Anfang Monat fand die Investorensuche der Grasshoppers endlich ein Ende, eine Firma aus Hongkong hat den Zürcher Klub übernommen. Schon vor elf Jahren suchte GC einen neuen Besitzer – und wurde beinahe von einem Typen, der sich als Saddam Husseins Sohn ausgab, übers Ohr gehauen. Ein Rückblick.
Wir schreiben den 27. April 2009. Der Schweizer Rekordmeister GC, zu dieser Zeit geplagt von Geldproblemen, versendet eine Medienmitteilung. Darin steht: «Im Rahmen der Investorensuche befindet sich der Verwaltungsrat der Neue Grasshopper Fussball AG derzeit mit verschiedenen Interessenten in Detailabklärungen.»
Einer dieser Interessenten ist Volker Eckel. Laut eigener Aussage ist er ein unehelicher Sohn der iranischen Prinzessin Lolowah und dem irakischen Diktator Saddam Hussein. Und stinkreich. Eckel, als Adoptivkind in Deutschland aufgewachsen, hat wegen seiner Herkunft auch einen arabischen Namen: Prinz Mohammed al-Faisal. Er will mit 300 Millionen Franken bei GC einsteigen. Was schon jetzt ziemlich absurd klingt, sollte letztlich zur vielleicht peinlichsten Episode im Schweizer Fussball werden.
Fünf Tage vor dem GC-Communiqué findet im Zürcher Luxushotel «Baur au Lac» ein Treffen zwischen den damaligen GC-Bossen Heinz Spross und Erich Vogel mit Volker Eckel statt. An jenem 22. April 2009 soll der unglaubliche 300-Millionen-Deal, der die Hoppers nicht nur von allen finanziellen Kopfschmerzen befreien, sondern schon fast zu einem Top-Klub Europas machen würde, über die Bühne gehen. Mit dabei im «Baur au Lac» ist auch ein «Blick»-Jorunalist – undercover. Er wurde kurz zuvor von zwei Gesandten des angeblichen Scheichs darüber informiert. Die beiden sollen sich für die Information von den Reportern einen Blumenstrauss und ein Parfüm vertraglich zugesichert haben – als Geste für Scheich Eckel und dessen Gattin, weil das im arabischen Raum so üblich sei.
Tatsächlich setzt Eckel alias Prinz Mohammed al-Faisal an jenem Abend seine Unterschrift unter den Vertrag – und verspricht den Hoppers damit sozusagen 300 Millionen Franken.
«Der grosse Bluff»
Dem «Blick» ist die ganze Sache so suspekt, dass er (noch) darauf verzichtet, darüber zu berichten. Vielleicht auch, weil Eckel die Geschichte unbedingt publik machen will. Er fordert, dass der Reporter am nächsten Tag beim Spiel gegen Vaduz neben ihm in der GC-Loge Platz nimmt. Und dass ein Fotograf ihn bei der Ankunft im Letzigrund dazu bringen soll, der Welt vom 300-Millionen-Vertrag zu erzählen. Der «Blick» lehnt ab. Während Eckel mit seiner Entourage tatsächlich in der GC-Loge sitzt, laufen die Recherchen beim Boulevard-Blatt auf Hochtouren. Wer ist dieser dubiose Mann, der vorgibt, ein arabischer Scheich zu sein? Und warum will er so viel Geld in die Grasshoppers investieren?
Am 29. April, zwei Tage nach der Medienmitteilung der Grasshoppers, lässt der «Blick» Eckel auffliegen. «Der grosse Bluff» lautet die Überschrift des Artikels, in dem zu lesen ist, dass Eckels auf dem Vertrag angegebene Wohnadresse in Frauenfeld gar nicht existiert. Ausserdem hat die Redaktion ein Fax aus Deutschland erhalten, das beweisen soll, dass der vermeintliche Scheich nicht stinkreich, sondern pleite ist. Mehrere Insolvenzverfahren sollen gegen ihn laufen und er habe 30'000 Franken Schulden.
Volker Eckel reagiert in einem Interview mit «Radio 24» auf die Vorwürfe. «Morgen wird eine Bestätigung rausgehen, dass GC voll und ganz hinter mir steht. Ich habe der GC-Spitze eine Bankbestätigung vorgelegt», sagt er. Er hätte auch die AS Roma kaufen können, aber der italienische Fussball liege ihm nicht. «GC liegt mir am Herzen. Wir wollen den Klub wieder dorthin bringen, wo er hingehört, an die Spitze der Schweizer Meisterschaft und in die Champions League.»
Ein Märchen aus «Tausendundeiner Nacht»
Eckel scheint sich in einer Traumwelt zu befinden, denn am 30. April gibt auch GC den letzten Funken Hoffnung auf, dass in dem dubiosen Mann, der kein Arabisch spricht und Saudi-Arabien kaum von Dubai unterscheiden kann, tatsächlich ein Scheich aus dem Nahen Osten steckt. Erich Vogel gibt auf einer Pressekonferenz zu, dass die Hoppers auf einen Hochstapler mit gefälschten Dokumenten reingefallen sind. Man habe etwas tun müssen, weil erste Sponsoren schon nachgefragt hätten, ob sie aussteigen könnten. «Es ist ein Märchen aus ‹Tausendundeiner Nacht›», sagt Vogel und meint, dass das Angebot zu verlockend gewesen sei, um es nicht zu prüfen.
Nur einer ist noch immer davon überzeugt, dass Volker Eckel ein milliardenschwerer Thronfolger aus dem arabischen Raum ist – Volker Eckel selbst. In einer «SRF»-Reportage versucht er noch Monate nach dem Treffen im «Baur au Lac» zu beweisen, dass er kein Hochstapler und tatsächlich der uneheliche Sohn Saddam Husseins ist.
Erst fünfeinhalb Jahre später wird er demselben «SRF»-Reporter gestehen, dass die Scheich-Sache erstunken und erlogen war: «Ich war nicht mehr in der Realität, ich konnte es auch nicht mehr steuern. Heute muss ich selber den Kopf schütteln, ich schäme mich auch dafür.» Eckel sagt, dass er am Ende froh gewesen sei, dass die Geschichte vorbei war. Er habe gehofft, festgenommen zu werden.
Das passiert dann auch. Am 2. Mai 2012 verurteilt das Landgericht Rottweil den damals 46-jährigen Hochstapler, der neben GC auch seine «Angestellten» und den Kanton Thurgau an der Nase herumführte, wegen Betrugs in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren. Der Richter anerkennt beim Angeklagten eine gesundheitlich bedingte verminderte Steuerungsfähigkeit, was zu einer Minderung der Strafe führt. Eckel habe glaubhaft machen können, dass er nicht mehr zwischen seiner wahren und der erfundenen Lebensgeschichte unterscheiden konnte.
28 Monate verbringt er im Gefängnis. «Ich habe die Geburt meiner Tochter verpasst und hatte während der Zeit in Haft zwei Herz-Operationen», sagt Eckel rund sechs Jahre, nachdem er die Fussball-Schweiz narrte. Ausserdem erkrankte er im Gefängnis an Krebs. «Ich habe genug gebüsst», meint er. Ein schlechtes Gewissen habe er nicht. «Ich habe meine Strafe abgesessen und habe nie jemanden zu irgendetwas genötigt. Ich habe nie jemanden gezwungen, etwas zu unterschreiben.»
Als Teenager hatte Eckel einen Mord gestanden
Nach und nach wird klarer, was Volker Eckel wirklich wollte. Es war nicht Reichtum, sondern Aufmerksamkeit. Er wollte jemand sein, über den man spricht. Und das schon in jungen Jahren. Der «Spiegel» berichtet Jahre nach der GC-Geschichte, dass Eckel mit 19 Jahren sich bei der Polizei meldete und einen Mord gestand, obwohl er unschuldig war. Nur, um die Aufmerksamkeit, die man ihm schenkte, zu geniessen. Als potenzieller Mörder bedeutend zu sein, sei «ein wunderbares Gefühl» gewesen, habe er gesagt. Vom Mord, der in der Nähe seines Wohnorts geschah, hatte er in der Zeitung gelesen. Ein Jahr verbrachte er damals in Untersuchungshaft, bis sich seine Unschuld erwies.
Die Schweiz muss Volker Eckel übrigens Anfang 2010 verlassen. Das Migrationsamt hat die Niederlassungsbewilligung, die er sich mit seiner Scheich-Geschichte in nur wenigen Tagen ergaunerte, widerrufen und ihn des Landes verwiesen. Heute wohnt Eckel wieder in Deutschland, er lebt von Hartz IV. Der Mann, der GC vor elf Jahren 300 Millionen Franken versprach, bekommt heute ein paar Hundert Euro im Monat – und sagt: «Das reicht, um glücklich zu sein.»
Dieser Artikel erschien erstmals am 19. Dezember 2019 im Rahmen der «Bluewin»-Serie über Hochstapler im Fussball.