Was haben Alain Rochat, Mathias Seger, Denise Feierabend, Martina Kocher und Matthias Sempach gemeinsam? Sie erklärten alle 2018 ihren Rücktritt vom Spitzensport. Bei blue News blicken sie zurück und erzählen, wie sie sich im Leben nach dem Sport zurechtgefunden haben.
Mathias Seger (44) bestritt von 1996 bis 2018 für Rapperswil-Jona und die ZSC Lions 1167 Spiele in der höchsten Schweizer Liga, wurde mit den ZSC Lions sechsmal Meister (2000, 2001, 2008, 2012, 2014, 2018) und gewann 2009 die Champions League sowie den Victoria Cup. Der Uzwiler ist Rekord-Nationalspieler der Schweiz (305 Länderspiele), gemeinsam mit Andres Ambühl WM-Weltrekordhalter (16 Teilnahmen) und gewann mit der Schweiz 2013 WM-Silber. Seger war über viele Jahre Captain der Nationalmannschaft und der ZSC Lions. 2020 wurde er in die Hall of Fame der IIHF aufgenommen.
Heute ist er Hausmann, in der Geschäftsführung eines Bistros und im Verwaltungsrat einer Brauerei.
«Ich hatte das grosse Glück, dass ich mit einem Meistertitel abtreten konnte. Das war ein grossartiges Gefühl und hat es für mich wesentlich einfacher gemacht.
Nach dem Titelgewinn gegen Lugano feierte ich zwei Tage mehr oder weniger durch und danach sass ich schon im Flugzeug, da wir für drei Monate in die Familienferien nach Australien verreisten. Es ging alles so schnell und plötzlich war ich so weit weg von allem und es war irgendwie überhaupt nicht mehr präsent, dass soeben meine Karriere als Eishockeyspieler zu Ende gegangen ist.
Ich hatte durchaus Respekt davor, wie das dann im Leben danach sein würde. Es bestand zwar eine Vorfreude auf diesen neuen Lebensabschnitt, aber etwas unsicher war ich dennoch.
Denn so eine Sportkarriere ist halt schon ein riesiges Highlight. Du hast das gemacht, was du von Kind an geliebt hast, all die Jahre hast du nichts anderes gekannt und dann fällt das plötzlich weg. Und du weisst auch, dass du in deiner Nachkarriere so etwas, mit all diesen Emotionen, nicht mehr erleben wirst. Dieses Bewusstsein hat mich schon ein wenig wehmütig gemacht.
In ein Loch bin ich jedoch nicht gefallen. Zum einen erfolgte mein Rücktritt nicht abrupt, sondern war schon länger geplant. Und dann war da ja diese wunderbare Reise nach Australien gleich im Anschluss, auf der wir als Familie so viele Eindrücke erleben und Emotionen miteinander teilen durften.
«Der Halt der Familie hat sicher geholfen»
Aber auch nach der Rückkehr in die Schweiz hatte ich keine Probleme. Denn die Tagesstruktur als Familie, mit den Kindern, war schon zuvor da und an dieser hatte sich durch meinen Rücktritt auch nichts geändert. Dieser Halt der Familie, der schon immer da war, hat sicher geholfen, dass es bei mir nicht gerade von Hundert auf null runterging.
Meine Frau hat mich während meiner Sportkarriere stets enorm unterstützt und selbst musste sie in dieser Zeit immer zurückstecken. Deshalb war es bei uns so klar, dass sie sich nach meinem Rücktritt dann beruflich verwirklichen kann und ich zum Hausmann werde. Mein Ende als Eishockeyspieler hat somit bedeutet, dass wir unsere Rollen getauscht haben. Das funktioniert bis heute gut. Neben den eigenen Kids betreue ich zum Teil auch noch einige andere Kinder.
Im Lauf der letzten drei Jahre sind die Kinder selbstständiger geworden. Dies ermöglicht es mir, dass ich mich vermehrt noch einigen anderen Projekten widmen kann. Das sind Sachen, die sich ergeben haben und mir viel Spass machen. Zum einen bin ich Verwaltungsrat der Brauerei Oerlikon. Das Bier wird lokal und von Hand gebraut. Zudem bin ich beim im September eröffneten Venus Bistro in Oerlikon Teil der Geschäftsführung.
«Ich halte mich im Hintergrund auf, bin eher der Hauswart»
Wir haben im Lokal alles selbst umgebaut und ich habe den Umbau geleitet. Restaurieren, umbauen oder reparieren hat mir schon immer sehr viel Freude gemacht. Das Venus Bistro ist ein Low-Budget-Projekt von acht Personen, die mit grossem Herzblut bei der Sache sind, es gab ein Crowdfunding und es haben bei der Entstehung auch viele Freiwillige mitgeholfen. Die Hauptmotivation war es, einen Treffpunkt für das Quartier zu schaffen. Diese gehen in den Städten, nachdem Gastronomie-Ketten die Oberhand gewonnen haben, immer mehr verloren.»
Obwohl es wegen der Corona-Krise derzeit sicher nicht einfach ist und unter anderem auch diverse geplante Weihnachtsfeiern storniert worden sind, können wir nicht klagen und sind zufrieden, wie es bis jetzt läuft. Es ist wirklich etwas Lässiges entstanden. Man spürt, dass es die Quartierbewohner sehr schätzen, dass es das Venus Bistro gibt. Im gastronomischen Tagesgeschäft halte ich mich hauptsächlich im Hintergrund auf, ich bin eher der Hauswart des Lokals.
Was ich aus meiner Zeit als Eishockeyspieler ganz und gar nicht vermisse, sind die Krafträume. Auch das Spielen vor Zuschauern fehlt mir nicht, aber dafür das Teamleben. Gemeinsam für eine Sache zu kämpfen, es daneben zusammen aber auch lustig zu haben und die Sprüche in der Kabine – das werde ich in dieser Form nie mehr haben.
«Man sucht andere Wege, um ein neues Team zu finden – bei mir war es die Brauerei Oerlikon»
Vielleicht sucht man dann andere Wege, um ein neues Team zu finden, wo Leute für das Gleiche einstehen. Bei mir wurde damals dann rasch einmal die Brauerei Oerlikon zu meinem Ersatzteam. Ein junges Unternehmen, in dem alle für das gleiche Ziel arbeiten und extrem motiviert sind.
An den Heimspielen der ZSC Lions bin ich regelmässig als Zuschauer dabei. Und auch mit vielen Hockeykollegen von früher bin ich noch immer verbunden. Wenn man jemanden aus dieser gemeinsamen Zeit trifft, dann ist man sogleich wieder auf der gleichen Wellenlänge und das ist wirklich schön. Durch den Sport entstehen Verbindungen, die ein Leben lang bleiben.
Bei den ZSC Lions engagiere ich mich als Trainer der Eishockeyschule. Die kleinen Kinder haben auf dem Eis so viel Freude und machen enorm schnell Fortschritte – das alles zu sehen, ist toll. Aber Ambitionen für eine Trainerkarriere habe ich nicht. Man sollte zwar niemals nie sagen, aber im Moment wäre das für mich auch gar nicht möglich.»