EM 2024 Stephan Lichtsteiner nimmt die Nati unter die Lupe

sda

12.6.2024 - 11:00

Zubi zum Rasen-Zoff: «Ein riesiger Fehler in der Vorbereitung»

Zubi zum Rasen-Zoff: «Ein riesiger Fehler in der Vorbereitung»

Der kürzlich verlegte Rollrasen im Stadion auf der Waldau entspricht nicht den Ansprüchen der Schweizer Nati. blue Sport Experte Pascal Zuberbühler macht keinen Hehl daraus, was er davon hält.

11.06.2024

An fünf EM- und WM-Endrunden hat Stephan Lichtsteiner für die Schweiz verteidigt. Nun nimmt der langjährige Captain der SFV-Auswahl für die Nachrichtenagentur Keystone-SDA eine Standortbestimmung vor.

Keystone-SDA, sda

Keine Zeit? blue Sport fasst für dich zusammen

  • Für Ex-Nati-Captain Stephan Lichtsteiner ist es wichtig, grosse Ziele zu setzten. Dies gilt auch für die Nati an der EM 2024.
  • «Ab und zu scheitert man halt mal. Aber in der Regel zahlt es sich aus, in dieser Grössenordnung zu denken.»
  • Nuancen würden über Sieg oder Niederlage entscheiden. «Eine kleine Unachtsamkeit, ein Fehler, und schon ist man in Rücklage.»

Lichtsteiner kennt die Agenda der Nationalspieler selbstredend. Er weiss aus mehrjähriger Turniererfahrung, wie es sich anfühlt, nach einer langen Klub-Saison ins Camp der Landesauswahl einzurücken: «Nach einem Frühling mit erfüllten oder verpassten Zielen folgt oft ein kleiner Taucher, eine Pause, jeder fährt ein bisschen runter. Es ist nicht immer einfach, die Spannung wieder auf den Punkt aufzubauen, dem System den nötigen Strom zuzuführen.»

Er habe es deshalb immer goutiert, die Erwartungen hoch anzusetzen. «Ich bin ein Fan davon, die Ziele klar zu formulieren. Ziele sollen eine Herausforderung sein», so der siebenfache Serie-A-Champion. «Ab und zu scheitert man halt mal. Aber in der Regel zahlt es sich aus, in dieser Grössenordnung zu denken.» Mit der gesteigerten Erwartungshaltung könne die Nationalmannschaft umgehen, sie habe sich diese positive Ausgangslage aufgebaut. «Die Fans erwarten seit Jahren viel, weil das Team eben auch seit Jahren Erfolge vorzuweisen hat.»

Der 108-fache Internationale Stephan Lichtsteiner war vor Granit Xhaka Captain der Schweizer Nationalmannschaft.
Der 108-fache Internationale Stephan Lichtsteiner war vor Granit Xhaka Captain der Schweizer Nationalmannschaft.
Keystone

Der inzwischen 40-jährige Ex-Aussenverteidiger kennt indes den schmalen Grat. Auf EM- und WM-Niveau entscheiden Nuancen über den weiteren Weg. «Eine kleine Unachtsamkeit, ein Fehler, und schon ist man in Rücklage.» Manchmal sei ein Wimpernschlag ausschlaggebend, so der frühere Juventus-Profi. «Wir waren oft nahe dran am Viertelfinal. Gegen Argentinien kam das Out erst in der Verlängerung (WM 2014), gegen Polen im Penaltyschiessen (EM 2016), gegen Schweden hätten wir 2018 gewinnen können.» Lichtsteiner spricht von «Episoden, von Augenblicken, die alles verändern können».

«Aber wichtig ist es, immer wieder in solchen grossen Spielen zu sein, regelmässig in den Achtelfinal vorzustossen. Wenn du immer alles machst, um besser zu sein, dann kippt das Glück, der Erfolg eben auch mal auf deine Seite», ist der frühere SFV-Wortführer überzeugt. «Ich selber habe 17 Trophäen geholt, aber eben auch zwei Champions-League-Finals verloren, einen UEFA-Cup-Final, zwei Super-Cup-Finals, einen italienischen Cupfinal, den Schweizer Cupfinal.»

Auf sich selber schauen

Nicht immer rolle der Ball wunschgemäss, ab und an könne es auch so laufen wie in Katar – die Schweiz verabschiedete sich im Winter 2022 mit einem 1:6-Debakel gegen Portugal durch die Hintertür. Lichtsteiner will diesen Absturz nicht überbewerten: «Dort ging wirklich alles schief. Im Sport gehört dazu, solche Dinge zu verarbeiten.» Auch die diversen Unebenheiten im Verlauf der aktuellen EM-Kampagne sind für den Ex-Capitano kein Grund, alles infrage zu stellen: «Es gab auch in der Vergangenheit zähflüssige Qualifikationsphasen. Wichtig ist, dass man die Fehler sauber analysiert. Das hilft, um wach zu bleiben.»

Die offene Zukunft von Murat Yakin sei innerhalb der Mannschaft kaum ein zentrales Thema, vermutet der FCB-Nachwuchstrainer Lichtsteiner: «Letztlich geht es um den maximalen Erfolg an der EM. Die Jungs sind total auf die Gruppe fokussiert. Jeder Spieler brennt für den nächsten Sieg. Mit der Zukunft des Trainers beschäftigt sich während des Turniers keiner.»

Auf die Kontrahenten in der Gruppenphase geht der künftige Wettswil-Bonstetten-Coach nicht im Detail ein. Ungarn und Schottland, beide seit einer gefühlten Ewigkeit an WM-Endrunden nicht mehr vertreten, inzwischen aber wieder regelmässig auf EM-Niveau aktiv, seien nicht zu unterschätzen. «Nichts ist einfach, die anderen Nationen schlafen nicht. Deutschland ist wieder an einem Punkt angelangt, an dem sie mit den Grossen mitspielen können.» Die Schweiz sei «von den Einzelspielern her top besetzt – sie muss auf sich selber schauen und ihre Erfahrung an Turnieren ausspielen».

Captain im Fokus

Unbestrittener Anführer und Leitfigur ist auch für Beobachter Lichtsteiner Granit Xhaka. «Seit Jahren performt er auf ganz hohem Level. Jetzt klappte es auch mit dem Titelgewinn. Solche Momente sind die Krönung der Karriere. Das wird ihm unfassbar viel Selbstvertrauen geben. Wer Titel gewinnt, ist in den Büchern», meldet der Mann mit acht Meister- und fünf Cup-Trophäen auf der Visitenkarte.

«Granit ist seit Jahren das Herz. Aber es ist nicht nur Granit, man muss als Mannschaft weiter zulegen, zusammenarbeiten. Es ist ein Teamsport!» Während 108 Länderspielen lebte Lichtsteiner selber vor, was er sich nun von seinen Nachfolgern wünscht: «Eines Tages wird auch die aktuelle Generation abtreten. Dann wird es wichtig sein, das Winner-Gen, das Leadership-Gen weiterzugeben, damit auch die nächsten Jahrgänge fähig sind, diese Konstanz, diese Erfolge zu garantieren.»

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