Leader und Lebensretter Die grosse EM von Dänemarks Captain Simon Kjaer

sda

7.7.2021 - 05:46

Simon Kjaer führt Dänemark in die Halbfinals. Seit er im ersten Spiel dem Kollegen Christian Eriksen das Leben gerettet hat, gilt er überall als Held. In Dänemark verehren sie ihn schon länger.

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Der italienische Journalist Alberto Cerruti, eine der Edelfedern der «Gazzetta dello Sport», forderte dieser Tage: «Pallone d'Oro per Kjaer!». In seinen Augen gehört in diesem Jahr der Titel des Weltfussballers dem dänischen Captain Simon Kjaer. Natürlich: Cerruti verfolgt als Mailänder die Geschehnisse rund um die AC Milan, wo Kjaer seit anderthalb Jahren den herausragenden Abwehrchef gibt. Und natürlich: Die ganze Welt hat gesehen, wie Kjaer im ersten EM-Spiel seinem kollabierten Teamkollegen Christian Eriksen mit Erste-Hilfe-Massnahmen das Leben gerettet hat.



«Pallone d'Oro per Kjaer»? Warum eigentlich nicht? Während Cristiano Ronaldo, Robert Lewandowski oder Kylian Mbappé längst ausgeschieden sind, tritt der 31-jährige Kjaer an dieser EM so auf, wie es sich für einen Weltfussballer gehört. Er spielt ohne Fehl und Tadel, er zeigte sich in einer äusserst ungewöhnlichen Situation mutig und zielstrebig, er ist der Kopf einer Truppe, die es entgegen der Erwartung aller unter die Top 4 des wichtigsten Wettbewerbs des Jahres geschafft hat.

Die Dänen hätten Kjaer ohnehin schon längst einen Preis verliehen. Im Land der Torschützenkönige Preben Elkjär-Larsen und Allan Simonsen, der Offensiv-Stars Michael und Brian Laudrup, der Mittelfeld-Grössen Sören Lerby und Frank Arnesen oder der Torhüter-Legende Peter Schmeichel, im Land von «Danish Dynamite» und der Europameister von 1992 besetzt der noch immer titellose Kjaer längst ganz vorne einen Platz in der Hall of Fame.



Privatjet für den Mitspieler

Trainer, Mitspieler und Fans verehren Kjaer nämlich gleichermassen, weil er bekannt ist für sein loyales Auftreten, seine Kameradschaft und Empathie. Als etwa an der WM 2018 der Ergänzungsspieler Jonas Knudsen, der als Spieler von Malmö kein Fussball-Millionär ist, Vater wurde, bezahlte ihm Kjaer einen Privatjet nach Dänemark, um die Frau und das Neugeborene zu besuchen. Als ihn der frühere Nationalcoach Age Hareide 2016 zum Captain machte, begründete er dies so: «Es braucht ein bisschen Verrücktheit in einem Spieler. Es ist die Verrücktheit, die Mitspieler zum Siegen zu bringen. Simon trägt diese Verrücktheit in sich.»

Seit Kjaer Captain ist, gewinnt das Team tatsächlich wieder. Die WM 2014 und die EM 2016 hatten die Dänen verpasst. Aber an der WM 2018 scheiterten sie in den Achtelfinals erst im Penaltyschiessen am späteren Finalisten Kroatien, und an der EM 2021 stehen sie in den Halbfinals. Kjaer hat in dieser Zeit keines der 29 Endrunden- und Qualifikationsspiele verpasst. Mittlerweile hat er 112 Länderspiele absolviert, nur noch 17 fehlen bis zum Rekord von Peter Schmeichel.



9 Klubs in 14 Jahren

Die Konstanz im Nationalteam korrespondiert derweil nicht so richtig mit der Karriere auf Klubebene. Zwar hat Kjaer in vier der fünf europäischen Top-Ligen gespielt, aber so richtig glücklich und sesshaft ist er nirgends geworden. In 14 Jahren als Profi hat er in neun Vereinen und sechs Ländern angeheuert. Beim dänischen Klub Midtjylland sagten sie einst, er habe nur einen Vertrag bekommen, weil sein Vater dort Materialwart war. In Wolfsburg setzte ihn Trainer Felix Magath monatelang auf die Tribüne. Bei der AS Roma, bei Lille, beim FC Sevilla und bei Fenerbahce Istanbul blieb er nicht länger als zwei Jahre. Bei Atalanta Bergamo schoben sie ihn sogar bereits nach sechs Monaten wieder ab.

Doch parallel zum Höhenflug mit der dänischen Nationalmannschaft scheint Kjaer nun auch im Klub sein Glück gefunden zu haben. Milans Aufschwung vom Mittelfeldklub bis auf Platz 2 der Serie A ist eng verbunden mit dem Engagement von Kjaer im Januar 2020. In Mailand hat Kjaer noch einen Vertrag für ein Jahr. Spieler und Klub haben die Absicht, über den Sommer 2022 hinaus zusammenzuarbeiten. Kjaer will in Mailand seine Karriere beenden. Diese Zukunftspläne machen Kjaer für Alberto Cerruti zum «Pallone d'Oro», zum Weltfussballer. Aber ganz bestimmt nicht nur sie.

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