Eine Chance für die Schweiz? Olympia propagiert Rückkehr zu den Wurzeln

sda

21.2.2022 - 13:57

«Beijing 2022» ist Geschichte. In vier Jahren kehren die Winterspiele in Norditalien (Mailand/Cortina) in die Alpen zurück – mit Ansätzen, die auch in der Schweiz Hoffnung aufkeimen lassen.

21.2.2022 - 13:57

Die Winterspiele von 2026 sollen keinen Rappen Steuergeld kosten. Nur ein einziger Neubau, eine Eishockey-Halle in Mailand für 16'000 Zuschauer, ist vorgesehen. Die Organisatoren versprechen eine «Rückkehr zu den Wurzeln».

Zurück in den Alpen, in der Heimat des Wintersports, wird indes nicht automatisch alles besser als an den letzten drei gewöhnungsbedürftigen Austragungsorten Sotschi (2014), Pyeongchang (2018) oder Peking (2022). Ob in Mailand und Cortina die Abrüstung des Gigantismus tatsächlich beginnt, den das IOC mit seiner Agenda 2020 schon feiert, muss erst bewiesen werden.



In vier Jahren werden die Distanzen zur Herausforderung. Die Spiele finden in der Lombardei (Mailand, Bormio, Livigno), in Venetien (Cortina), im Südtirol (Antholz) und im Trentino (Val di Fiemme) statt. Die Reisedauer zwischen Mailand und Cortina beträgt fünf Stunden. Der olympische Geist wird es in Norditalien nicht einfach haben.

Coubertins Idee nicht mehr aktuell

Die Olympischen Winterspiele bewegen sich in eine Richtung, die Pierre de Coubertins Grundidee einer Begegnungsstätte junger Sportler ad absurdum führt. In Italien wird es sechs olympische Dörfer geben, nicht einmal die Eröffnungsfeier (in Mailand) und die Schlussfeier (in Verona) finden am gleichen Ort statt. Immerhin punkten die Italiener mit Nachhaltigkeit. Das antike Amphitheater in Verona haben die Römer vor zwei Jahrtausenden gebaut.

Das IOC muss diesen neuen Weg der Dezentralisierung einschlagen, weil ansonsten endgültig die Kandidaten ausgegangen wären. Vor drei Jahren verblieben für 2026 nur zwei Kandidaturen zur Auswahl – neben Mailand/Cortina noch Stockholm/Are. Für die Spiele von 2022 hatte das IOC die Wahl zwischen Peking und Almaty (Kasachstan).

Aber trotz «Agenda 2020» wachsen die Spiele weiter. Es ist nicht damit zu rechnen, dass zu den 109 Wettbewerben von Peking nur die fünf schon aufgenommenen Bewerbe im Skibergsteigen dazukommen. 1988 in Calgary gab es noch weniger als 50 Medaillensätze (46) zu gewinnen, 2018 in Pyeongchang erstmals mehr als 100 (102).

Der Präsident des IOC, Thomas Bach, bei einer abschliessende Rede in Peking.
Der Präsident des IOC, Thomas Bach, bei einer abschliessende Rede in Peking.
Bild: Keystone

Schweiz wäre prädestiniert

Die Spiele von Peking und ganz sicher auch die nächsten Spiele in Norditalien lassen Hoffnung aufkeimen, dass vielleicht doch irgendwann auch in der Schweiz wieder Winterspiele stattfinden könnten. «Wenn jemand prädestiniert ist für Olympische Winterspiele, dann ist es die Schweiz», sagte Skiverbands-Präsident Urs Lehmann in einem Interview mit der SonntagsZeitung. «Wir haben fast alle Infrastrukturen, mit die modernsten weltweit. Wir haben das Geld, wir haben das Standing, wir sind angesehen als Wintersportnation.»

Auch Ralph Stöckli, der «Chef de Mission» von Swiss Olympic, ist überzeugt davon, dass die Schweiz sich wieder bewerben sollte: «Aber wichtig ist auch, die Bevölkerung ernst zu nehmen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Leute im Moment nicht hinter Spielen steht, wie sie derzeit organisiert werden. Bevor man einen neuen Anlauf nimmt, muss man klären, unter welchen Bedingungen die Bevölkerung überzeugt werden kann. Es ist hilfreich, dass wir in vier Jahren Spiele in Italien haben mit einem sehr dezentralen Konzept. Wir sind froh, finden wieder einmal Spiele im Alpenraum statt. Das wird für uns ein wichtiger Gradmesser sein, um uns weiterführende Gedanken über eine Schweizer Kandidatur zu machen.»

Kleiner und billiger

Auch die zu Ende gegangenen Olympischen Spiele bieten für eine Schweizer Kandidatur neue Ansätze. Die Sommerspiele in Tokio im Sommer 2021 und die Winterspiele von Peking funktionierten ohne Zuschauer. Die Einnahmen aus den Fernsehrechten finanzieren das Spektakel. Wenn künftig für Olympia nicht Neubauten nötig sind, die nur für diesen einen Anlass ausgelastet werden, erhöht das die Chance, Winterspiele auch bei uns mehrheitsfähig zu machen. Die Spiele müssen kleiner und billiger werden. Wenn Olympia sogar ohne Zuschauer geht, dann reichen auch Stadien wie in Biel oder Langnau mit Fassungsvermögen bis 4000 Zuschauern (bei nur Sitzplätzen) aus, um Olympia-Events durchzuführen.

Das Budget von Mailand/Cortina beträgt derzeit 1,9 Milliarden Franken. 600 Millionen steuert das IOC bei. Die übrigen 1,3 Milliarden sollen durch Sponsoren, Merchandising und Ticketverkäufe in die Kasse kommen. Öffentliche Gelder sind nicht eingeplant. Deshalb sprachen sich bei der Bewerbung vor drei Jahren über 80 Prozent aller Italiener für Olympia aus.

Das ist der Weg, der auch in der Schweiz zu begehen wäre. In der Schweiz scheiterten Kandidaturen zuletzt an den zu hohen Kosten, welche die Öffentliche Hand zu tragen hätte. In Graubünden sagten vor fünf Jahren gut 60 Prozent Nein zum Projektkredit für die Kandidatur für 2026.

sda