Enrico Schirinzi Fussballprofi ... und dann? 

Von Patrick Lämmle

10.4.2020

Enrico Schirinzi beendete seine Karriere als Profifussballer beim FC Vaduz.
Enrico Schirinzi beendete seine Karriere als Profifussballer beim FC Vaduz.
Bild: Keystone

Im Dezember 2018 hat Enrico Schirinzi seine Schuhe endgültig an den Nagel gehängt. Wie hat der ehemalige Profisportler den Übergang in sein Leben nach der Fussballerkarriere erlebt?

Wir erreichen Schirinzi, Vater einer dreijährigen Tochter, im Homeoffice. Kurz nachdem er seine Karriere als Profifussballer beendete, hat er bei der Zürich Versicherung einen Job angenommen. Aber auch dem Fussballbusiness ist der 35-Jährige in verschiedenen Rollen treu geblieben, unter anderem arbeitet er auf Mandatsbasis für die Schweizer U21-Nationalmannschaft. Im ersten Teil unseres Interviews geht es um den Übergang vom Fussballprofi ins Leben danach. Im zweiten Teil spricht «Bluewin» mit Schirinzi über seinen Job als Spielanalyst beim SFV.

Vor anderthalb Jahren haben Sie Ihre Karriere als Profifussballer nach 13 Jahren beendet. Ist es Ihnen schwergefallen, einen Schlussstrich zu ziehen?

Eigentlich nicht, denn ich habe den Zeitpunkt selber gewählt. Mein Vertrag in Vaduz wäre noch ein Jahr weitergelaufen. Aber das Gesamtpaket hat einfach nicht mehr ganz gepasst. Ich wurde Vater und ich hatte ja auch langsam ein Alter erreicht, wo ich wusste, dass es ohnehin bald fertig ist. Rein körperlich könnte ich wohl auch heute noch spielen, ich blieb von Verletzungen verschont und ich habe keinerlei Beschwerden. Aber mir war auch bewusst, dass der Einstieg ins Leben nach der Karriere nicht einfacher wird, wenn ich das Ende hinauszögere. Es gab Leute, die das nicht verstehen konnten. Aber für mich war es der richtige Entscheid.

Spuren hinterlassen haben Sie vor allem beim FC Thun, wo Sie von 2010 bis 2017 gespielt haben.

Thun war super, das hat für mich gepasst. Ich war sehr gerne dort und es war nicht so, dass es keine anderen Optionen gab. Aber ich wusste auch, was ich in Thun habe. Und deshalb war es für mich kein Thema, zu einem Verein zu wechseln, der sportlich kein grosser Fortschritt bedeutet hätte.

Ihre Profikarriere beendeten Sie im Sommer 2018 in Vaduz. Danach spielten Sie noch eine halbe Saison beim FC Breitenrain in der Promotion League (dritthöchste Spielklasse). Warum war nach einem halben Jahr bereits wieder Schluss?

Der Aufwand war immer noch sehr gross mit vier Trainings und einem Spiel pro Woche. Und gespielt wird ja auch in dieser Liga schweizweit. Es ist zwar eine gute Liga, aber ich habe doch gemerkt, dass die Motivation bei mir nicht mehr riesig war. Und mich in den Spielen die ganze Zeit beleidigen zu lassen, darauf hatte ich auch keinen Bock mehr.

Kam das denn oft vor?

Sagen wir so, es kam mir zu oft vor. Da habe ich mich schon gefragt: ‹Brauche ich das wirklich?› Viele haben halt gewusst, dass ich aus dem Profifussball komme, und da hat sich sicher der eine oder andere gedacht: ‹Dem zeige ich es jetzt.› Das ist ja eigentlich auch gut. Aber ich hatte einfach das Gefühl, dass ich mich nicht mehr beweisen muss.

Und wie wurden Sie im Team selbst aufgenommen?

Sehr gut, würde ich sagen. Aber der Trainer kam hin und wieder in eine schwierige Lage. Ich habe immer gespielt, auch wenn die Leistungen im Training das vielleicht nicht immer gerechtfertigt hatten. Und das sollte nicht so sein. Und ich wollte auch gar nicht, dass das so läuft.

Sie wehrten sich gegen eine Stammplatzgarantie?

Einmal fehlte ich angeschlagen und sie haben ohne mich gewonnen. Dann habe ich gemerkt, dass mich der Trainer im nächsten Spiel gleich wieder hätte spielen lassen. Da habe ich mit ihm das Gespräch gesucht und ihm gesagt, dass er mich ruhig draussen lassen könne, da es ja die Jungs gut gemacht hätten. Ich glaube, das hat er sehr geschätzt. Im Anschluss habe ich ihm aber auch mitgeteilt, dass ich zwar die Vorrunde noch fertig spielen werde, dann aber Schluss sei. So war es für alle in Ordnung. Mitten in der Saison aufzuhören, das wäre auch nicht fair gewesen.

Da hätte bestimmt nicht jeder Ex-Profi so reagiert.

Wahrscheinlich nicht. Aber für mich war es selbstverständlich. Man muss sich ja auch in die Lage eines Spielers versetzen, der dann gar keine echte Chance hat. Wie soll man sich aufdrängen, wenn ein anderer einfach gesetzt ist? Wäre ich in der anderen Rolle gewesen, mich hätte das ja auch frustriert. Wenn einer Vollgas gibt und gute Leistungen zeigt, dann hat er es verdient, zu spielen.

Vermissen Sie denn heute das aktive Spielen gar nicht?

Fussballspielen hat mir immer grossen Spass gemacht, aber ich habe der Entscheidung nie nachgetrauert. Heute fehlt es mir eigentlich nicht, dass ich selbst nicht mehr spiele. Dem Fussball bin ich ja treu geblieben, einfach in anderer Funktion.

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