Nach Doping-Beben verlieren gewöhnlich auch Funktionäre schnell ihre Posten. Peter Schröcksnadel nicht. Der ÖSV-Präsident scheint auch den neusten Skandal aussitzen zu können. Die Macht scheint ungebrochen.
Salt Lake City 2002, Turin 2006, Sotschi 2014 – und jetzt Seefeld 2019. Bei den grossen Dopingskandalen im Wintersport in den vergangenen Jahren waren auch österreichische Langläufer und Biathleten unter den Dopingsündern. Für gewöhnlich wird spätestens bei einer solchen Häufung nach begünstigenden Strukturen gefragt, nach einem Versagen des Verbands. Nicht so im ÖSV.
Denn die Strategie des Österreichischen Skiverbands war in all diesen Fällen im Kern immer dieselbe: Es handele sich um Einzeltäter, der Verband ist das Opfer. Die Strategie funktionierte – zumindest für ÖSV-Chef Peter Schröcksnadel, der den Verband seit 1990 als Präsident führt und jeden Skandal und Fehltritt überstand. Es waren einige.
«Napoleon der österreichischen Skipisten»
Schröcksnadel gehört zu den einflussreichsten Sportfunktionären und Unternehmern in Österreich. Der 77-Jährige hat sich in den vergangenen Jahrzehnten ein komplexes Firmen-Konstrukt aufgebaut, das umfangreiche Beteiligungen an zahlreichen Skigebieten und Bergbahnen in der Alpenrepublik hält. Seine Firmen verkaufen Panoramabilder aus den Bergen an TV-Sender. Der Skisport in den Alpen wurde von Schröcksnadel massgeblich mitgeprägt, die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» nannte ihn gerade erst den «Napoleon der österreichischen Skipisten».
Seine Machtposition wird zudem durch die grosse Bedeutung des Wintersports in Österreich gestärkt. Das Land versteht sich als grosse Ski-Nation, alpine Siege haben eine deutlich grössere Bedeutung als in Deutschland. Das wissen auch die Medien, die dem ÖSV für gewöhnlich wohlgesonnen sind. Die grösste österreichische Tageszeitung gehört zu den wichtigsten Sponsoren des ÖSV, der öffentlich-rechtliche ORF wird auf der Webseite als Verbandspartner aufgeführt.
Schröcksnadel bestimmt in diesem Geflecht von Wirtschaft, Sport und Medien schon seit Jahrzehnten die Richtung des Skiverbands. Von 1978 bis 1990 war der Tiroler zunächst Referent beim ÖSV, seit 1990 ist er der Präsident.
Schröcksnadel wittert eine Verschwörung
2006 wollte Schröcksnadel nach eigenen Aussagen eigentlich abtreten – doch der Dopingskandal von Turin kam ihm dazwischen. Bei Razzien in den Unterkünften der Langläufer und Biathleten fanden die Ermittler verdächtige Geräte und Blutbeutel. In der Folge wurden mehrere Sportler gesperrt, auch Trainer und Funktionäre mussten ihren Hut nehmen. Von Schröcksnadel blieb vor allem ein Satz in Erinnerung: «Austria is a too small country to make good doping» – Österreich ist ein zu kleines Land für gutes Doping. Jahre später wurden er und weitere Funktionäre von einem italienischen Gericht freigesprochen. Er betont das regelmässig, wenn es um das Thema Doping geht.
Auch nach diesem Freispruch und nach dem Dopingfall Johannes Dürr 2014 blieb Schröcksnadel. Und es spricht wenig dafür, dass ihn die aktuellen Dopingermittlungen aus dem Amt treiben. Stattdessen teilte er in den vergangenen Tagen gegen die geständigen Langläufer Max Hauke und Dominik Baldauf aus und witterte in der ganzen Razzia eine Verschwörung. «Es kommt mir vor, es war eine getürkte Aktion, wie das inszeniert worden ist, gerade bei der WM», sagte Schröcksnadel.
Die Kritik wird lauter
In die Amtszeit Schröcksnadels fallen zudem die Missbrauchsdebatten der vergangenen Jahre. Ausgelöst wurden diese von Nicola Werdenigg, der Abfahrtsmeisterin von 1975, die mit ihrem Mädchennamen Spiess an den Start ging und Ende 2017 von regelmässigen Belästigungen und einer Vergewaltigung durch einen Kollegen berichtete. Weitere Vorwürfe von anderen Sportlerinnen folgten pünktlich zu den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang. Auch damals ärgerte sich Schröcksnadel über den Zeitpunkt der Veröffentlichungen, «50 Jahre später» bei Olympia.
Die Kritik an dem mächtigen Sportfunktionär, der keine Angst vor dem Klimawandel hat und langfristige Prognosen für sehr schwierig hält, «wenn man schon den Wetterbericht auf ein oder zwei Wochen nicht sehr genau machen kann», ist aber inzwischen lauter geworden. «Der hat einen Saustall in seinem Verband», sagte Wolfgang Konrad, Veranstalter des Wien-Marathons, nach den Seefeld-Ermittlungen. Der ÖSV schädige den gesamten Sport. «Mich ärgert extrem, dass der Verband, der die meiste Aufmerksamkeit bekommt, den grössten Schaden anrichtet.»
Immerhin: Schröcksnadel kündigte an, als Konsequenz auf den Dopingskandal die Sparte Langlauf komplett umzubauen. So ganz zieht der Sturm des neuerlichen Skandals also nicht an den Strukturen des ÖSV vorbei. An Schröcksnadels Schreibtisch bleibt es aber wieder mal verhältnismässig windstill.