Über Jahre hinweg belasten Franz Beckenbauer Vorwürfe, dass es beim Erwerb der WM 2006 nicht mit rechten Dingen zugegangen sei. Ex-Fifa-Boss Sepp Blatter sagt bei blue Sport: «Die WM war nicht gekauft.»
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
- Sepp Blatter kontert im Interview mit blue Sport die Vorwürfe, dass bei der Vergabe der WM 2006 geschmiert worden sei.
- Der 87-Jährige hat eine Erklärung dafür, wieso OK-Chef Franz Beckenbauer unter Beschuss geriet: «Das ist Neid, nichts anderes als Neid.»
- Derweil zeigt sich Ciriaco Sforza überzeugt: «Dass Beckenbauers Gesundheit litt, hat sicher mit den Vorwürfen rund um 2006 zu tun.»
Es sind Vorwürfe, die Franz Beckenbauer bis zu seinem Tod zermürben: Bei der Vergabe für die WM 2006 in Deutschland soll geschmiert worden sein. «Nein», sagt Fifa-Boss Sepp Blatter im grossen Interview mit blue Sport, «die WM in Deutschland war nicht gekauft. Ganz sicher nicht.»
Im Kern geht es um eine dubiose Millionen-Zahlung nach Katar. Im Jahr 2002 nimmt Beckenbauer als OK-Chef der WM ein Darlehen auf. Es ist in der Höhe von 10 Millionen Franken und stammt vom ehemaligen Adidas-Besitzer Robert Louis-Dreyfus (†63).
Ein paar Jahre später fliesst das Geld zurück – vom DFB über die Fifa. Blatter erklärt, das Organisationskomitee habe der Fifa eine Millionensumme schicken wollen, «die wir als Fifa weiterleiten sollen auf ein anderes Konto. Wir haben diskutiert, aber wenn wir nur eine Dienstleistung für den nationalen Verband machen sollen, dann machen wir das. Dann haben wir das Geld auf das Konto von Robert Louis-Dreyfus überwiesen. Damit war es für uns erledigt. Wir hatten keine Ahnung, was danach noch gegangen ist.»
Bestechungsvorwürfe stehen bis heute im Raum
Von dort geht das Geld dann an ein Firmenkonglomerat in Katar. Dessen Chef: Mohammed bin Hammam (74), damaliger Fifa-Vizepräsident. Bis heute ist unklar, wofür genau der Katari die Millionen bekam. Es existieren mehrere Theorien, wer damit wen wofür kaufte.
Eine Theorie vom ehemaligen DFB-Präsident Theo Zwanziger ist, dass ein gewisser Charles Dempsey mit einem Teil davon (250'000 Dollar) bestochen worden sei. Das Exekutiv-Komitee-Mitglied war bei der WM-Vergabe aufgestanden, um den Raum zu verlassen. Deutschland bekam mit einer Stimme Vorsprung den Zuschlag vor Südafrika.
Beckenbauer damals: «Eigentlich hat das ja uns geschadet. Dempsey wollte für uns stimmen. Wir haben ihn öfters in seiner Heimat Neuseeland besucht und er hat uns versprochen, seine Stimme uns zu geben. Er wurde da aber heftig unter Druck gesetzt. Von seiner eigenen Regierung. Dann hat er sich so entschieden, nicht abzustimmen.»
Alles nur Neid?
Nun: Juristisch ist der Fall 2020 als verjährt eingestellt worden, die Vorwürfe gingen Beckenbauer aber immer nah. Er sagt 2012 im Blick-Interview: «Das ist der grösste Quatsch des Jahrhunderts. Es gab und gibt nichts aufzudecken bei der Bewerbung 2006. Mir geht dieser Käse auf den Geist.»
Blatter sagt heute: «Wir leben in einer Welt, die einen grossen Schaden hat. In einem Wort: Neid. Der Neid der Mitmenschen ist eigentlich Gradmesser deines Erfolgs. Plötzlich hatte er Neider. Wenn er keine Neider gehabt hätte, würde man nun nicht im Fernsehen böse Sachen zeigen. Das ist Neid, nichts anderes als Neid. Anstatt, dass man sagt: Okay, Franz war ein Grosser, er hatte menschliche Fehler wie jeder. Wer keinen Fehler gemacht hat, der werfe den ersten Stein.»
Ciriaco Sforza glaubt: «Der Umgang mit ihm in den letzten Jahren war hart. Bis 2006 war er der König von Deutschland. Alle schauten zu ihm hoch. Dann ist es nicht schön, auch für einen Menschen wie Franz Beckenbauer. Ich lernte ihn positiv, mit geradem Rücken kennen und dann wirst du nur noch negativ betrachtet. Wenn ich die Bilder in den letzten Jahren von Franz gesehen habe, dann bin erschrocken. Er war immer Brust raus, gerade laufen und dann siehst du ihn mit einem kleinen Buckel. Das hat mich traurig gemacht.»
«Wenn du nicht mehr der Freund, sondern der Feind bist …»
Für Sforza war das mit ein Grund, dass er sich aus der Öffentlichkeit zurückzog. «Wenn die Gesundheit nicht mehr mitmacht, du bist traurig, du bist enttäuscht, bist von gewissen Freunden nicht mehr der Freund, sondern der Feind, dann ziehst du dich automatisch zurück. Franz war ein sehr sensibler Mensch. Dass die Gesundheit litt, hat sicher mit den Vorwürfen rund um 2006 zu tun.»
Blatter hält derweil fest: «Franz war vom Gemütsleben her nicht so stark wie der Eindruck, den er machte. Dass er über allem stehe. Jetzt, wo er nicht mehr da ist, sollte man sagen: Bravo, was er alles gemacht hat.»