Kommentar Kopf hoch, Granit – Mund abwischen, Captainbinde richten, weitermachen

Von Jan Arnet

28.10.2019

Granit Xhaka steht bei Arsenal London wie nie zuvor in der Kritik.
Granit Xhaka steht bei Arsenal London wie nie zuvor in der Kritik.
Bild: Getty

Granit Xhaka legt sich am Sonntag mit den Arsenal-Fans an, wofür er von allen Seiten harsche Kritik einstecken muss. Der Schweizer wird vom Opfer zum Täter – das hat er nicht verdient. Ein Kommentar.

Gewiss: Wer den eigenen Fans «Verpisst euch» zuruft, hat einen Fehler gemacht. Ob der Spieler bei einer solchen Unbeherrschtheit Captain ist oder nicht, spielt dabei gar keine Rolle. Ein solcher Umgang mit Fans, die viel Geld für einen Stadionbesuch bezahlen, gehört sich einfach nicht. 

Es gehört sich aber auch nicht, seinen eigenen Spieler auszupfeifen. Zumal es keinen guten Grund dafür gibt. Granit Xhaka hat nicht das Training gestreikt, er liess auch keine Fan-Termine sausen und kam auch nicht zu spät aus der Nati-Pause zurück. Einzig seine Leistungen entsprechen nicht den Wunschvorstellungen einiger Arsenal-Fans. Das darf kein Grund sein, sich gegen einen Spieler zu stellen. So nehmen die Fans dem Spieler jegliches Selbstvertrauen. 



Xhakas provokante Reaktion auf die Pfiffe und Buhrufe war falsch. Aber irgendwie muss man den 27-Jährigen doch auch verstehen können. Er gilt bei den Arsenal-Anhängern mehr und mehr als Sündenbock für die Krise, in welcher der Klub seit Jahren steckt. Ein Klub, der den Anspruch hat, in der Champions League zu spielen. Es scheint, als wollen die Fans den Schweizer für jeden Punktverlust verantwortlich machen. Wie schon vor ein paar Wochen beim 1:1 gegen Manchester United.

Vielleicht machte Xhaka am Sonntag beim 2:2 gegen Cystal Palace bis zu seiner Auswechslung nicht sein bestes Spiel. Doch immerhin gab er den Assist zum Führungstor und war zumindest nicht der Hauptschuldige bei den Gegentoren. Auf alle Fälle ist die Kritik am Mittelfeldstrategen übertrieben.

Mitspieler sollen Xhaka zu Hause besucht haben

Und Xhaka jetzt als Captain infrage zu stellen, wie dies bereits englische Medien machen, ist ohnehin vollkommen vermessen. Schliesslich wurde er von seinen Teamkollegen gewählt – und hat deren Unterstützung immer noch. Arsenal-Fotograf Stuart McFarlane hat am Sonntag während Xhakas Auswechselung festgehalten, wie Mitspieler Lucas Torreira in Tränen ausbricht. Es sind Bilder, die zeigen, dass auch die Kollegen mit Xhaka leiden. «The Athletic» berichtet zudem, dass einige Arsenal-Spieler ihren Captain am Sonntagabend besucht haben, um ihn aufzumuntern. 

Vizecaptain Hector Bellerin schreibt am Montag auf Twitter: «Wir sind alles Menschen und wir haben alle Gefühle. Manchmal ist es nicht einfach, diese im Griff zu haben. Es ist Zeit, sich gegenseitig aufzufangen und nicht runterzudrücken. Wir können nur gewinnen, wenn wir zusammenstehen.» Zwar erwähnt Bellerin Xhaka nicht mit dem Namen, doch dürfte klar sein, wen und was der Spanier gemeint hat.

Die Kameraden stehen weiter hinter dem Schweizer, also muss er auch Captain bleiben. Ansonsten sollten künftig die Fans darüber abstimmen, wer die Binde tragen darf. Xhaka tut gut daran, sich bei den Anhängern für seine überzogene Reaktion zu entschuldigen. Und künftig zu versuchen, nicht mehr hinzuhören, wenn sich Fans oder Experten negativ äussern.

Das Beispiel Robert Lewandowski

Er sollte sich aufs Wesentliche konzentrieren, auf seine Rolle als Spielmacher und Captain. So kann Xhaka auch die Gunst der Fans zurückerobern. Wie Robert Lewandowski, der vor noch nicht allzu langer Zeit unbedingt wegwollte von Bayern München. Auch der Pole wurde wegen seiner Wechselgelüste bei den Fans zur Persona non grata, doch Lewandowski blieb professionell, liess sich nichts anmerken und zog die Zuschauer mit seinen Toren schnell wieder auf seine Seite.

Wer hätte gedacht, dass die Doppeladler-Debatte dem 78-fachen Nati-Spieler eines Tages helfen könnte? Xhaka weiss bereits, wie es ist, wenn die Fans nicht mehr hinter ihm stehen. Er weiss auch, wie er die Anhänger wieder hinter sich bringen kann: Einzig und alleine mit guten Leistungen auf dem Platz, wie er das bei der Nati gemacht hat. Also, Granit Xhaka, Kopf hoch – Mund abputzen, Captainbinde richten und weitermachen!

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