Sport «Mit dem Herzen auf der Hand»: Ein aufheiterndes Gespräch in schweren Zeiten

Patrick Lämmle

12.3.2020

Ein Bild wie aus einem Albtraum von Klaus Öfen: FIFA-Boss Gianni Infantino und FIFA-Berater Arsène Wenger besuchen ein NHL-Spiel.
Ein Bild wie aus einem Albtraum von Klaus Öfen: FIFA-Boss Gianni Infantino und FIFA-Berater Arsène Wenger besuchen ein NHL-Spiel.
Bild: Bildmontage 

Das Coronavirus stellt die Sportwelt auf den Kopf. Spiele, ja ganze Wettbewerbe und Meisterschaften werden abgesagt. Zeit, um ein Gespräch mit unserem Tessiner Redaktionskollegen Klaus Öfen zu führen – über Gott und die Welt. Also NHL und Fussball.

Klaus Öfen (Name der Redaktion bekannt) ist ein Kenner der Sportszene, im Büro auch bekannt für seine lautstark und in Endlosschleife auf italienisch vorgetragenen Fluchsalven, die den Raum seltsamerweise mehr mit Liebe denn Hass füllen. Man kann dieses Phänomen nicht wirklich erklären, doch was lässt sich dieser Tage überhaupt noch in Worte fassen?

Wenn mich im Zuge der zahllosen Absagen von Sportanlässen einer aufheitern kann, dann bestimmt «Klausi», denke ich mir und nehme mir vor, ein bisschen mit ihm über den Sport, wie er vor Kurzem noch unseren Alltag prägte, zu plaudern. Wobei plaudern ist übertrieben, es bedarf lediglich einiger Triggerworte und schon geht die Post ab.

Öfen über Arsène Wenger …

Dass Wenger jetzt für die FIFA arbeitet, ist eine der grössten Enttäuschungen überhaupt. Als Kind habe ich eines Tages realisiert, dass Jesus wohl nicht so existiert, wie ich mir das vorgestellt habe – genau so hat sich das mit Wenger auch angefühlt. Eine ganz üble Geschichte.



Über FIFA-Präsident Gianni Infantino …

Wenn die Dinge gut laufen, pflege ich jeweils zu sagen, dass es genug Fleisch auf dem Grill gibt. Ihr Deutschschweizer kennt den Begriff nicht, wir im Tessin eigentlich auch nicht. Aber es klingt gut, und jeder weiss, was damit gemeint ist. Aber bei Infantino ist mein Grill leer. Vielleicht gibt es noch ein wenig verkohltes Restfleisch zwischen Rost und Flamme.

Zur Person Klaus Öfen 
Seltenes Exemplar: Sportjournalist, der mit Fussball gebrochen hat.

Redaktionskollege Klaus Öfen, in Wahrheit heisst er anders, war einst der grösste Arsenal-Fan auf Erden – bis zu dem Tag, an dem Arsène Wenger entlassen wurde. Mit dem Fussball endgültig gebrochen hat er allerdings erst, als Wenger (sein dritter Grossvater) bei der FIFA einen Job angenommen hat. Seither schnellt sein Puls meistens nur noch beim Eishockey in die Höhe.

Über Fussball im Allgemeinen …

Seit ich keine Liebe mehr für Arsenal verspüre, bin ich zurückgekehrt zu meiner ersten Liebe, dem Eishockey. Ich kann Fussball nicht mehr schauen. Jede Sekunde, jede Berührung, die Spieler wollen immer ein Foul. Das sollte nicht so sein. Dieses ganze Theater, immer zum Schiedsrichter rennen und meckern … Das ist das Ende des Fussballs. So macht es einfach keinen Spass. Ich kann Fussball nicht mehr schauen – meistens.


Aus aktuellem Anlass: Über solche Schauspieleinlagen ärgert sich bestimmt nicht nur Öfen:


Ich habe dich aber dabei ertappt, wie du gejubelt hast, als Atlético am Mittwoch gegen Liverpool das 2:1 erzielte, beim 2:2 bist du dann wie ein junges Reh durchs Büro gehüpft und beim 3:2 glaubte ich, Freudentränen in deinen Augen gesehen zu haben. Ist Fussball wirklich so schlimm?

Fussball ist schlimm geworden, aber bei Diego Simeone gefällt mir, wie er seine Mannschaft anpeitscht. Seine Spieler machen zwar manchmal auch Theater, aber sie kämpfen, das können sie schon. Ja, der eine oder andere könnte vielleicht sogar Eishockey-Profi sein vom Charakter her. Und ja, es hat mich ein kleines bisschen gefreut, dass Liverpool jetzt wieder auf dem Boden der Realität gelandet ist.



Du bist auf gutem Weg, aber ein richtiger Fussball-Hasser bist du noch nicht. Ich finde dein Verhalten ohnehin so theatralisch, wie die Schwalben von Neymar.

Ach was. Ich habe nur gejubelt, weil es ein langweiliger Abend war. Ich habe aus rein beruflichen Gründen geschaut. Freiwillig würde ich nicht mehr schauen. Ausser Bellinzona live im Stadion. Ich rede mit meinem Herzen auf der Hand, sagt man das so? (Fast)

Ich habe eine Idee. Wir reden jetzt über eine andere Sportart, die du lieber magst. Was sagst du als geborener Ambri-Fan zum HC Lugano?

Sie haben Glück, dass sie nicht mehr spielen dürfen. Der ZSC hätte sie zerfleischt, um beim Bild des Grills zu bleiben.

Und was sagst du zu Ambri?

Sie hätten einen Preis verdient, weil sie bis Ende Saison gekämpft haben. Tausend Verletzte und sie hatten am Ende nur sechs Punkte Rückstand auf die Playoff-Plätze. Sie hätten es nicht besser machen können. Und das ohne den Topskorer des Vorjahrs, Kubalik.

Dominik Kubalik, dein Lieblingsspieler der letzten Saison, der jetzt bei den Chicago Blackhawks spielt …

Er zeigt jetzt in der NHL, was für ein – entschuldige den Ausdruck – geiler Spieler er ist. Wir Schweizer Hockeyfans haben so viel Glück, dass wir ihn in unserer Liga haben spielen sehen. Ein Genie, ein Künstler. Wahnsinn.

Ein paar Worte bitte noch zu Ex-Lugano-Goalie Elvis Merzlikins (inzwischen in der NHL bei den Columbus Blue Jackets).

Er hat einfach viel Glück und profitiert extrem von seinen Teamkollegen, die defensiv extrem stark spielen. Ich sage nicht, dass er schlecht ist, aber man darf das nicht unterschätzen. Trotzdem: Die NHL ist meine Rettung. Ich habe mich so leer gefüllt, nachdem Wenger zur FIFA ging und seine Seele verkauft hat.

Danke für das kurze Gespräch. Es war wie immer interessant. Ein bisschen wirr auch, aber interessant. 

Bitte. Und jetzt können wir bitte zurück an die Arbeit?

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