Erinnerungen an Inler Kurz vor dem Rekord: Sägt Petkovic wieder seinen Captain ab?

jar

3.6.2019

Stephan Lichtsteiners Tage in der Nati scheinen bald gezählt zu sein.
Stephan Lichtsteiners Tage in der Nati scheinen bald gezählt zu sein.
Bild: Getty

13 Spiele fehlen Stephan Lichtsteiner noch, um Rekordspieler der Schweizer Nationalmannschaft zu werden. Aktuell sieht es aber nicht danach aus, als könnte der Captain diesen Meilenstein erreichen.

Die Schweizer Nati reiste am Sonntag ohne ihren Captain nach Portugal, dort spielt sie diese Woche beim Final-Four-Turnier der Nations League um den Titel. Die Schweiz trifft am Mittwoch im Halbfinal auf den Gastgeber und im allfälligen Final auf England oder die Niederlande. Stephan Lichtsteiner ist nicht mit dabei, Granit Xhaka wird die Captainbinde übernehmen.

«Lichtsteiner bleibt unser Captain», sagt Vladimir Petkovic am Sonntag zur Nichtnomination des Spielführers und beendet damit die Spekulationen, dass das Aus des 105-fachen Internationalen in der Nati beschlossen sein könnte. Der Captain habe schon Privilegien, aber auch er müsse diese immer wieder bestätigen, so der Nati-Coach. Offenbar hat Lichtsteiner dies in den letzten Wochen nicht geschafft. Stattdessen nimmt Petkovic die Rechtsverteidiger Kevin Mbabu und Michael Lang nach Portugal mit.

Sportlich gesehen ist der Entscheid nachvollziehbar, Lichtsteiner hat seit den letzten Nati-Spielen im März nur zwei Pflichtspiele bestritten. Während der ganzen Saison kam er bei Arsenal nur auf 23 von möglichen 58 Einsätzen. Ausserdem betont Petkovic, dass Lichtsteiner in der Nations League nie gespielt hat.

Ethisch gesehen ist die Nichtnomination aber unglücklich. Lichtsteiner, der seit 2006 in der Nati ist, hat sich mit seinem unbändigen Kampfgeist und Siegeswillen in die Herzen der Fans gespielt. Eine Nomination fürs Turnier, bei welchem die Schweizer A-Nati eine realistische Chance hat, erstmals überhaupt einen Titel zu holen, wäre mehr als verdient gewesen. Zumal es mit Michael Lang und François Moubandje zwei Aussenverteidiger ins Kader geschafft haben, die in ihren Klubs zuletzt auch aussen vor waren und kaum gespielt haben.



Erinnerungen werden wach

Wie der Trainer mit dem Rechtsverteidiger umgeht, erinnert stark an die Saga um Gökhan Inler, Lichtsteiners Vorgänger als Nati-Captain. Inler, 89-facher Nationalspieler, wurde wenige Monate vor der EM 2016 völlig überraschend nicht mehr ins Kader berufen. «Wer im Klub lange nicht gespielt hat, kann in der Nati kein seriöses Thema sein», begründete Petkovic damals seinen Entscheid. Er soll Inler schon Monate zuvor zu einem Vereinswechsel geraten haben, weil er bei Leicester City nur selten zum Zug kam.

Die Türe machte Petkovic für Inler offiziell nie zu. Aber der mittlerweile 34-Jährige wartet seit November 2015 vergeblich auf ein Aufgebot. Lichtsteiner einen Vereinswechsel nahelegen, das muss Petkovic nicht. Sein Vertrag läuft im Sommer aus, und Arsenal wird die Option auf ein zusätzliches Vertragsjahr nicht ziehen, wie der Aussenverteidiger heute auf Twitter bekannt gibt.

Wo Lichtsteiners Zukunft liegt, ist aber mit Blick auf seine Nati-Karriere alles andere als egal. «Ich beobachte, was mit ihm im Verein passiert», sagt Petkovic. 

13 Einsätze fehlen Lichtsteiner zum Rekord

Wohin es Lichtsteiner auch zieht, Petkovic sagt, dass er «nie einen Spieler in Pension schicken» werde. Aber der Trainer spricht auch das Alter des Routiniers an: «Wir haben andere Spieler zum Testen. In einem Jahr ist die EM, und Lichtsteiner wird auch nicht jünger.» Wenn im Sommer die EM 2020 über die Bühne geht, ist Lichtsteiner 36 Jahre und fünf Monate alt. 

Bei Petkovic ist Lichtsteiner aktuell nur dritte Wahl.
Bei Petkovic ist Lichtsteiner aktuell nur dritte Wahl.
Bild: Keystone

Dass er von sich aus die internationale Karriere beenden wird, schloss Lichtsteiner im März dieses Jahres in der «Aargauer Zeitung» aus: «Es ist nicht meine Art, zu sagen: 'Entweder ich spiele – oder ich komme nicht mehr zum Nationalteam.'» 105 Länderspiele hat «Lichti» bis heute auf dem Buckel, der Rekord von Heinz Hermann steht bei 118. «Dieser Rekord ist ein grosses Ziel und ein Traum von mir. Logisch, dass ich jetzt, wo ich nahe dran bin, darauf hinarbeite und versuche, den Rekord zu erreichen», sagte er. 

Die EM 2020 wird das letzte Turnier sein, bei dem Lichtsteiner noch realistische Chancen hat, in der Nati dabei zu sein. Wenn man davon ausgeht, dass sich die Schweiz direkt für die EM qualifizieren kann, sind für Lichtsteiner bis zum Ende der Gruppenphase in der Endrunde noch 15 Spiele möglich (6 Qualispiele, 6 Testspiele, 3 EM-Vorrundenspiele). 13 Einsätze bräuchte er für den Rekord. Ob sein Traum in Erfüllung gehen wird, liegt nicht in der Macht des Spielers. Oder wie Lichtsteiner selbst mit Blick auf seine Nati-Zukunft sagt: «Der Trainer entscheidet, nicht ich.»

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