Das Saisonfinale wird von Rennabsagen überschattet, das FIS-Reglement (Rennen können nicht verschoben werden) sorgt vielerorts für Unmut. Ski-Experte Michael Bont hat eine Idee, wie man den Weltcup fairer gestalten könnte. Und er erklärt, warum er Marco Odermatt den Gewinn der grossen Kristallkugel trotz aller Nachteile noch zutraut.
Vor dem Saisonfinale freuten sich die Ski-Fans auf einen spannenden Kampf um die Kristallkugeln. Umso grösser ist der Frust, dass Rennabsagen (Abfahrt und Super-G bei den Frauen und Männern) insbesondere den Kampf um die grossen Kristallkugeln massgeblich beeinflussen. Sowohl Lara Gut-Behrami und auch Marco Odermatt werden so ihrer Sieg-Chancen wohl beraubt. Letzterer kann das Blatt unter Umständen noch zu seinen Gunsten drehen, allerdings müsste wirklich alles zu seinen Gunsten laufen. Dass ausgerechnet die Speed-Rennen abgesagt wurden, ist besonders bitter: Denn bereits im Vorfeld stand der «Vorwurf» im Raum, dass die Techniker gegenüber den Speedfahrern im Weltcup bevorzugt werden, da es in diesen Disziplinen mehr Rennen gibt.
So würde Bont den Weltcup umkrempeln
Ski-Experte Michael Bont sagt im Interview mit «blue Sport» (Video oben), wie er das Ganze einschätzt und welche Verbesserungsvorschläge er der FIS ans Herz legen würde. Zwar zeigt er ein gewisses Verständnis dafür, dass man beim Saisonfinale nicht einfach den Team-Event opfert und stattdessen eine Abfahrt oder einen Super-G durchführt. Dies würde seiner Meinung nach erneut für Diskussionen sorgen. «Das gibt Streit und die FIS wird sehr stark angreifbar», so Bont. Denn jede Nation hätte andere Vorstellungen davon, welche Rennen man anstelle des Team-Events durchführen müsste.
Lara Gut-Behrami hat die nicht ganz faire Ausgangslage bemängelt. Die Kritik verstehe er «zu hundert Prozent». «Die Verantwortlichen in der FIS müssen sich einfach mal grundlegende Gedanken machen. Ich habe da gerade einen Vorschlag. Man macht vier Disziplinen (Abfahrt, Super-G, Riesenslalom und Slalom) und lässt das Parallel-Zeugs weg. Man macht pro Disziplin acht oder zehn Rennen und dann hat man genug Platz. Und man macht nicht einfach noch künstlich mehr Disziplinen. Und dann wird es viel einfacher und es bleibt viel attraktiver. So gibt es auch diese Diskussionen nicht mehr.»
Bont hat Odermatt noch nicht abgeschrieben
Noch ist der Kampf um die grosse Kristallkugeln nicht entschieden, bei den Frauen sind Lara Gut-Behramis Chancen allerdings verschwindend klein. Petra Vhlova braucht am Samstag im Slalom lediglich zehn Punkte, um die Entscheidung bereits vor dem abschliessenden Riesenslalom zu ihren Gunsten herbeizuführen. Im Normalfall kein Problem für die 25-jährige Slowakin. Sollte Vlhova das nicht schaffen, müsste Gut-Behrami den Riesenslalom gewinnen und die Slowakin dürfte nicht in die Top-15 fahren.
Besser schätzt Bont die Chancen von Marco Odermatt ein, der 31 Punkte hinter Alexis Pinturault klassiert ist. «Bei den Herren glaube ich immer noch, dass es Marco Odermatt schaffen kann. Dass er im Riesenslalom (Samstag) Pinturault extrem Druck aufsetzen kann. Und der Riesenslalom kommt zuerst. Und man hat gesehen, er ist in einem gewaltigen Hoch und er kann sicher zum Gleichstand kommen.» Trifft das zu, so müsste Pinturault am Sonntag punkten: «Dann muss Pinturault den Slalom runterbringen und dann sind wir mal gespannt, ob Odermatt seine Slalom-Ski wirklich noch hervorholt, damit er er eventuell noch in die ersten 15 fahren könnte.»
Aber ist es realistisch, dass Odermatt im Slalom in die Punkte fahren würde, obwohl er in dieser Disziplin in den letzten Jahren kaum an den Start ging? Bont schnappt tief Luft und lacht: «Es ist vielleicht ein Traum, dass er das machen könnte. Weil die Slalom-Dichte ist extrem.» Aus eigener Kraft wäre es wohl nicht möglich, meint Bont, doch wenn die Konkurrenz patzt, dann könnte der Traum eben doch in Erfüllung gehen. Wir sind gespannt. Zunächst muss Odermatt im Riesenslalom aber erst mal vorlegen, ansonsten wird er im Slalom das Blatt kaum noch wenden können.