Hooligan-Angriff Patricio über Hooligan-Angriff: «Ich hoffte, dass sie uns nicht töten»

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9.1.2020

Rui Patricio spricht über die Hooligan-Attacke bei Sporting Lissabon im Mai 2018.
Rui Patricio spricht über die Hooligan-Attacke bei Sporting Lissabon im Mai 2018.
Bild: Getty/Twitter

Im Frühling 2018 stürmen Hooligans von Sporting Lissabon das Training ihres Teams, da sie mit der Leistung nicht zufrieden sind. Mehrere Spieler werden verletzt. Nun spricht der Goalie über die traumatischen Ereignisse.

Rückblick: Am 15. Mai 2018 werden die Profis von Sporting Lissabon im Training von einer Horde wütender «Fans» überrascht. Rund 50 vermummte Hooligans stürmen das Gelände und attackieren die Profis, die sich in der Kabine fürs Training bereitmachen. Der Grund: Sporting hat zwei Tage zuvor das letzte Saisonspiel bei Maritimo mit 1:2 verloren und einen Platz in der Champions League verspielt.

Zwar steht in wenigen Tagen noch das Pokalfinale an, wo das Team aus Lissabon gegen Desportivo Aves der grosse Favorit ist, doch das ist den wütenden Ultras egal. Sie greifen die Mannschaft an und verletzen mehrere Spieler. Bas Dost etwa, der mit 27 Treffern zweitbester Torschütze der Liga ist, erleidet eine Platzwunde am Kopf. Am schlimmsten erwischt es die beiden argentinischen Nationalspieler Marcos Acuna und Rodrigo Battaglia, die regelrecht zusammengeschlagen werden. Auch die beiden Assistenztrainer Mario Monteiro und Raul José werden verletzt.



«Ich wusste nicht, ob sie uns töten wollen»

Zu Beginn dieser Woche kommt es in Lissabon endlich zur Gerichtsverhandlung. Und einer der betroffenen Spieler, der damalige Sporting-Goalie Rui Patricio, macht im Zeugenstand eine denkwürdige Aussage: «Ich wollte mich gerade in der Kabine fürs Training bereitmachen, als ich von aussen laute Stimmen hörte. Fast alle Spieler befanden sich in der Kabine. Unser Sportchef Vasco Fernandes versuchte noch, die Kabine zu verschliessen, aber schaffte es nicht. Sie drangen ein und begannen uns zu attackieren.»

Patricio, der heute in der Premier League für Wolverhampton spielt, sagt, dass die Krawallmacher mit niemandem sprachen, sondern einfach auf alles einschlugen, was ihnen in den Weg kam. «Sie waren sehr aggressiv und hatten alles dabei. Ich wusste nicht, ob sie uns töten wollen», so Portugals Nati-Keeper weiter.

Sogar Fackeln sollen in die Umkleidekabine geworfen worden sein. «Wir haben versucht, sie zu beruhigen, aber sie waren zu aggressiv. Sie sagten uns, wir sollen unsere Trikots ausziehen und riefen: ‹Du bist eine Schande,  wir werden dich töten.› Es war sehr stressig», erzählt Patricio. Als der 31-Jährige einem Teamkollegen helfen will, wird er selber verbal bedroht: «Einer drehte sich um und sagte: ‹Du lachst? Ich brech' dir den Kiefer!› Nach dem Angriff habe ich gesehen, wie unser Trainer Jorge Jesus am Kopf blutete.»

Hat der Klub-Boss die Hooligans angestiftet?

Auf der Anklagebank sitzen die mutmasslichen Angreifer und Drahtzieher des hinterhältigen Überfalls. Insgesamt 44 Personen müssen sich bei dem Verfahren verantworten, darunter auch Bruno de Carvalho, der damalige Klub-Präsident von Sporting Lissabon. De Carvalho wird beschuldigt, den Angriff der Hooligans gebilligt oder sogar in Auftrag gegeben zu haben. 

Fünf Tage nach der Attacke müssen die traumatisierten Sporting-Spieler das Pokalfinale bestreiten. Sie unterliegen Desportivo Aves mit 1:2. Kurz darauf reicht Rui Patricio seine Kündigung ein. Er will den Klub trotz laufendem Vertrag per sofort verlassen. Wenig später ziehen zahlreiche andere Spieler nach. Darunter Torjäger Bas Dost und die portugiesischen Nationalspieler William Carvalho, Bruno Fernandes und Gelson Martins. Auch Trainer Jorge Jesus hat genug.



Doch de Carvalho lehnt die Kündigungen ab. «Die Argumentation für die Auflösung der Verträge ist so schwach, dass man schon merkt, dass diese Prozesse nicht initiiert wurden, um sie bis zum Ende durchzuführen», erklärt der Präsident und wirft den Spielern und ihren Beratern vor, die Situation ausnutzen zu wollen, um ablösefrei wechseln zu können. De Carvalho bietet den Profis aber seinen Rücktritt an, wenn sie sich dazu verpflichten, bei Sporting zu bleiben und er bei Neuwahlen erneut die Chance hat, gewählt zu werden.

Tatsächlich tritt der Klub-Boss im Juni von seinem Amt zurück und einige Stars wie William Carvalho, Bruno Fernandes oder die beiden Argentinier Acuna und Battaglia spielen noch heute bei Sporting, was ein Indiz dafür ist, dass die Profis wissen, dass der Hooligan-Angriff von de Carvalho befohlen wurde. Ob dem tatsächlich so war, muss das Gericht nun befinden.


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