Was der sterbende Polarwirbel mit der Kältewelle zu tun hat
Minusrekorde in Spanien, Kälteeinbruch in der Schweiz – was hat das mit dem Polarwirbel zu tun, der über der Arktis eingebrochen ist? Ein Professor für Klimatologie gibt Auskunft.
Spanien zittert: Der Kälterekord auf der Ibirischen Halbinsel ist eingestellt worden. Mit –34,1 Grad am 6. Januar in den Pyrenäen war es dort noch nie so frostig – und auch in den kommenden Tagen soll es im Nordosten nur wenig wärmer werden.
Die Schweiz muss sich bei tiefen Temperaturen aber nicht verstecken: Auf der Glattalp SZ wurde zuletzt der spanische Rekord von –34,7 noch unterboten. Auch in Samedan GR und Andermatt UR sank das Quecksilber auf fast –30 und –26 Grad. In der Nacht zum Mittwoch wird mit jeder Menge Neuschnee und Glätte gerechnet.
Wer nun liest, dass der Polarwirbel zusammenbricht, fragt sich natürlich, ob da ein Zusammenhang besteht. Die Antwort weiss Stefan Brönnimann, Professor der Universität Bern: Die Ereignisse passen zwar zusammen, doch ein Bezug lasse sich nicht ohne Weiteres herstellen, erklärt der Klimatologe.

Was hat es mit dem Polarwirbel auf sich?
Der Polarwirbel ist ein Tiefdruckwirbel über dem Pol, der im Winter die ganze Stratosphäre umfasst und normalerweise sehr stark ausgeprägt ist. In diesem Winter ist das etwas anders.
Sind Abschwächungen dieses Polarwirbels normal?
Es passiert ungefähr alle zwei Jahre, dass sich der Stratosphärenwirbel wegschiebt, aufteilt oder ganz zusammenbricht. Aus dem Westwind wird ein Ostwind. Das ist jetzt passiert. Das führt zu einer extremen Erwärmung der Stratosphäre: Es kann lokal 30, 40 Grad oder noch wärmer werden.
Wie kann dieses Phänomen denn bei uns für Kälte sorgen?
Die Abschwächung der Westwinde breitet sich abwärts aus und kann unsere Wetterschicht, die Troposphäre, erreichen. Das kann dazu führen, dass auch hier die Westwinde schwächer werden, die hier normalerweise das Wetter dominieren. Sind die Westwinde schwach, kann es vorkommen, dass Kaltluftmassen zu uns vordringen und zu Abkühlung führen, während es anderswo, beispielsweise über Grönland oder der Arktis, eine Erwärmung gibt. Das muss aber nicht so sein.
Konnte man das jetzige kalte Wetter kommen sehen?
Der Polarwirbel hat sich vor ein paar Tagen destabilisiert, aber das ist einer von vielen Faktoren.
Wie lange dauern solche Ereignisse?
Statistisch lässt sich der Einfluss über mehrere Wochen feststellen, aber das ist eben nur Statistik. Längst nicht jeder Zusammenbruch des Polarwirbels führt zu kaltem Wetter. Aber es kann auch sein, dass es über Wochen immer wieder zu kalten Wetterlagen kommt, vor allem wenn der Polarwirbel um diese Jahreszeit, zwischen Weihnachten und Anfang Januar, zusammenbricht. Doch wie gesagt: Das muss es nicht.
Bilder vom Kälteeinbruch vor zwei Jahren:
Wie erholt sich der Polarwirbel wieder?
Eigentlich genau so, wie er zusammengebrochen ist: Zuerst erholt er sich in der oberen und mittleren Stratosphäre, dann erfasst der starke Wirbel wiederum die gesamte Stratosphäre. Wenn ein Kollaps aber sehr spät im Winter stattfindet, kann es sein, dass er sich gar nicht mehr erholt und das Ende des stratosphärischen Winters einläutet.
Wie kommt das Phänomen zustande?
Auslöser sind Wetterereignisse in der Troposphäre. Diese können sich nach oben bis in die obere Stratosphäre auswirken, wie eine Welle, die sich ausbreitet und sich auf einer gewissen Höhe bricht. Die brechende Welle schwächt den Westwind oder dreht ihn in einen Ostwind. Von dort geht die Wirkung dann wieder nach unten und kann letztlich die Wetterschicht erreichen. Dazwischen liegen ungefähr zehn Tage.
