Durch Klimawandel bedroht Weisswale in Kanada begeistern Touristen – und Einheimische

AP/tcar

4.10.2024 - 00:00

Die Belugawale sind die touristischen Stars von Churchill – auf Kajaktouren kommen Besucher den Tieren ziemlich nahe. 
Die Belugawale sind die touristischen Stars von Churchill – auf Kajaktouren kommen Besucher den Tieren ziemlich nahe. 
Bild: Travel Manitoba

Weisswale könnten nach Eisbären zum neuen Touristenmagnet für die Stadt Churchill werden. Dennoch warnen Forscher, dass auch Weisswale nicht vor Klimafolgen sicher seien.

DPA, AP/tcar

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  • An der Hudson Bay in Kanada sorgen Weisswale für Begeisterung bei Einheimischen und Touristen.
  • Da der Eisbärenbestand zurückgeht, sollen jetzt vermehrt die Weisswale die Touristen anlocken.
  • Dafür müssen die Meeressäuger aber die Temperaturveränderungen am Rande der Arktis überleben.

Bis zu 4000 Weisswale, auch Belugawale genannt, sind manchmal an der Hudson Bay zu sehen. Dort, wo der Churchill River sich in die Meeresbucht ergiesst, nähern sich die lauten, neugierigen und verspielten Wesen ohne Scheu Booten jeder Grösse. Ja tatsächlich sei es in der Gegend schwer, einen Ort zu finden, wo man nicht auf Weisswale stosse, sagt die Walbiologin Valeria Vergara von der «Raincoast Conservation Foundation». Zumindest noch.

Der Stadt Churchill in Manitoba in Kanada käme es gelegen, wenn es auch weiterhin so viele Weisswale dort gäbe. In der Gemeinde, in der viele Ureinwohnerinnen und Ureinwohner leben, droht infolge des Klimawandels ein Rückgang der Eisbärenpopulation und damit auch des Tourismus. Jetzt sollen Weisswale Touristen nach Churchill locken. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Meeressäuger die Temperaturveränderungen am Rande der Arktis überleben.

Für Erin Greene haben die Tiere etwas Heilendes. Sie wurde 2013 von einem Eisbären angegriffen. Über die Details des Angriffs will sie nicht reden, aber Bürgermeister Mike Spence berichtet, dass der Bär sie sogar im Maul gehabt habe. Eine Person aus Greenes Nachbarschaft schlug mit einer Schaufel auf das Raubtier ein, eine weitere Person verjagte es mit einem Fahrzeug. Jahre nach dem Angriff habe der Kontakt mit den geselligen Weisswalen ihr geholfen, eine posttraumatische Belastungsstörung zu überwinden, sagt Greene. Heute zieht sie mit einem Paddelboard raus aufs Wasser und singt für die Wale oder mit den Tieren, die fröhliche Geräusche von sich geben. Greene verleiht auch Paddelboards an Touristen, um ihnen die gleiche Erfahrung zu ermöglichen.

Macht den Menschen viel Freude

«Ich habe noch nie gesehen, wie ein Tier den Menschen so viel Freude bereitet hat, vielleicht mit Ausnahme von Welpen», sagt Greene. «Alle lächeln, wenn sie vom Wasser zurückkommen... Alle erleben einfach Freude. Und es sind die Wale, die dafür sorgen.»

Wenn Greene für die Weisswale singt, dann unter anderem «Yellow Submarine» von den Beatles. Aber auch einen Song aus dem Film «Eurovision Song Contest: The Story of Fire Saga» mit Schauspieler Will Ferrell, «Husavik (My Hometown)», und der Strophe «Wo die Wale leben können, weil sie sanfte Menschen sind».

Biologin Vergara glaubt, dass die Liedzeile die Realität gut widerspiegelt. «Sie haben wirklich Eigenschaften, die der menschlichen Kultur so stark ähneln», sagt sie. «Sie bilden Gemeinden und Netzwerke. Sie kooperieren und helfen beim Grossziehen ihrer Jungen. Sie sind unglaublich stimmgewaltig.»

Im Gegensatz zu Buckelwalen handele es sich bei den Äusserungen von Weisswalen nicht um Lieder mit einem Rhythmus und einem Muster, sagt Vergara. Die Rufe der Weisswale erinnerten nicht an Gesang, sondern an einen «Dschungel voller Vögel». Der Weisswal habe den Spitznamen «Kanarienvogel des Meeres».

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Die Forschung belege, dass ein Weisswal einen deutlichen Ruf habe, mit dem er kommuniziere, vergleichbar mit einem Rufnamen, sagt Vergara. Jungtiere bräuchten ein paar Jahre, um den Namen ihrer Elterntiere und ihren eigenen zu lernen. Wale, die verwandt oder Teil derselben Gruppe seien, hätten Rufe oder Namen, die sich ähnelten. So ähnlich wie ein Familienname, sagt sie.

Vergara warnt auch vor den Folgen der Erderwärmung für die Weisswale. «Das Verschwinden des Eises wird sich auf sie auswirken», sagt sie. «Wir wissen nicht, wie sie auf Veränderungen der Wassertemperatur, Veränderungen der Verfügbarkeit von Nahrung, Veränderungen der Verfügbarkeit von normaler Beute reagieren werden.»

Gefahr durch Schwertwale

Der Weisswal-Experte Pierre Richard vom Northern Studies Center in Churchill und die Meeressäuger-Wissenschaftlerin Kristin Laidre von der University of Washington warnen auch vor der Gefahr durch Schwertwale. Orcas, die Weisswale jagten, kämen immer häufiger in die Hudson Bay. Ein Rückgang des Meereises bedeute auch ein Rückgang von Verstecken für die Weisswale. Dennoch sagte Richard: «Ob Weisswale in der Hudson Bay unter diesen Veränderungen des Ökosystems leiden, ist überhaupt nicht klar.»

Weltweit soll es bis zu 200'000 Weisswale geben, die «International Union for Conservation of Nature», die eine globale Liste vom Aussterben bedrohter Spezies führt, gibt bei Weisswalen eher Entwarnung. Deshalb wird Vergara nach eigenen Angaben oft gefragt, warum sie sich nicht auf Tiere konzentriere, für die eine unmittelbare Gefahr bestehe. «Ich würde sagen, dass die Gefahr für Tierkulturen schneller passieren kann, als das Aussterben einer ganzen Spezies.» Wenn Weisswal-Teilpopulationen verschwinden, gehe auch ihre Kultur verloren. «Es ist wie der Verlust einer menschlichen Sprache oder einer menschlichen Kultur», sagt Vergara. «Wir sollten uns darüber Gedanken machen.»

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