Qualität, Erfahrung, Form und Selbstvertrauen: Selten waren die Voraussetzungen bei der Nationalmannschaft für eine erfolgreiche WM so gut wie 2022. In Katar will die Schweiz Historisches schaffen.
13 Jahre ist her, als Granit Xhaka, Ricardo Rodriguez und Haris Seferovic in Nigeria sensationell den U17-Weltmeistertitel mit der Schweiz errangen. Eine Altersstufe oberhalb schnürte 2009 Xherdan Shaqiri die Senkel, zusammen mit Spielern wie Michael Lang und Admir Mehmedi in der U18, die im Nationalteam inzwischen von der jüngeren Konkurrenz verdrängt wurden. Auch die Spätzünder Fabian Schär und Renato Steffen gehören wie Shaqiri zum Jahrgang 1991.
2022 sind Xhaka und Co. Profis von internationalem Format. Sie haben sich im oberen europäischen Fussballsegment etabliert und bringen das Rüstzeug mit für eine erfolgreiche Weltmeisterschaft in Katar. Sie sind um die 30 Jahre alt und damit in einem Alter, das eine gute Kombination aus ausgereifter Qualität und viel Erfahrung ergibt. Und es gibt grosse Persönlichkeiten in der Mannschaft. Ja, das Nationalteam scheint in einer Verfassung für einen WM-Coup.
Stammgast an den Endrunden
Seit 2004 hat sich die Schweizer Nationalmannschaft mit einer einzigen Ausnahme (EM 2012) für jede WM- und EM-Endrunde qualifiziert. Allein das ist eine aussergewöhnliche Leistung für ein kleines Land wie die Schweiz. Wobei jene Dynamik, die das Nationalteam in den letzten Jahren entwickelte, erst durch Spieler wie Xhaka möglich wurde – durch Typen, die das Selbstvertrauen nicht nur vorspielen, sondern vorleben.
Schon 2006 trat die Schweiz an der WM in Deutschland mit einer aussergewöhnlich gut besetzten Mannschaft an, in der Johann Vogel die Fäden zog und Alex Frei die Tore schoss. Schon damals standen die meisten Spieler bei renommierten Klubs aus den besten europäischen Ligen unter Vertrag. An die Erfahrung der Schweizer WM-Equipe 2022, deren Kern in Katar die fünfte gemeinsame Endrunde bestreitet und die an der EM 2021 die magische Achtelfinal-Hürde knackte, kommt die 2006er-Mannschaft aber nicht heran.
Vor 16 Jahren war Vogel mit 82 Länderspielen der Erfahrenste, gefolgt von Raphaël Wicky und Patrick Müller mit 64 respektive 62 Spielen. 2022 weisen drei Spieler (Shaqiri/108, Xhaka/106 und Rodriguez/100) dreistellige Werte vor, Haris Seferovic (88) ebenfalls mehr als Vogel und viele andere WM-Fahrer über 50 Spiele.
Vielversprechender Mix
Die Erfahrung zeichne die jetzige Nationalmannschaft am meisten aus, sagt Teamdirektor Pierluigi Tami. Doch nicht nur das lässt die SFV-Auswahl träumen. «Die Mannschaft hat einen tollen Spirit», sagt Trainer Murat Yakin, der nach dem bierernsten Vladimir Petkovic eine wohltuende Lockerheit in die Mannschaft brachte. «Man spürt, dass die Spieler gerne zusammen sind», schildert Tami. Als «geile Truppe» bezeichnet Captain Xhaka das Ensemble. Nicht zuletzt und trotz des 0:2 im Test gegen Ghana stimmt die aktuelle Verfassung: «Spieler und Mannschaft waren selten so in Topform wie jetzt», findet Xhaka.
Nicht nur, aber auch angesichts der sportlichen Chance kann der erfolgshungrigen Mannschaft bei aller berechtigter Kritik am WM-Gastgeberland nicht verübelt werden, dass sie die Nebengeräusche während dem Turnier weitestgehend ausblenden will und den Ball in diesem Thema dem Verband überlässt. Zumal der Grat zwischen Erfolg und Misserfolg schmal ist, besonders in der kniffligen Gruppe mit WM-Favorit Brasilien, gefährlichem Serbien und unberechenbarem Kamerun.