Daten im Skispringen Daten im Skispringen: Dem perfekten Sprung auf der Spur

SDA

21.11.2018 - 05:04

Ein Springer bringt sich nach dem so entscheidenden Absprung in die optimale Position.
Ein Springer bringt sich nach dem so entscheidenden Absprung in die optimale Position.
Source: Getty

Dank ausgeklügelter Technik will der internationale Skiverband FIS das Geheimnis eines guten Sprungs lüften – so die Ankündigung. Doch der Durchbruch lässt auf sich warten.

Das Auge des Laien kann keine Unterschiede ausmachen. Wenn sich die Skispringer zu Tal stürzen und danach dem Hang entlang gleiten, gleicht das eine Bild dem anderen. Einzig bei der Landung: Einige wenige fliegen bis unten ins Loch, die meisten setzen vor den in den Hang gezeichneten Linien auf. Geht die Analyse weiter als über das Messen der Weite, öffnet sich ein Buch mit sieben Siegeln. War es nun ein guter oder ein schlechter Sprung? Passten alle Details in der komplexen Absprungbewegung mit 90 km/h auf Eis, oder hatte sich ein Fehler eingeschlichen? Hatte der Wind die Leistungen verfälscht? Selbst die Athleten tun sich mit den Erklärungen schwer, aus ihren Antworten wird oft keiner schlau.

Die FIS will nun Licht ins Dunkel bringen. Sensoren an den Bindungen der Flieger und unzählige Spezialkameras um den Schanzentisch sollen Fakten liefern. «Wir können so das Geheimnis eines guten oder schlechten Sprungs lüften», schwärmte Walter Hofer, der Renndirektor Skispringen, unlängst am Forum Nordicum der Sportjournalisten im nächstjährigen WM-Ort Seefeld. «Mit den neuen Informationen werden die Athleten vergleichbar.»

In Zusammenarbeit mit Swiss Timing sammelt die FIS eine Unmenge von Daten, die Athleten, Trainer und in Teilen davon auch Journalisten oder die Zuschauer vor dem Bildschirm erleuchten sollen: Anlaufgeschwindigkeit, Absprungbewegung, Flugbahn, Geschwindigkeit zu jeder Zeit des Fluges, Aufkantung der Ski, Anstell- und Spreizwinkel, Armstellung oder all der gleichen können aus einem riesigen Datenstrahl gefiltert werden. So zumindest die Theorie. Seit zwei Jahren tüftelt die FIS, in Wisla zum Weltcupstart am vergangenen Wochenende jedoch wurde die neue Technik noch nicht wie angekündigt eingesetzt, Mitte Dezember soll es aber soweit sein. Die TV-Stationen können dann ein Paket kaufen und zusätzliche Informationen einblenden.

Die Präzision fehlt

Die Skispringer und ihre Trainer interessieren sich allerdings nicht für die TV-Bilder. Sie wollen einen verlässlichen Datenstrahl, hieb- und stichfest. «Die Fehlerquelle war noch zu hoch, die Genauigkeit fehlte», erzählte Roger Kamber von seinen Erfahrungen. Der Trainer von Simon Ammann legt beispielsweise ein Augenmerk auf die Entwicklung der Geschwindigkeit im Flug. Der vierfache Olympiasieger ist nicht einer, der hoch abspringt, dafür macht er den Sprung möglichst schnell, um weit zu fliegen. «Eher auf Speed als vertikal», wie es Kamber ausdrückte. Die Messdaten zeichneten einen Flugverlauf, der so nicht stimmen konnte. Mal schneller, mal langsamer, das geht nicht.

Kamber dementierte den Eindruck, dass die Trainer weltweit auf das Hilfsmittel der FIS brennen würden: «Mit einer Video-Analyse kann ich den Verlauf der Geschwindigkeit auch messen.» Kamber spielt die Bilder von Ammanns Sprüngen oder auch von Ammann und einem Konkurrenten zeitgleich ein. Dieses Übereinanderlegen kennt der TV-Zuschauer seit Jahren von den Skirennen. Die Daten der FIS würden einzig untermauern, was er bereits von Auge festgestellt habe. «Aber wenn das Messsystem in allen Bereichen präzise wird, dann wird es spannend.»

«Dieser Datenstrahl bringt unsere Sportart weiter», glaubt der Schweizer Disziplinenchef Berni Schödler. Viele Nationen, unter ihnen auch die Schweiz, erheben mit eigenen Systemen Daten. Die Schweizer Version würde aber nicht so detailliert Auskunft geben. Und: «Es ist ein Unterschied, ob wir nur in Einsiedeln unter uns oder eben an jedem Weltcup-Ort mit jedem Athleten vergleichen können», betonte Schödler.

Sollten die Daten mal genau genug sein, fängt die Arbeit erst an. Entscheidend ist, was der Einzelne herauszieht. Will heissen: Ein perfekter Flug eines Konkurrenten lässt sich kaum auf das eigene Flugsystem übertragen. «Kopieren geht nicht», meinte Kamber. «Jeder hat seinen eigenen Sprungstil. Das ist seine Basis und er muss nun versuchen, ihn von dort aus besser zu machen.»

Eben doch Gefühlssache

Das Sensoren-Obligatorium dürfte kommen, davon gehen alle aus. Eine Streichholzschachtel-grosse Box - zehn Gramm schwer – wird auf die Skibindung montiert. Trotz all der Technik bleibt das Bonmot «Skispringen ist Gefühlssache» erhalten. Der Österreicher Gregor Schlierenzauer, der immer noch aktive Rekord-Weltcupsieger, brachte es unlängst wieder auf den Punkt. «Das Entscheidende ist, wenn der Athlet das Gefühl und den Aha-Effekt hat, diesen dann zu speichern. Die Frage ist, wie oft man es zusammen bringt», sagte der Tiroler.

Diese Aussage muss zutreffen, denn anders wären wohl die häufig auftretenden Seriensiege kaum zu erklären. Schlierenzauer hatte sie, Ammann auch und unzählige Top-Athleten sowieso. Das krasseste Beispiel der jüngeren Vergangenheit betrifft Thomas Diethart. Der Österreicher gewann quasi aus dem Nichts die Vierschanzentournee und verschwand danach wieder in der Versenkung.

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