Am Samstag kommt es für Borussia Dortmund und Trainer Lucien Favre zum kapitalen Spitzenspiel gegen Bayern München. Ein Duell, bei dem es um viel mehr als drei Punkte geht.
Vor zwei Wochen verlor Borussia Dortmund zum Auftakt der Champions League bei Lazio Rom mit 1:3. Dietmar Hamann, deutscher Ex-Nationalspieler und heutiger TV-Experte bei «Sky», schlug Alarm. «Mir macht die Dortmunder Entwicklung Sorgen», sagte Hamann. Und weiter: «Favre ist ratlos, er versteht die Mannschaft nicht mehr.»
Der frühere Bayern- und Liverpool-Spieler glaubte zu wissen, dass «die Unberechenbarkeit im negativen Sinn den BVB-Verantwortlichen grosse Sorgen bereite». Für Hamann stand Favre trotz gelungenem Start in der Bundesliga schon wieder vor dem Aus.
Nun, zwei Wochen später sieht die Welt wieder anders aus. Dortmund ist nach den Siegen über Zenit (2:0) und Brügge (3:0) in der Champions League wieder auf Kurs. Und in der Bundesliga sowieso: Mit 15 Punkten aus sechs Spielen steht der BVB punktgleich mit Leader Bayern auf Rang 2.
Am Samstag kommt's zum grossen Duell, zum deutschen Klassiker. Und für Favre ist es die Chance, Kritiker wie Hamann zum Schweigen zu bringen. Nicht zuletzt auch, weil die Zukunft des Schweizers noch immer nicht geklärt ist. Favres Vertrag läuft Ende Saison nach drei Jahren aus. «Wir haben uns darauf verständigt, im neuen Jahr zu sprechen und zu entscheiden», kündigte BVB-Boss Hans-Joachim Watzke Anfang Woche an. Mit einem Sieg gegen die Bayern könnte Favre entscheidende Argumente für eine Vertragsverlängerung liefern.
Matthäus wünscht sich mehr Mut von Favre
Auch Lothar Matthäus, der im Juni noch Favres Entlassung prophezeit hatte, glaubt, dass es im Spiel gegen den Ligakrösus um mehr geht als drei Punkte. Favre sei «ein Super-Trainer und Dortmund ist nicht auf dem Niveau des FC Bayern. Aber das Spiel ist sicher auch für ihn wichtig. Wenn der BVB wieder verlieren sollte, heisst es: Schon wieder hat Favre in einem grossen Spiel den Kürzeren gezogen», sagt Deutschlands Rekord-Nationalspieler gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.
Die letzten drei Duelle mit dem Rekordmeister hat der BVB verloren. Matthäus erhofft sich deshalb von Favre mehr Mut: «Wenn er seinen Bayern-Fluch endlich beenden will, muss er offensiv spielen. Ich wünsche mir, dass er diesmal Spieler wie Jadon Sancho nicht erst in der zweiten Halbzeit bringt. Solche Spieler dürfen in einem solchen Spiel einfach nicht auf der Bank sitzen.»
In erster Linie dürfte der Schweizer Coach aber auch am Samstag auf die defensive Stabilität setzen. Dortmund hat in der Bundesliga bislang nur zwei Gegentore erhalten – sieben weniger als die Bayern. Kriegen Manuel Akanji und Co. Bayerns Monster-Offensive um Robert Lewandowski in den Griff, dürfte das der Schlüssel zum Erfolg sein.
Hitzfeld: «Favre macht einen überragenden Job»
Vom ehemaligen Nati-Trainer Ottmar Hitzfeld gibt es ein grosses Lob für Favre: «Er macht einen überragenden Job. Man sieht klar, dass sich die Spieler weiterentwickeln unter ihrem Trainer. Aktuell legen sie mehr Wert auf defensive Stabilität. Das funktioniert bislang gut, und diese Herangehensweise halte ich für sehr vernünftig», sagt Hitzfeld den «Ruhr Nachrichten». Der BVB habe in den vergangenen Jahren immer sehr ansprechend nach vorne gespielt, war aber defensiv zu anfällig. «Das hat sich gebessert in dieser Saison», so Hitzfeld.
In der Offensive müsse man sich beim BVB ohnehin keine Sorgen machen, meint der zweifache Welttrainer (1996, 2000), der in Vergangenheit sowohl mit Dortmund als auch Bayern grosse Erfolge feiern konnte: «Erling Haaland zum Beispiel legt eine unwahrscheinliche Coolness an den Tag, wenn er vor dem Tor steht», sagt Hitzfeld.
Und weiter: «Diese Dynamik und Schnelligkeit sind überragend, dazu besitzt Haaland die richtige Mentalität, was enorm wichtig ist. Ähnliches gilt für Jadon Sancho, der unglaubliche Klasse besitzt, mit Technik, Tempo, Übersicht. Und Gio Reyna halte ich für ein Jahrhunderttalent.»