Kommentar Xhaka macht Friedensangebot – doch die Waffenruhe ist brüchig

Syl Battistuzzi

1.11.2019

Granit Xhaka will sich mit dem Arsenal-Anhang versöhnen.
Granit Xhaka will sich mit dem Arsenal-Anhang versöhnen.
Bild: Getty

Granit Xhaka meldet sich nach dem Eklat um seine Person mit einem offenen Brief. Der Arsenal-Captain hat die Forderungen seiner Kritiker erfüllt, nun müssen diese zeigen, dass es ihnen auch um die Sache ging.

Die Posse um Granit Xhaka ist mehr ein Lehrstück über die aktuelle Gemütslage der heutigen Gesellschaft denn um den Fussball selber. Die Stars und Sternchen stehen immer mehr in der Schusslinie, auf Social Media kann jeder seinen Senf dazu geben. Dabei muss man natürlich übertreiben, um gehört zu werden. In England ist zudem eine unerbittliche Pressemeute am Werk, welche mit bitterbösen Geschichten versucht, kräftig Auflagen zu bolzen wie wohl nirgendwo sonst. 

Diese toxische Mischung trifft nun mit Arsenal auf einen Klub, der ganz spezielle Vorzeichen mit sich bringt. Mit Arséne Wenger war fast 22 Jahre ein Trainer an der Seitenlinie, welcher sich dem schönen Fussball verschrieb und damit Erfolg hatte – trotz fehlender Krönung in der Champions League. Doch selbst der stilvolle Franzose musste sich schliesslich dem neuen Zeitgeist geschlagen geben. Die Youtube-Crew von «Arsenal Fan-TV» machte es sich zur Lebensaufgabe, den Wutbürgern im Verein eine Stimme zu geben. Was harmlos tönt, endete schliesslich in bizarren Aktionen. Rund um den Globus hielten Fans Transparente hoch mit der Aufschrift «Wenger Out». Und hatten traurigerweise Erfolg damit, Wenger warf irgendwann selbst das Handtuch.

Doch das einstige Feindbild ist seit 2018 nicht mehr an Bord, der lethargische Mesut Özil sitzt seit längerem nur noch auf der Bank. Wer könnte also die Rolle des Sündenbocks besser übernehmen für den sportlichen Kriechgang als der neue Anführer aus der Schweiz? Das Revolverblatt «The Sun» bezeichnete ihn schon kurz nach der Nomination als schlechtesten Arsenal-Captain aller Zeiten. 



Grosse Fussstapfen – zu wenig Kredit

Natürlich ist Xhaka kein Tony Adams, Thierry Henry oder Patrick Viera, dazu hat er sportlich tatsächlich (noch) nicht die ganz grossen Stricke zerreissen können. Trotzdem ist er aufgrund seiner Persönlichkeit der ideale Mann für die Binde. Er machte an all seinen Fussballstationen den Mund auf, auch wenn er damit manchmal – vor allem als Jungspund – übertrieb.

Doch er lehrte stets dazu, am Ende wurde ihm stets das Captainamt übertragen: Leader in Basel, in Gladbach und in der Nationalmannschaft. Und eben auch bei Arsenal, gewählt durch seine Mannschaftskollegen, was ihn umso mehr legitimiert und auszeichnet. Seine Kollegen wissen also seine Präsenz auf dem Platz zu schätzen: Xhaka schiesst nicht Tore am Laufmeter, ist kein Sprintkönig und seine Grätschen passen irgendwie nicht zu seinem eleganten Spielstil. Sein Preisschild von 45 Millionen Euro, womit er der fünftteuerste Arsenal-Spieler aller Zeiten ist, hilft ihm auch nicht wirklich.

Und doch macht er mit seinen überlegten Pässen und Übersicht jedes Team besser, was auch die Schweizer Nationalmannschaft bei seiner Absenz schnell zu spüren bekommt. Ein klassicher Trainerspieler sozusagen, welcher oft in den öffentlichen Bewertungen zu kurz kommt. Nun hat ihn ausgerechnet sein Vorgesetzter Unai Emery nach dessen provokanter Geste Richtung Tribüne bei seiner Auswechslung nicht geschützt, sondern suspendiert. Der spanische Trainer versuchte wohl damit, sich selbst aus der Schusslinie zu nehmen. Im Umkehrschluss geriet sein Mittelfeldregisseur dafür umso mehr ins Fadenkreuz.

Memes sagen manchmal mehr als 1000 Worte. 
Memes sagen manchmal mehr als 1000 Worte. 
Bild: imgur

Am Donnerstagabend meldet sich der 27-Jährige auf seinem Instagram-Kanal zu Wort. Dort beklagt der Basler sich über die Angriffe unter der Gürtellinie, unterstreicht seine Loyalität für den Verein und fordert gegenseitigen Respekt. Xhaka hat also die Hand ausgestreckt, um sich mit den Fans zu versöhnen. Ob die Fans auf das Friedensangebot eingehen, muss leider bezweifelt werden. Schliesslich bezahlen sie im Emirates Stadium die höchsten Ticketpreise der Welt und kaufen sich damit ihrer Meinung ja fast schon das Recht, Spieler auszubuhen. Auch wenn dabei nicht nur ein Fussballer, sondern ein Mensch zugrunde geht.

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