«Seinen Platz nie gefunden» Ein überstürztes Engagement von Ex-Nati-Coach Petkovic in Bordeaux

sda

9.2.2022 - 09:01

Mehr Ärger als Lust für Vladimir Petkovic in Bordeaux.
Mehr Ärger als Lust für Vladimir Petkovic in Bordeaux.
Keystone

«Der frühere Schweizer Nationalcoach hat seinen Platz an der Spitze der Girondins in etwas mehr als einer halben Saison nie gefunden.» So urteilt «L'Equipe» am Tag nach Vladimir Petkovics Absetzung als Trainer in Bordeaux.

Keystone-SDA, sda

Erst recht nach den überzeugenden Leistungen der Schweizer Nati an der Europameisterschaft – der Sieg im Achtelfinal gegen Frankreich beeindruckte in Frankreich besonders – glaubte man in Bordeaux den Trainer mit dem perfekten Profil für ein langfristiges Projekt gefunden zu haben. So formulierte es jedenfalls der luxemburgisch-spanische Unternehmer und Klubpräsident Gérard Lopez. Er stellte Petkovic mit einem Vertrag über drei Jahre als Nachfolger von Jean-Louis Gasset ein. Lopez überhäufte auch sich selber mit Lob: «Einen Coach mit einer solchen Aura verpflichten zu können, ist der Beweis für unsere grossen Ambitionen in dieser Saison», sagte der Geldgeber öffentlich.

Ambitionen? Nach einem guten halben Jahr mit Vladimir Petkovic an der Seitenlinie ist die Mannschaft in argen Nöten. Sie liegt mit nur vier Siegen (und acht Unentschieden) in 23 Meisterschaftsspielen auf einem Abstiegsplatz. Von den 20 Mannschaften der Ligue 1 hat nur Saint-Etienne noch weniger Punkte geholt. Dem stolzen Klub, für den einst Zinédine Zidane spielte und der Christophe Dugarry hervorbrachte, droht der erste Abstieg seit 31 Jahren, seit 1991. Damals stieg man nicht aus sportlichen Gründen ab, sondern mit einer Zwangsrelegation wegen einer starken Verschuldung. Ein Jahr später kehrte Bordeaux ins Oberhaus zurück, wo es sich bis heute hält.

Alles musste schnell gehen

Für Petkovic ging letzten Sommer alles zu schnell. Die Meisterschaft begann am 8. August, noch bevor Petkovic die Spieler, die Mannschaft und die ganze Umgebung auch nur einigermassen gut kennengelernt hatte. Über ein Spielsystem und Varianten zum Spielsystem hatte er nicht einmal nachdenken können, als die Mannschaft beim Start gegen Aufsteiger Clermont 0:2 verlor. Der erste Sieg, ein 2:1 gegen das jetzige Schlusslicht Saint-Etienne, stellte sich erst in der sechsten Runde ein, und erst Ende Oktober siegten die Bordelais zum zweiten Mal. In der ganzen Zeit spielte Bordeaux kein einziges Mal zu null. So stellt Bordeaux gerade jetzt die schwächste Defensive aller Mannschaften der fünf grossen europäischen Ligen. 58 Gegentore in 23 Spielen ergeben einen Schnitt von 2,52.

Gérard Lopez stärkte Petkovic noch im Dezember den Rücken, und der Technische Direktor Admar Lopes sagte sogar noch letzte Woche, vor der 0:5-Niederlage in Reims: «Wir glauben fest an ihn.» Aber eigentlich waren Petkovics Tage in Bordeaux schon nach dem blamablen 0:6 in Rennes Mitte Januar gezählt. Schliesslich soll auch Petkovics Taktik eine Rolle gespielt haben, ebenso seine leisen Töne in der Kabine. Die sprachliche Barriere war für den Bosnien-Schweizer die ganze Zeit ein Handicap.

Er könnte es

Dass er Klubmannschaften gut voranbringen kann – sobald er genug Zeit bekommt –, bewies Vladimir Petkovic einst in Bern. Zwischen 2008 und 2011 spielten die Young Boys unter seiner Leitung einen attraktiven, beim Publikum sehr gut ankommenden Fussball. Unter ihm wurde beispielsweise Seydou Doumbia gross. Und in der Saison 2009/10 verlor YB den Kampf um den Meistertitel gegen Basel erst am letzten Spieltag.