Captain Abrashi unter Barrage-Druck «Ich weiss nicht, wen ich mehr liebe, meine Frau oder GC!»

Michael Wegmann

24.5.2024

GC-Captain Amir Abrashi vor den zwei wichtigsten Spielen seiner Karriere.
GC-Captain Amir Abrashi vor den zwei wichtigsten Spielen seiner Karriere.

Hier verrät GC-Captain Amir Abrashi (34) vor dem Barrage-Knüller gegen Thun, weshalb er einst bei Freiburg unter Trainer-Legende Streich Angst vor dem Fussballspielen hatte und warum er sich persönlich für das Schicksal von GC verantwortlich fühlt.   

Michael Wegmann

24.5.2024

Keine Zeit? blue Sport fasst für dich zusammen

  • Super League oder Challenge League? Das Hinspiel im Schicksalsduell zwischen GC und Thun findet am Sonntag im Letzigrund statt, das Rückspiel in der Stockhorn Arena geht am Freitag, dem 31. Mai über die Bühne. 
  • Im Interview mit blue Sport gibt GC-Captain Amir Abrashi vor den Schicksalsspielen Einblick in sein Innenleben und spricht offen über Druck, Liebe und Angst.
  • Abrashi sagt: «Das sind die wichtigsten zwei Spiele meiner Karriere. Der Druck, den ich mir mache, ist riesig. Steige ich mit GC ab, wäre das ein Desaster.»

Amir Abrashi, haben Sie Angst vor der Barrage?

Amir Abrashi: Angst nicht, aber Respekt.

Solches Phrasendreschen passt nicht zu Ihnen.

Sie haben recht. Dann sage ich es anders: Ein Kribbeln habe ich vor meiner ersten Barrage schon im Bauch, ein komisches Gefühl. In zwei Partien geht es um die Ligazugehörigkeit. Es sind die wichtigsten beiden Spiele meiner Karriere, es geht auch um den Klub, um seine Mitarbeitenden, seine Fans. Das ist sehr viel Druck, dem wir standhalten müssen. Aber mit Angst dürfen wir nicht auflaufen – Angst lähmt.

Reden Sie aus Erfahrung?

Ja, ich kenne es aus meiner Anfangszeit beim SC Freiburg. Christian Streich war eine imposante Person mit einer grossen Ausstrahlung. Er war der absolute Chef und hat viel von uns Spielern verlangt. Ich hatte riesigen Respekt vor ihm und dachte zu Beginn: Ich darf keine Fehler machen, sonst sitze ich im nächsten Spiel auf der Bank. Der Druck, den ich mir gemacht habe, war so gross, dass ich keinen Mut hatte, Fussball zu spielen.

Gegen Thun gilt jetzt: Nicht zu viele Fehler machen, sonst steigt GC ab.

Definitiv der grössere Druck als damals. Nun geht es um GC. Um meinen Klub, um meine grösste Liebe. Die Liebe zu meiner Frau einmal ausgeklammert. Wobei: Eigentlich weiss ich nicht, wen ich mehr liebe, meine Frau oder GC.

Nun müssen Sie hoffen, dass Ihre Frau Rona dieses Interview nicht lesen wird.

Absolut. (Lacht) Ernsthaft jetzt: Der Druck, den ich mir mache, ist riesig. Aber ich bin älter geworden, kann besser damit umgehen.

Ihre Teamkollegen sind jünger. Wie nehmen Sie ihnen den Druck?

Wir haben zuletzt viel geredet und sind diverse Szenarien durchgegangen. Am Ende bringt das aber alles keine Punkte, diese werden auf dem Platz vergeben. Die Jungen sollen Fussball spielen, mutig sein, alles reinhauen und keine Angst haben. Es ist immer noch Fussball, es geht nicht um Leben und Tod.

Bei Ihnen tönt es jedoch so, als fühlten Sie sich persönlich für das Schicksal von GC verantwortlich. Ist das so?

Absolut. Es kann sein, dass ich mir selbst zu viel auflade. Aber ich bin Captain dieser Mannschaft und fühle mich verantwortlich. Steige ich mit GC ab, wäre das ein Desaster.

Woher diese Verbundenheit? Immerhin kamen Sie erst als 20-Jähriger zu GC, spielten jahrelang in der Bundesliga, liefen auch schon für den FC Basel auf. Sie haben nicht einmal einen Zürcher Dialekt.

Ich bin ja auch im Thurgau aufgewachsen. Aber schon als kleiner Bub in Bischofszell ist mir GC ans Herz gewachsen. Das erste Spiel, welches ich gesehen habe, war im Hardturm. Ich weiss noch genau, wie ich zusammen mit den Junioren von Bischofszell hinter dem Tor gesessen bin und mitgefiebert habe. Da wurde ich GC-Fan und das bin ich bis heute. Als ich mit 20 zu GC wechselte, ging ein Bubentraum in Erfüllung. Hier ist für mich alles emotionaler als anderswo: Ich leide mehr, wenn wir verlieren. Und ich freue mich mehr, wenn wir gewinnen. Deshalb ist der Druck jetzt auch viel grösser.

Ist es aus dieser Perspektive vielleicht sogar ein Vorteil, dass mit Ihnen, Morandi, de Carvalho, Hoxha und Meyer nur wenige echte GC-Buben im Kader stehen?

Sie meinen, ob die anderen befreiter aufspielen können? Gute Frage. Ich glaube nicht. In diesen Spielen steht für jeden viel auf dem Spiel. Ein Abstieg schadet jeder einzelnen Karriere. Ich habe den jüngeren Kollegen schon mehrmals gesagt: ‹Es geht auch um euch. Pasci Schürpf und ich haben unsere Karrieren quasi hinter uns. Aber ihr wollt weiterkommen. ›

Sie persönlich haben aber wohl auch wenig Lust, Ihre Karriere in der Challenge League zu beenden, oder?

Ich habe null Bock auf die Challenge League. Der Ligaerhalt ist derzeit mein grösster Wunsch, mein grösstes Ziel. Es wird nicht einfach, denn der FC Thun hat eine tolle Saison gespielt. Aber trotzdem: Wir sind GC Zürich, wir sind die Superligisten und wir wissen wieder, wie man gewinnt. Wären die Barrage-Spiele vor einem Monat gewesen, ich wäre weniger zuversichtlich gewesen.

Warum?

Da waren wir zwei Monate ohne Sieg. Das war der Horror. Wir wussten nicht mehr, wie man ein Spiel gewinnen kann. Ich konnte mich kaum mehr erinnern, wie das Gefühl ist, drei Punkte zu holen und mit unseren Fans zu feiern. Mit dem Sieg gegen Ouchy zum Auftakt in die Relegation Group konnten wir endlich den Bock umstossen. Ich will nicht wissen, was passiert wäre, wenn wir da verloren hätten.

Sie haben gesagt: ‹Wir sind GC›. Da hat nur noch der Zusatz ‹Rekordmeister› gefehlt. Ist es nicht kontraproduktiv immer von der grossen Vergangenheit des Klubs zu reden?

Ich weiss, was Sie meinen. Die vielen Erfolge von früher zählen in der jetzigen Situation nichts. Rekordmeister zu sein, bedeutet nicht, dass man das Recht auf Super League hat. All das ist mir klar. Aber für mich persönlich ist GC immer noch ein grosser Klub. Dieses blau-weisse Shirt mit dem Grasshopper-Logo drauf bedeutet mir sehr viel. Immer, wenn ich es trage, löst es in mir etwas aus. Stolz, Freude, aber auch Verantwortung.

Als GC im Sommer 2019 abgestiegen ist, kam es in Luzern zum Tiefpunkt in der Klubgeschichte: Erst provozierten GC-Ultras beim Stand von 0:4 einen Spielabbruch, dann mussten die Spieler ihre Shirts vor ihnen ablegen…

… diese schlimmen Szenen habe ich damals am TV mitgekriegt. Aber ich will jetzt nicht darüber reden, mir darüber keine Gedanken machen. Solche Bilder haben in meinem Kopf nichts verloren. Wir haben den Ligaerhalt noch in den eigenen Händen. Und wir haben die Qualität den FC Thun zu schlagen. Dafür gebe ich alles.

Kennen Sie die Statistik aller Barrage-Duelle?

Nein. Und wie gesagt: Sollte diese negativ sein, will ich sie gar nicht wissen.

Sie ist 60 zu 40 für die Teams aus der Super League.

Dann wird diese Statistik in einer Woche noch positiver sein.

Was macht Sie so zuversichtlich?

Die Art und Weise, wie wir die letzten Wochen unter Marco Schällibaum gearbeitet haben. Wir sind fit, wir haben Qualität, der Teamgeist stimmt, das Feuer ist da und zuletzt haben wir auch gute Spiele gezeigt.

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