Trendwende? Atlanta im Fussballfieber – kommt bald der grosse Boom in den USA?

tbz

6.12.2018

Atlanta United weiss in den USA die Massen zu begeistern.
Atlanta United weiss in den USA die Massen zu begeistern.
Bild: Getty

Am Samstag findet in den USA das Finalspiel der MLS statt. In Atlanta treffen die Portland Timbers auf Atlanta United. Das Heimteam wurde erst vor zwei Jahren gegründet und zieht trotzdem bereits über 70’000 Zuschauer an ihre Heimspiele. Ist der Fussball endlich in den Staaten angekommen?

Egal ob Afrika, Südamerika, Europa oder Asien – Fussball ist fast unbestritten überall die Sportart Nummer eins. Aber ausgerechnet in den Vereinigten Staaten interessiert sich dafür kein Mensch. Nicht ganz, denn seit einiger Zeit gewinnt das runde Leder auch in den USA zunehmend an Aufmerksamkeit. Ein gutes Beispiel dafür ist die Grossstadt Atlanta.

70'000 Zuschauer

Das Mercedes Benz Stadium in Atlanta bietet Platz für 71'000 Fussballfans.
Das Mercedes Benz Stadium in Atlanta bietet Platz für 71'000 Fussballfans.
Bidl: Getty

Auf Atlanta liegt ein Fluch. Das behaupten zumindest einige der knapp sechs Millionen Einwohner. Seit dem Gewinn der Baseball-World-Series im Jahr 1995 durch die Atlanta Braves, konnte keine Sportmannschaft aus der Hauptstadt des Bundesstaats Georgia einen Titel gewinnen. Am Samstag könnte sich dies ändern – Atlanta United kann sich zum amerikanischen Fussballmeister krönen. 1995 hätte der Gewinn der amerikanischen Fussballliga, der Major League Soccer (MLS) wohl noch gar nicht als richtiger Titel gegolten. Das hat sich geändert.

Seit der Jahrtausendwende haben sich die Zuschauerzahlen im amerikanischen Fussball mehr als verdreifacht. In Atlanta ist die Begeisterung besonders gross. Obwohl der Stadtklub Atlanta United erst seit zwei Jahren in der MLS mitspielt, erscheinen bereits regelmässig über 70’000 Zuschauer im brandneuen Mercedes-Benz-Stadium. Das sind dreimal so viele wie in Basel und deutlich mehr als in Fussballhochburgen wie Liverpool oder Turin.

Spieler von Atlanta United jubeln im prall gefüllten Mercedes Benz Stadium.
Spieler von Atlanta United jubeln im prall gefüllten Mercedes Benz Stadium.
Bild: Getty

Restlos ausverkauft wird das Stadion auch diesen Samstag beim Endspiel der MLS sein. Atlanta United geht als klarer Favorit in die Partie gegen die Portland Timbers, dem Western-Conference-Sieger aus Oregon. Hoffnung gibt dem Heimteam vor allem der ehemalige YB-Akteur und Starstürmer der Mannschaft, Josef Martínez. Der Venezuelaner hat in der Regular Season mit 31 Treffern den MLS-Torrekord gebrochen. Ebenfalls für den grossen Erfolg verantwortlich ist der einstige Barcelona-Trainer Gerardo Martino. Er steht seit Aufnahme des Spielbetriebs bei Atlanta United an der Seitenlinie.

Eine Stadt, die den Fussball lebt

Entscheidend für den Gewinn der MLS dürften am Samstag aber die Fans sein. In der Stadt ist ein regelrechtes Fussballfieber ausgebrochen. «Wer hätte gedacht, dass 2018 in Atlanta mehr Fans an die Fussballspiele gehen als an die American-Football-Spiele. Es ist unglaublich», so der Präsident von Atlanta United, Darren Eales, gegenüber «AT&T». Die Unterstützung der Fans soll auch der Grundstein des Erfolgs von Atlanta United sein. Bilder, die man bisher aus der MLS kannte, von Spielen, die in fast leeren NFL-Stadien ausgetragen wurden, sollen der Vergangenheit angehören. Zumindest in Atlanta. «Wir haben die VIP-Logen hinter dem Tor unverkäuflich gemacht. Dort ist die Fankurve und den Platz brauchen die Fans für ihre Geräte und Choreos. Das ist für uns viel wichtiger», so Eales weiter.

Die Fans freuen sich und zahlen es mit ihrer Anwesenheit zurück. Auch beim Halbfinal-Rückspiel in New York wurde die Mannschaft unterstützt. Im Stadtzentrum von Atlanta fanden sich Zehntausende Fans und verfolgten das Spiel im Public Viewing. Szenen, die man eigentlich nur aus anderen Teilen der Welt kennt.

Der Einfluss Südamerikas

Entscheidenden Einfluss auf die Beliebtheit des Fussballs in den USA haben vor allem die Hispanics. In den letzten Jahrzehnten ist der Anteil der aus Mittel- und Südamerika zugewanderten Bevölkerung «explodiert». Fast jeder fünfte Amerikaner gehört dieser Bevölkerungsgruppe an. «Ein grosser Teil unserer Fans sind Hispanics», so MLS-Stratege Gabriel Gabor gegenüber dem «Guardian». «Sie sind Teil der DNA der MLS. Es ist kein Zufall, dass wir die erste Sportliga der USA sind, bei der die Angestellten fast alle neben Englisch auch Spanisch sprechen.»

In der MLS sind nicht nur viele Fans, sondern auch viele Spieler Mittel- und Südamerikanischer Herkunft. Einer, der zurzeit in den USA die Fussballfans besonders begeistert, ist allerdings kroatischer Abstammung: Christian Pulisic. Der aktuell bei Borussia Dortmund unter Vertrag stehende Offensivspieler könnte in den kommenden Jahren für den ganz grossen Fussballboom in den Staaten sorgen. Dafür wäre aber wohl ein Exploit der US-amerikanischen Nationalmannschaft an einem grossen internationalen Turnier nötig. Die Frauennationalmannschaft zählt seit Jahren zu den erfolgreichsten der Welt, doch ein Erfolg bei den Männern könnte das Feuer endgültig entfachen.

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