Keine Spur von Reue Spaniens Fussball-Chef geht, teilt aber weiter munter aus

dpa / mar

11.9.2023 - 19:44

Luis Rubiales, Präsident des spanischen Fussballverbandes RFEF, tritt nach dem Kuss-Skandal bei der Fussball-WM der Frauen zurück.
Luis Rubiales, Präsident des spanischen Fussballverbandes RFEF, tritt nach dem Kuss-Skandal bei der Fussball-WM der Frauen zurück.
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Endlich, aber zu spät. So lauten die Reaktionen auf den Rücktritt von Spaniens Fussballboss Rubiales. Von Reue zeigt er nach dem Kuss-Skandal weiter keine Spur.

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Sogar seinen Rücktritt im Kuss-Skandal habe Verbandspräsident Luis Rubiales vermasselt, kommentierte die spanische Zeitung «Sport».

Am späten Sonntagabend hatte der 46-Jährige drei Wochen nach dem aufgezwungenen Kuss auf den Mund von Weltmeisterin Jennifer Hermoso seine Entscheidung mitgeteilt, zugleich aber noch einmal kräftig ausgeteilt. Er könne nicht weiter im Amt bleiben, weil bestimmte «Kräfte» dies verhindern wollten, befand Rubiales in sozialen Medien. «Ich vertraue auf die Wahrheit und werde alles dafür tun, dass sie sich durchsetzt», erklärte er und prangerte erneut eine «masslose Kampagne» an, die «Lügen» über ihn verbreite.

Die Reaktionen kamen prompt. «Ein weiterer Beweis, dass er in einer irrealen Welt lebt. Unglaublich», schrieb «Sport». Die geschäftsführende Vize-Regierungschefin Yolanda Díaz sprach von einem Erfolg des Feminismus. Das feministische Land schreite immer schneller voran. «Wir sind bei Dir, Jenni, alle Frauen», schrieb sie auf der vormals als Twitter bekannten Plattform X.

Die Chronik von Rubiales' Kuss-Skandal

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«Metoo»-Moment des katholischen Landes

Rubiales hatte bei der Siegerehrung der spanischen Fussball-Weltmeisterinnen am 20. August in Sydney den Kopf von Hermoso mit beiden Händen gepackt und sie auf den Mund geküsst. Was seitdem passierte, wird von spanischen Medien als «Metoo»-Moment des katholischen Landes beschrieben.

Rubiales sei ein «Macho» wie er im Buche stehe, der typische Vertreter einer immer noch latent vorhandenen Dominanz von Männern in vielen Bereichen, schrieb etwa die Zeitung «El País». Die spanischen Fussballerinnen wollten sich das nicht länger bieten lassen, solidarisierten sich wie viele andere auch mit Hermoso, traten in den Streik und sagten: «Es ist Schluss».

Der geschäftsführende Regierungschef Pedro Sánchez würdigte diesen «beispielhaften» Kampf der Frauen-Weltmeisterinnen als Vorbild für die ganze Welt. «Unsere Spielerinnen haben zweimal gewonnen: Auf dem Spielfeld und indem sie der Welt eine Lehre in Sachen Gleichheit zwischen Mann und Frau erteilt haben», sagte er vor gut einer Woche. Die Fussballerinnen und ganz Spanien hätten gesagt: «Es ist Schluss» mit der Unterwerfung der Frauen unter Männer. «Spanien ist ein feministisches Land», sagte der Sozialist.

Denkwürdige Rede und Hungerstreik seiner Mutter

Rubiales bezeichnete Kritiker nach dem aufgezwungenen Kuss zunächst als «Idioten», dann soll er Hermoso vergeblich gedrängt haben, in einem gemeinsamen Video den Skandal zu entschärfen. Später liess er den RFEF eine Erklärung verbreiten, in der Hermoso Berichten zufolge Worte in den Mund gelegt wurden, die sie nicht gesagt hatte.

In einer denkwürdigen Rede am 25. August, bei der er den von allen erwarteten Rücktritt verweigerte, gerierte er sich schliesslich als Opfer eines «falschen Feminismus», der ihn «öffentlich hinrichten» wolle. Dahinter steckten die Regierung und die Medien. «Soll mich ein Küsschen in beiderseitigem Einvernehmen hier rausbringen? Ich werde kämpfen bis zum Ende», sagte er voller Pathos.

Seine Mutter trat in einer Kirche in einen Hungerstreik gegen die «unmenschliche und blutige Jagd» auf ihren Sohn. «Zum Fremdschämen» sei das Verhalten des Verbandschefs, schrieb Ex-Nationaltorhüter Iker Casillas. Der Weltverband FIFA leitete ein Disziplinarverfahren gegen Rubiales ein und suspendierte ihn für zunächst 90 Tage.

Einleitung eines Ermittlungsverfahrens genehmigt

Hermoso hatte auf den zunächst verweigerten Rücktritt von Rubiales mit einer ausführlichen Stellungnahme reagiert, die deutlicher kaum hätte sein können: «Ich habe mich verletzlich und als Opfer einer impulsiven, sexistischen und unangebrachten Handlung gefühlt, der ich nicht zugestimmt habe. Einfach ausgedrückt, ich wurde nicht respektiert», schrieb die 33-Jährige.

Der Staatsgerichtshof für Strafsachen in Madrid genehmigte ein Ermittlungsverfahren gegen Rubiales. Sollte es zu einem Prozess und einer Verurteilung wegen sexueller Aggression und Nötigung gegen Hermoso kommen, müsste Rubiales mit einer Haftstrafe zwischen einem und vier Jahren rechnen.