Iñaki Williams steht bei Athletic Bilbao mehr als sechs Jahre lang in jedem Liga-Spiel auf dem Platz – bis die Rekord-Serie der lebenden Klub-Legende am Sonntag abreisst.
Nie verletzt, nie sanktioniert, nie beim Trainer aussen vor: Musterprofi Iñaki Williams verpasst für mehr als sechs Jahre kein einziges Meisterschaftsspiel für Athletic Bilbao, bis die unglaubliche Serie am Sonntag bei der Auswärtspartie bei Celta Vigo reisst. Williams ist mit einer Muskelverletzung zum Zuschauen verdammt, prompt setzt es eine 0:1-Niederlage ab.
Davor fehlte Iñaki Williams letztmals am 17. April 2016 im Matchaufgebot von Athletic Bilbao. Damals, weil ihn ein Teamkollege im Training am Knöchel getroffen hatte. Es soll für unglaubliche 251 Partien aber das letzte Mal bleiben. Zum Vergleich: In der Premier League war Chelsea-Legende Frank Lampard mit 164 Partien in Folge der konstante Athlet in den letzten 30 Jahren. Mehr als sechs Jahre gehört Williams so fix zum Kader wie das Amen in der Kirche. Wieso ausgerechnet er eine Klub-Legende für die Basken wurde, ist dabei einer Laune des Schicksals zu verdanken.
In Zeiten des modernen Fussballs mit der hohen Anzahl an intensiven Spielen ist die Marke von Iñaki Williams schlicht aussergewöhnlich. «Ich danke meinen Eltern für die Gene – ich weiss nicht, was es ist, aber da ist etwas in mir.» Manchmal habe er unter Schmerzen gespielt oder notfalls auch Medikamente genommen, hielt Williams einst gegenüber dem «Guardian» fest.
In der Tat ist es erstaunlich, dass der 27-Jährige ein Dauerbrenner ist. Einerseits ist er als Feldspieler mehr exponiert als ein Torhüter, andererseits sind Muskelverletzungen im Fussball schlicht Alltag. Und für einen pfeilschnellen Profi wie Williams die Grundlage.
Die berührende Familiengschichte
Die Mentalität, mit Widerständen umzugehen, liegt dabei in der Familie. Williams war bereits Profi, als seine Mutter ihm die wahren Hintergründe der abenteuerlichen Flucht aus Ghana eröffnete. Zusammen mit seinem Vater durchquerte die damals mit ihm schwangere Mutter die Sahara, teilweise auch barfuss. In Melilla, der spanischen Enklave in Nordafrika, strandeten sie.
Dank eines verständnisvollen Anwalts bekamen sie schliesslich Asyl. Pamplona, 150 Kilometer südöstlich von Bilbao, wurde ihr neues Zuhause. Dort trafen sie auf Iñaki Mardones. Der Priester wurde Götti und Namensgeber des ersten Sohnes, später kamen noch sein Bruder Nico und Schwester Maria hinzu. «Alles passiert aus einem Grund. Wäre ich nicht in Bilbao geboren, hätte ich niemals für Athletic Bilbao spielen können», so Williams fatalistisch.
Die Eltern hielten sich lange mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Der Vater suchte später in England nach Arbeit. Und kam hier auch mit Fussball in Berührung: An der Stamford Bridge kontrollierte er die Tickets.
Galionsfigur gegen den Rassismus
Sein Sohn machte im Dezember 2014 als 20-Jähriger sein erstes Spiel für Athletic Bilbao. «Es ging nicht nur um das Debüt selbst, sondern um das, was es brachte. Es bedeutete, meinen Vater aus London zurückzubringen, meine Familie nach zehn Jahren wieder zu vereinen, meinem kleinen Bruder die väterliche Figur zu geben, eine Stabilität, die Familie, die wir uns so sehr wünschten. Ich habe davon geträumt, Fussballer zu werden, aber auch meine Familie wieder zu vereinen.»
Iñaki Williams war in Bilbao der erst zweite dunkelhäutige Profi, welcher in der über hundertjährigen Geschichte des Traditionsklubs das Trikot der Rojiblancos tragen durfte. Inzwischen ist er längst Publikumsliebling geworden. Williams ist als eloquenter und offener Typ auch eine Symbolfigur im Kampf gegen den Rassismus. «Die Menschen können sich in meine Geschichte einfühlen», betont er seine Rolle.
Der jüngere Bruder wandelt auf Iñakis Spuren
Die märchenhafte Story der Flüchtlings-Familie ist sogar noch um ein Kapitel erweitert worden. Auch Iñakis acht Jahre jüngerer Bruder Nico – ebenfalls Offensivspieler – spielt mittlerweile bei Athletic Bilbao. Er müsse seine eigene Geschichte schreiben, meint Iñaki Williams. «Wir leben das gemeinsam, ich bin stolz auf ihn.»