Beim Experten nachgefragt Ist der Fussball-Weltmeister 2050 ein Team aus Robotern?

Von Martin Abgottspon

25.12.2021

Fussballspielende Roboter geben meist nicht so eine dynamische Figur ab wie dieses Exemplar.
Fussballspielende Roboter geben meist nicht so eine dynamische Figur ab wie dieses Exemplar.
Getty Images

Verschiedene Forscher sind zuversichtlich, dass Roboter in den nächsten 30 Jahren die Sportwelt erobern werden. Wir wollten von einem Schweizer Experten auf dem Gebiet wissen, wie er die Prognose beurteilt und wo er die Zukunft von Robotern im Sport sieht.

Von Martin Abgottspon

Schaut man sich Videos von den aktuell besten Fussball-Robotern an, kann man sich ein Lächeln schwer verkneifen. Auch im Jahr 2021 wirken die Bewegungen der Maschinen noch ungeheuer tapsig. Im Schneckentempo bewegen sich die Androide aufeinander zu und kicken mit steifen Gliedern gegen den Ball. Kleinkinder haben mehr drauf.

Dennoch glauben Forscher aus verschiedenen Ländern, dass diese Fussball-Roboter bis 2050 dem Menschen überlegen sein werden. So etwa auch Peter Stone, Präsident des jährlich ausgetragenen RoboCups und Professor für Computerwissenschaften an der Universität von Texas. «Ich halte die Zielsetzung durchaus für realistisch. Ich würde vielleicht nicht alles darauf wetten, aber erst recht nicht dagegen», sagte er im Rahmen des diesjährigen RoboCups. «30 Jahre sind technologisch gesehen eine lange Zeit, da wird noch sehr viel passieren.»

Sehr viel heisst konkret, dass die Roboter lernen müssten, sich wesentlich geschmeidiger, agiler und schneller zu bewegen. Das wäre aber erst der Anfang, denn das Zusammenspiel ist eine weitere höchst komplexe Aufgabe, die ebenfalls noch gemeistert werden muss. Umso mehr, weil die Roboter unter geltendem FIFA-Reglement gegen Menschen antreten würden. Telepathische Fähigkeiten wären demnach beispielsweise nicht gestattet. Jeder Roboter müsste autonom funktionieren und trotzdem als intelligentes Teammitglied agieren.

So sieht das aktuell bei den besten Fussball-Robotern aus.

Bild: Youtube

Energiemanagement und Mechanik als grosse Baustellen

Marcel Honegger ist Dozent für Robotik an der ZHAW in Winterthur. Er sieht der angepeilten Fussball-Revolution eher skeptisch entgegen. «Vor 20 Jahren hätte ich die Prognose vielleicht auch unterschrieben. Mittlerweile wird es etwas knapp.» Denn auch wenn im Bereich der Robotik seit des ersten humanoiden Roboters in den Achtzigerjahren kontinuierlich enorme Fortschritte erzielt wurden, gibt es aus Sicht von Honegger zwei Faktoren, wo noch grosser Aufholbedarf herrscht.



Zum einen wäre dies das Energiemanagement. Bei der Grösse und Masse der Roboter wären unglaublich leistungsstarke Batteriesysteme notwendig. Erst recht bei einem Fussballspiel, das 90 Minuten dauert. «Und zum anderen wird es auch mechanisch eine grosse Herausforderung. Man darf nicht vergessen, dass der Mensch mechanisch unglaublich effizient ist. Da auf einen ähnlichen Nenner zu kommen wird schwierig.»

Die rasende Lernfähigkeit der KI

Es scheinen also vor allem im Bereich der Hardware noch Defizite vorhanden. Softwaretechnisch ist die Forschung mit ihren KI-Systemen hingegen schon sehr weit wie «geistige» Sportarten in den letzten Jahren aufgezeigt haben. Bei Schach, Go oder auch E-Sport-Titeln haben Maschinen den Menschen in kürzester Zeit den Rang abgelaufen. «Selbst der Weltmeister Magnus Carlsen hat heute gegen einen Schachcomputer keine Chance mehr», so Honegger.



Geschadet habe dies dem Schachsport aber nicht. Tatsächlich verzeichnete Schach gerade in den letzten beiden Jahren einen riesigen Boom, was zu Teilen auch auf die Netflix-Erfolgsserie «Queen's Gambit» zurückzuführen war, welche wiederum unter Streamern und Youtubern eine Schach-Faszination entfacht hat. Die Webseite «chess.com» verzeichnete 2020 Rekordwerte an Neuanmeldungen und das obwohl eigentlich jeder weiss, dass es da draussen Computer gibt, gegen die man nie eine Chance hätte.

«Für die Wissenschaft ist das Thema Schach abgeschlossen. Es ist keine akademische Herausforderung mehr», sagt Honegger. Das Beispiel habe aber eben auch gezeigt, dass der menschliche Wettbewerb nicht unter dem Einfluss von künstlicher Intelligenz leiden muss. Doch wie steht es denn überhaupt um das Duell Mensch gegen Maschine? Oder Maschine gegen Maschine?

«Queen's Gambit hat im Vorjahr einen weltweiten Schach-Boom ausgelöst.

Bild: Youtube

Ein Geschäftsfeld für die Zukunft?

«Der Zweikampf zwischen Mensch und Roboter ist nur so lange spannend, wie er fair ist», so Honegger. Oft ist dies aber nur für einen kurzen Zeitraum der Fall. Für Wettbewerbe unter Robotern sieht Honegger aus kommerzieller Sicht noch weniger Chancen. «Für die Masse ist das nicht attraktiv. Ingenieure haben da ihren Spass daran, aber dass wir uns in Zukunft reine Roboter-Duelle im Fussball anschauen, halte ich für unwahrscheinlich.»

Honegger verweist an dieser Stelle zum Vergleich auf die Musik. Auch dort gäbe es schon KI, die Popsongs schreiben, die aber niemanden interessieren. «Am Ende geht es ganz einfach auch um den Künstler dahinter.» Avatare können diese nur schwer ersetzen. «Die Menschen wollen Idole aus Fleisch und Blut.»

Alternative Einsatzmöglichkeiten in der Sportwelt

Während weltmeisterliche Fussball-Roboter so also vor allem eine verspielte Zukunftsvision sind, gibt es in der Sportwelt aber durchaus Bereiche, in welchen Honegger den Maschinen schon in naher Zukunft mehr Potenzial einräumt. «Roboter könnten Kameraleute und Drohnenpilot*innen beispielsweise schon bald ablösen und verschiedene Ereignisse noch effizienter dokumentieren.» Und auch im Trainingsbereich gäbe es verschiedene Einsatzmöglichkeiten, wo Roboter als Gehilfen agieren könnten. «Ich denke da zum Beispiel an Ballmaschinen im Tennis, die sich auch bewegen oder Roboter-Torhüter, mit welchen man bestimmte Abläufe ganz gezielt trainieren kann.»

Die FIFA diskutiert aktuell noch über einen KI-Einsatz in einem weiteren Gebiet: dem Schiedsrichterwesen. Nicht wirklich Roboter, aber intelligente Systeme sollen hier insgesamt 29 Punkte jedes Spielers erfassen - und zwar auf vier Zentimeter genau. Ähnlich wie bei der Torlinientechnologie, wird den Offiziellen bei einer möglichen Abseitsstellung ein Signal gesendet. Der VAR hat dann die Möglichkeit zu entscheiden, ob es sich um eine relevante Abseitsstellung handelt oder nicht und kann das Spiel entsprechend unterbrechen oder weiterlaufen lassen.

Sollte sich die Technologie bewähren, würde die halbautomatische Abseitserkennung bereits bei der Weltmeisterschaft 2022 in Katar zum Einsatz kommen. Den Roboter-Kollegen auf dem Feld bleiben dann noch 28 Jahre, um auf Weltmeister-Niveau zu kommen. Ob sie es schaffen oder nicht – viele Fans werden sie wohl so oder so nicht haben.