Die letzten Abfahrten der Saison können aufgrund des schlechten Wetters nicht ausgetragen werden. Dies ist auch wohl gleichbedeutend mit den Vorentscheidungen im Gesamtweltcup zuungunsten der Schweiz. Die FIS trägt dabei eine Mitschuld an dieser Konstellation.
Um die einzige unumstrittene Sache gleich vorab zu klären: Der Entscheid der FIS am Mittwochmorgen für die Rennabsage der Abfahrten ist reglementskonform und daher korrekt: Leider trifft es dadurch Swiss-Ski hart, beziehungsweise Marco Odermatt und Lara Gut-Behrami, deren Chancen auf den Gewinn der grossen Kristallkugel stark schwinden.
Das verpatzte Saisonfinale scheint dabei ein Spiegelbild der Reglemente des internationalen Ski-Verbands zu sein. Wie die FIS tatenlos zusieht, wie der Höhepunkt der ganzen Saison in Luft aufgeht, lässt wohl jeden Ski-Fan staunen. Ausgerechnet der – mit Ausnahme der WM – grösste Event fällt den unflexiblen Strukturen zum Opfer. Dabei zeigt die FIS ja unter dem Jahr, das sie auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren kann und wirbelt den Kalender jeweils munter und auch kurzfristig durcheinander. Aufgrund der Corona-Krise musste sie heuer mehr den je das Programm über den Haufen werfen. Nur das Schlussbouquet in der Lenzerheide kann man offenbar nicht anpassen.
Eine Absage bei den Rennen in Graubünden ist dabei beileibe kein Novum. Und führt dabei zu traurigen Szenen. Erinnert sei etwa an dieser Stelle an die Saison 2011, als nach einer kompletten Skisaison mit 32 Rennen am Ende die Erste (Maria Höfl-Riesch) und die Zweite (Lindsey Vonn) gerade mal drei Punkte trennten. Das Rennen konnte dann wegen Nebel nicht stattfinden. Als würde der Champions-League-Final nach einem Remis nur durch das Torverhältnis in der Gruppenphase entschieden werden.
Chancengleichheit torpediert – eigenes Produkt angekratzt
Die Anzeichen für das Debakel waren da: Die FIS wollte in der Lenzerheide bei den Frauen und Männern in fünf Tagen neun Rennen (!) durchboxen. Wie ein/e Skifahrer/in, der/die alle Rennen bestreiten möchte, dieses Mammutprogramm körperlich überstehen soll, steht in den Sternen. Zwar bestand nie eine Chancengleichheit zwischen den Speed-Spezialisten und den Technikern, in diesem Jahr ist die Balance aber unausgewogener denn je. Sprich: Techniker/-innen sind klar bevorteilt.
Dass es im Ski-Sport – der naturbedingt draussen stattfindet – wenig braucht, um das Kartenhaus zusammenstürzen zu lassen, darf nicht verwundern. Der Ski-Zirkus darf sich auch zukünftig auf Wetter-Kapriolen einstellen, auch wenn FIS-Präsident Gian Franco Kasper behauptet: «Es gibt keinen Beweis für den Klimawandel.» Der 77-jährige Engadiner, der seit über 23 Jahren den Verband anführt, wollte auch schon den FIS-Kongress in Thailand durchführen lassen, ehe ihn das Coronavirus stoppte.
Der Verband hält fix am Team-Wettkampf am Freitag fest. Muss sie dummerweise auch: Nicht erst seit diesem Winter schreibt das Reglement der FIS vor, dass Programm-Änderungen am Weltcup-Finale nicht zulässig sind. Deshalb wird halt der fast unbedeutende Team-Event durchgeführt, anstatt innovativ zu sein.
Die FIS torpediert so ihr eigenes Premium-Produkt. Die fehlende Flexibilität hindert sie auch an allfälligen Optionen: So hätte man etwa die Slaloms und Riesenslaloms vom Wochenende unter der Woche durchführen, und die Speed-Rennen dafür nach hinten verschieben können, wenn die Wetterprognosen günstiger scheinen.
Der ganze FIS-Betrieb ist ein eigenes Biotop, der selbst für die Beteiligten manchmal schwer zu durchschauen ist. Es würde den Exponenten sicher guttun, sich auch ausserhalb ihres Lebensraums zu erkundigen, wie man den Ski-Zirkus empfindet und welche Verbesserungen man in Angriff nehmen sollte. Denn einerseits haben die Innovationen aus dem Hause FIS bis jetzt nicht eingeschlagen, andererseits haben die verkrusteten Strukturen auch die traditionellen Ski-Fans vergrault. Fazit: Es wird höchste Zeit für ein wenig Blutauffrischung und Innovation bei der FIS.