Die WM hat mit der Niederlage von Deutschland gegen Mexiko ihre erste dicke Überraschung. Die Alarmglocken im Weltmeisterland läuten, schon am Samstag folgt ein «Endspiel» gegen Schweden. Unser Fussball-Experte Marcel Reif analysiert das Geschehene.
Marcel Reif, die WM ist nun vier Tage alt, was war das Beste, das Sie bisher gesehen haben?
Ohne Frage: Spanien gegen Portugal. Beide wollten zeigen, dass sie gut Fussballspielen können und nicht, dass sie ein Spiel verhindern können. Das war eigentlich kein Vorrundenspiel. So wird Fussball in zwei Wochen aussehen. Im Moment versuchen die Kleinen, ihre ‘Spiele des Jahrhunderts’ zu liefern und einen Exploit zu landen. Und die Grossen müssen sich da durchquälen.
Ein Satz zu Ronaldos Auftritt bitte?
Ich mag ihn nicht. Gegen Spanien hab ich ihn geliebt. Ich mag ihn dann später wieder nicht.
Die grösste Enttäuschung des bisherigen Turniers?
Ganz klar: Deutschland.
Was ist mit dem Weltmeister los?
Müde, alt, schwer, uninspiriert. Alles was du nicht erwarten wolltest, aber du wusstest, dass es ein Risiko ist, ist nun eingetroffen. Es sind acht Weltmeister auf dem Platz – und die sind halt schon einmal Weltmeister geworden. Die anderen Teams scheinen hungriger zu sein. Der Kader ist zwar besser als vor vier Jahren, aber das Problem ist die Einstellung. Amtierende Weltmeister hatten es in jüngster Vergangenheit immer schwer. Frankreich 2002, Italien 2010 oder Spanien 2014 scheiterten als Titelhalter jeweils in der Vorrunde. Wenn du Weltmeister bist, gibt es an diesem Turnier nicht mehr viel, das du gewinnen kannst. Das kann dann auch mal ein Problem sein.
Was muss Jogi Löw ändern, um das Ruder herumzureissen?
Noch ist alles möglich, das sind ja alles tolle Fussballer. Aber die Einstellung muss sich ändern. Nach einem Zweikampf kannst du nicht einfach liegenbleiben oder dich beschweren. Natürlich muss sich auch taktisch etwas ändern. Thomas Müller rechts zu parken, bringt nichts. Özil ist nicht existent. Da müsste wohl eher Reus eine Chance erhalten. Taktik und Einstellung müssen sich ändern, aber ich mache mir Sorgen, ob das gelingt.
Der Trainer betonte in der Vorbereitung stets die gute Stimmung und liess Kritik abperlen. Man werde wie immer bereit sein, wenn es darauf ankomme, sagte er. War das die richtige Haltung?
Vielleicht spricht Löw intern anders als nach aussen. Das wissen wir nicht. Nach Testspielen wie gegen Österreich und Saudi-Arabien ist es aber immer schwierig, etwas zu sagen. Normalerweise sind die Deutschen aber wirklich immer bereit, wenn es zählt. Am Sonntag war dies nicht der Fall.
Deutschland braucht einen Leader auf dem Platz. Wer kann diese Funktion einnehmen?
Manuel Neuer hat sicher die Qualitäten, aber du brauchst auch einen Leader auf dem Platz, nicht nur im Tor. Sami Khedira ist ein Schatten, der ist müde, dem siehst du die vielen Spiele an. Ich weiss nicht, wie er wieder zu Energie kommt. Thomas Müller ist nach einer verkorksten Saison sportlich zu sehr mit sich selbst beschäftigt, er wirkt unfroh. Toni Kroos ist ein Stiller im Lande. Mats Hummels ist ein Welterklärer, den mögen nicht alle. Die flache Hierarchie hat auch Nachteile. Plötzlich sucht man sie, die Führungsspieler. Die kannst du dir nicht backen.
Gerade Hummels übte nach dem Spiel Kritik an der eigenen Mannschaft, machte aber selbst ein schwaches Spiel. Wie glaubwürdig ist das?
Kritik ist richtig und er hat völlig recht mit dem, was er sagt. Aber er war selber überfordert und spielte grauenhaft schlecht. Da kann ich mir vorstellen, dass man ein solches, öffentlich geäussertes Feedback nicht gerne annimmt.
Hat die Debatte um Gündogan / Özil und Erdogan doch mehr geschadet als erwartet?
Ich glaube ja. Auch Manuel Neuer hat gesagt, dass dies die Mannschaft belaste. Ich wundere mich aber, dass das Team nicht von innen heraus den beiden sagte: ‘So jetzt: Hinsetzen, zugeben, entschuldigen, fertig’. Aber sowohl die Mannschaft wie die Spieler selbst, als auch der Führungsstaff haben die Sache laufenlassen und jetzt wundert man sich, dass das Thema einfach nicht verschwindet. Natürlich belastet das in der Vorbereitung. Das nervt doch jeden. Es mag nicht der Hauptgrund für die schwache Leistung gegen Mexiko sein, aber es war sicher nicht hilfreich.
Kommt Deutschland weiter?
Jetzt folgt schon ein Endspiel am Samstag gegen Schweden. Hart für Deutschland: Mexiko ist eigentlich jene Mannschaft in der Gruppe, die noch am ehesten mitspielt. Die Schweden werden sich sagen: ‘Nicht verlieren’. Gewinnen Sie heute gegen Südkorea, reicht gegen Deutschland schon fast ein Remis. Deswegen ist es ein Endspiel. Fängt sich Deutschland, ist der Fall klar. Man ist besser als Schweden, besser als Südkorea. Allerdings ist man auf dem Papier auch besser als Mexiko. Es ist alles andere als undenkbar, dass Deutschland nach der Vorrunde raus ist.
Über Marcel Reif: Marcel Reif ist ein Schweizer Sportjournalist und -kommentator, der seine frühere deutsche Staatsbürgerschaft 2013 abgelegt hat. TV-Zuschauer kennen ihn als langjährigen Fussball-Kommentator bei RTL, Sky, ZDF und Sat 1. Seit Sommer 2017 ist er für den Sport-Sender Teleclub in der Schweiz tätig und wird in der neuen Saison neben der Raiffeisen Super League auch die UEFA Champions League als Experte und Kommentor begleiten. Marcel Reif ist 68 Jahre alt, hat drei Söhne und wohnt in Rüschlikon / ZH. Er analysiert das Fussballgeschehen in loser Folge auch auf bluewin.ch
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