einer der aufregendsten neuen Antibiotika-Kandidaten seit vielen Jahren ist.»

Mit Antibiotika lässt sich kein Geld verdienen

Ein Problem sei, dass Pharmaunternehmen einfach nicht genug Forschung und Entwicklung für neue Antibiotika betreiben, warnt Prof. Tony Maxwell, der ebenfalls am John Innes Centre tätig ist, in dem Artikel. «Früher kamen ständig neue Verbindungen auf den Markt, aber das ist nicht mehr der Fall.» Immer weniger grosse Pharmaunternehmen arbeiteten an Antibiotika und so würden immer weniger von den westlichen Arzneimittelbehörden zugelassen. Der Grund sei, dass man mit Antibiotika kein Geld mehr verdiene.

Andererseits gebe es nichts Besseres zur Behandlung einer bakteriellen Krankheit als ein Antibiotikum. Deshalb müsse die Regierung eingreifen, wie sie es bei der Impfstoff-Entwicklung getan habe, ergänzt Ghilarov.

Es könne allerdings Jahre dauern, klinisch wirksame Albicidin-Versionen zu erstellen. Es deutet aber alles darauf hin, dass wir eines Tages eine neue Antibiotika-Waffe gegen Bakterien haben werden.